1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ein Österreicher im Donbass

Dmytro Kaniewski
4. Mai 2017

Den Behörden ist er kein Unbekannter. Er war schon an vielen Hotspots dieser Welt. Wer ist der Mann, der noch bis vor kurzem in sozialen Netzwerken Fotos von seinen "Kampfabenteuern" postete?

Polen Österreicher wegen Ukraine-Kriegsverbrechen gefasst
Bild: randbild photography/Timo Vogt

Ein österreichischer Staatsbürger steht im Verdacht, im ukrainischen Donbass Kriegsverbrechen begangen zu haben. Festgenommen wurde er am vergangenen Wochenende von polnischen Grenzbeamten in der Nähe des Dorfes Dorohusk. Gegen ihn lag ein europäischer Haftbefehl auf Antrag Österreichs vor. Wien will nun eine schnelle Auslieferung des Mannes erreichen.

Nach der Festnahme wurde zunächst berichtet, der Mann habe im Osten der Ukraine aufseiten der pro-russischen Separatisten gekämpft. Bald stellte sich aber heraus, dass der 25-Jährige auf ukrainischer Seite an Kampfhandlungen beteiligt war. Dies bestätigte Erich Habitzl der DW, der Sprecher der Staatsanwaltschaft in der niederösterreichischen Wiener Neustadt. Ihm zufolge soll der Österreicher "auf der Seite der ukrainischen Truppen im Kampf um den Flughafen Donezk Soldaten, die sich schon ergeben haben, beziehungsweise Zivilisten getötet haben". Im Interesse der Ermittlungen wollte Habitzl keine persönlichen Angaben zum Verhafteten machen. Er betonte lediglich, die Identität des Mannes sei geklärt. Gegen ihn laufe bereits ein Verfahren wegen "Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz".

Auf der Suche nach Nervenkitzel

Die österreichische Presse berichtet unterdessen über Einzelheiten aus dem Leben des Verdächtigen. Nach Angaben der Zeitung Kurier handelt es sich um Benjamin F. Er stammt aus einem Dorf im malerischen Kleinwalsertal im Bundesland Vorarlberg. In der Schule war er recht erfolgreich, lernte Geige und wollte Skilehrer werden. Er war sogar bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Benjamin F. verließ das Kleinwalsertal auf der Suche nach riskanten HerausforderungenBild: Kleinwalsertal Tourismus eGen/Steffen Berschin

Doch eines Tages war Benjamin F. das ruhige bürgerliche Leben offenbar leid. Mit 17 Jahren wurde er zum Bundesheer, der österreichischen Armee, einberufen. Seine "Feuertaufe" wollte er unbedingt im Rahmen einer KFOR-Mission im Kosovo absolvieren. Doch ganz konnte er dort seine Abenteuerlust nicht stillen. Zu den Einsätzen wurden immer französische Soldaten geschickt. Die österreichischen blieben in der Kaserne. "Dort langweilt man sich zu Tode", sagte Benjamin F. einmal in einem Interview.

Auf der Suche nach riskanten Herausforderungen brach der junge Österreicher nach Afrika auf. Er begleitete Schiffe in Somalia, wo Piraten ihr Unwesen treiben. Außerdem versuchte Benjamin F., in die französische Fremdenlegion aufgenommen zu werden, aber ohne Erfolg. Er kehrte heim und arbeitete in Wien als Security. Doch er träumte weiterhin von Abenteuern. Die Gelegenheit dazu bot sich, als die Kampfhandlungen im Donbass begannen. Über Facebook fand er Gleichgesinnte. Sie luden ihn nach Kiew ein, von wo aus er direkt weiter in die Ostukraine an die Front fuhr.

Über die Kämpfe im Donbass im Jahr 2014 sprach Benjamin F. in einem Interview mit der Zeitung "Kurier": Es habe dort Chaos geherrscht. Viele Soldaten seien vom Alkoholkonsum regelrecht zerstört worden. Nach Unterzeichnung der Minsker Vereinbarungen, als die Fronten erstarrten, sei ihm der Grabenkrieg "wie im Ersten Weltkrieg mit Alkoholikern und Junkies" schnell langweilig geworden.

Syrien, Irak und wieder die Ukraine

Die nächste Station von Benjamin F. war Syrien. Dort kämpfte er aufseiten der Kurdenmiliz YPG. Benjamin F. waren die Kämpfer aber zu religiös. Er wechselte zu den kurdischen Peschmerga im Irak, die wie die YPG gegen den IS kämpfen. "Wo der Tod ist, ist alles viel lebendiger", sagte er in einem Interview.

Nach dem Irak kam Benjamin F. noch einmal in die Ukraine. Diesmal gehörte er der "Task Force Pluto" an. Die inzwischen aufgelöste Freiwilligen-Einheit wurde einst von drei US-Amerikanern und einem Österreicher gegründet, mit dem Benjamin F. noch aus Bundesheer-Zeiten befreundet war.

Die Mitglieder der Freiwilligen-Einheit "Task Force Pluto"Bild: randbild photography/Timo Vogt

2016 hatte der deutsche freie Fotograf Timo Vogt die "Task Force Pluto" kennengelernt und deren Mitglieder in der Ostukraine begleitet. Dabei fertigte er eine Fotoreportage über Ausländer im Donbass an. Im Interview mit der DW beschrieb Vogt die fünf Männer aus den USA und Österreich: "Es sind junge Männer, alle so zwischen 20 und 30 Jahre alt. Sie sind mit einer nationalistischen Gesinnung in die Ukraine gegangen, um die Ukraine gegen Russland zu unterstützen."

Als Zeichen ihrer Verbundenheit trugen die Mitglieder der Einheit auf ihrem Arm ein Tattoo aus den Worten "Molon Labe", eine altgriechische Redewendung, die ins Deutsche übersetzt soviel bedeutet wie "Komm und hol (sie dir)!" Das soll in der Antike König Leonidas I. von Sparta bei einer Schlacht sarkastisch geantwortet haben, als ihn Xerxes I. von Persien aufforderte, die Waffen niederzulegen.

Ein Tattoo als Ausdruck der Verbundenheit zwischen den KampfgefährtenBild: randbild photography/Timo Vogt

Timo Vogt sagte, Benjamin F. habe gerne von seinen Kämpfen erzählt. "Der Donezker Flughafen war 800 Meter von uns entfernt, als ich mit ihm im Schützengraben saß. Ich habe Benjamin F. dort kämpfen gesehen, auch gesehen, wie er dort Waffen in die Hand nahm und ohne zu zögern geschossen hat", erinnert sich der Fotograf. Im Vergleich zu den anderen Männern sei Benjamin F. gut militärisch ausgebildet und kampferfahren gewesen. "Benjamin F. hat auch in anderen Ländern gekämpft, für diejenigen, deren Weltbild er unterstützen konnte. Wenn ihm das nicht mehr in sein Weltbild passte, dann ist er weiter gezogen", sagt Vogt.

Der Fotograf betonte, in einem Konflikt würde man auf beiden Seiten immer Menschen finden, die "vom Krieg fasziniert" seien, beispielsweise einen Österreicher, der auf der Seite der Ukraine kämpft. Es gebe aber auch genügend Ausländer, die sich den pro-russischen Separatisten angeschlossen haben. Nach Angaben des österreichischen Innenministeriums nehmen derzeit 300 Menschen aus Österreich - darunter auch dort ansässige ausländische Staatsbürger - an internationalen Konflikten teil.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen