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Vom Hoffnungsträger zum Störfaktor in Bosnien: Milorad Dodik

Dragan Maksimovic (aus Banja Luka)
Veröffentlicht 21. März 2025Zuletzt aktualisiert 27. März 2025

Einst galt er als Reformer, der den serbischen Teil Bosniens nach Europa führen wollte. Heute steht Milorad Dodik auf der Schwarzen Liste der USA und wird von der bosnischen Staatsanwaltschaft verfolgt.

Ein Mann (Milorad Dodik) steht mit ausgestrecktem rechtem Arm vor der Fahne der Republika Srpska
Der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, im Februar 2025Bild: Radivoje Pavicic/AP/picture alliance

Geboren wurde Milorad Dodik 1959 als Sohn einer Bauernfamilie in der Nähe der Stadt Banja Luka im Nordwesten der Republik Bosnien und Herzegowina, die damals Teil des sozialistischen Jugoslawiens war. Er studierte Politikwissenschaften in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad und arbeitete dann bis 1990 in leitender Position in der Verwaltung seiner Heimatgemeinde.

Bei den ersten Mehrparteienwahlen am Vorabend des Zerfalls Jugoslawiens 1990/91 wurde Dodik ins Parlament von Bosnien und Herzegowina gewählt. Dort stand er für ein Zusammenleben der verschiedenen Ethnien im Land und eine gemeinsame europäische Zukunft. Bei nationalistischen Serben brachte ihm das den Ruf eines Verräters ein.

Gleichzeitig gründete Dodik eine Möbelfabrik, die aber bald scheiterte. Politische Gegner werfen ihm bis heute vor, er habe während des Krieges in Bosnien und Herzegowinas 1992-95 Zigaretten- und Treibstoffschmuggel betrieben. Bewiesen wurden diese Beschuldigungen nie.

Der Friedensvertrag von Dayton beendete vier Jahre Krieg in Bosnien und HerzegowinaBild: picture-alliance/dpa

Nach dem Friedensabkommen von Dayton, das den Krieg in Bosnien Ende Dezember 1995 beendete, gründete Dodik seine eigene Partei, die er "Unabhängige Sozialdemokraten" nannte. Anfangs tat er sich als Reformer im serbisch dominierten Teil von Bosnien und Herzegowina, der "Republika Srpska" (RS), hervor.

Gegner der Nationalisten

Damals lehnte Dodik die nationalistische Politik der bis dato in der RS herrschenden Serbischen Demokratischen Partei (SDS) offen ab. Er trat für ein multiethnisches Bosnien ein und forderte öffentlich die Verhaftung von Politikern wie dem RS-Präsidenten der Kriegszeit, Radovan Karadzic, oder der Militärkommandanten der bosnischen Serben im Krieg, General Ratko Mladic. Beide wurden schwerer Kriegsverbrechen beschuldigt und später vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag verurteilt.

Diese Haltung war damals unter serbischen Politikern sehr selten. "Dodik war mutig und pragmatisch, das machte ihn vor allem bei den Amerikanern beliebt", sagt Tanja Topic, eine politische Beobachterin aus Banja Luka, dem heutigen administrativen Zentrum der RS. "Aber heute feiert er dieselben Kriegsverbrecher als Nationalhelden und beschreibt Bosnien als eine unnatürliche Schöpfung der internationalen Gemeinschaft."

Ein Staat - zwei "Entitäten"

Das durch den Friedensvertrag von Dayton geschaffene Bosnien und Herzegowina mit seinen rund 3,2 Millionen Einwohnern ist ein föderalistisch aufgebauter dezentraler Staat. Er besteht im wesentlichen aus zwei Einheiten, den sogenannten Entitäten: der Föderation Bosnien und Herzegowina, die mehrheitlich von muslimischen Bosniaken und bosnischen Kroaten bevölkert ist und der Republika Srpska, mehrheitlich von bosnischen Serben bewohnt.

Neben dem aus drei Mitgliedern bestehenden Staatspräsidium verfügt der Gesamtstaat über ein aus zwei Kammern bestehendes Parlament. Auch die beiden Entitäten haben jeweils eigene Parlamente und Präsidenten. Das politische Geschehen in Bosnien überwacht seit 1996 der Hohe Repräsentant (HR) als Vertreter der internationalen Gemeinschaft, der auch einen Teil der Staatsgewalt ausüben kann. So darf der HR Politiker entlassen, die gegen den Dayton-Frieden verstoßen. Seit August 2021 ist der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt HR.

Der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, Christian SchmidtBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Mit massiver Unterstützung des Westens wurde Dodik 1998 Premierminister der Republika Srpska. Rückendeckung bekam er auch aus dem Nachbarland Serbien, wo damals Slobodan Milosevic herrschte.

US-Außenministerin Madeleine Albright lobte Dodik als "einen Hauch frischen Windes" und sah in ihm einen Partner für Stabilität und die Umsetzung des Dayton-Abkommens. "Er hat die RS weise durch schwierige Zeiten geführt und sich für die wirtschaftliche Entwicklung eingesetzt", so Albright. Zudem betonte sie Dodiks Rolle bei Versöhnung und Fortschritt in Bosnien.

Von Jedermanns Liebling zum Spalter Bosniens

"Die Jahre 1997/98 und bis 2007 waren in Bosnien von einem schrecklichen internationalen Interventionismus geprägt", erklärt der Journalist Zarko Markovic aus Banja Luka, "und Dodik war verrückt genug, in diesem Chaos die Position des Premierministers anzunehmen." Diese Art von Verrücktheit gemischt mit einer großen Portion Pragmatismus präge seine Herrschaft bis heute.

Milorad Dodik bei der Stimmabgabe in Banja Luka im Oktober 2010. Damals wurde er zum Präsidenten der Republika Srpska gewähltBild: AP

Doch wie wurde aus dem allseits anerkannten Politiker das Enfant Terrible des Westbalkans?

Dodik regierte als Premierminister der Republika Srpska von 1998 bis 2001. Von 2006 bis 2010 hatte er dieses Amt erneut inne. Dann wurde er Präsident der RS. Doch 2006 änderte er seinen Kurs und begann, sich für die Unabhängigkeit der Republika Srpska von Bosnien einzusetzen. Ein Referendum sollte ihm die dazu benötigte Legitimation verschaffen.

Der Alleinherrscher

Zum ersten Mal hielt Dodik im Januar Jahr 2016 eine solche Volksbefragung über die Unabhängigkeit der RS ab - obwohl das zuständige Verfassungsgericht in Sarajevo die Abstimmung zuvor für illegal erklärt hatte. Zwar war das Ergebnis nicht rechtsverbindlich - aber es zementierte Dodiks Autorität in "seiner" Entität.

Er schuf sich ein Netzwerk politischer Verbündeter, mit dessen Hilfe er die Institutionen der RS beherrschen, die Opposition zerstören und sich selbst das Image eines unbestrittenen Führers der bosnischen Serben aufbauen konnte. 2018 wurde er Mitglied des Präsidiums von Gesamt-Bosnien und dann 2022 erneut Präsident der RS.

Abspaltung und Nationalismus

Heute betreibt Dodik eine sezessionistische Politik und strebt die Vereinigung der Republika Srpska mit dem benachbarten Serbien an. Dies führte unter anderem zu Sanktionen der USA und Großbritanniens gegen ihn. Gleichzeitig stärkte er die Beziehungen der RS zu Staaten mit EU-kritischen Regierungen wie Ungarn, Serbien oder Russland und verlor dadurch die Unterstützung der Europäischen Union.

Im Jahr 2024 trifft sich Dodik mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, zwei Jahre nach Beginn der russischen Vollinvasion in die UkraineBild: Milorad Dodik/X

Zum Showdown mit dem Zentralstaat Bosnien und Herzegowina und der Internationalen Gemeinschaft kam es im Jahr 2023. Damals unterschrieb Dodik zwei Gesetze, die festlegten, dass die Entscheidungen des wichtigsten Gerichtes des bosnischen Gesamtstaats sowie des Hohen Repräsentanten Christian Schmidt in der Republika Srpska nicht beachtet werden.

Dafür wurde er am 26. Februar 2025 vom Bundesgericht Bosnien und Herzegowinas zu einem Jahr Haft und einem sechsjährigen Verbot politischer Aktivitäten verurteilt. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig - und Milorad Dodik weiter auf freiem Fuß. Am 27. März 2025 erklärte das Gericht, dass es einen internationalen Haftbefehl gegen den RS-Präsidenten beantragt hat.

Dieser Beitrag wurde am 27.2.2025 aktualisiert.