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Gesellschaft

Die unglaubliche Geschichte des Paul le Roux

Jan Philipp Wilhelm
3. Juli 2020

Crystal-Meth-Verkauf, Waffenschmuggel, Auftragsmorde, ein geplanter Putsch: Für Paul le Roux ging kein kriminelles Geschäft zu weit. Ein New Yorker Gericht hat den Gangsterboss aus Simbabwe zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Internetkrimineller und Drogenboss Paul le Roux | Screenshot from DEA Undercover Video
Undercoveraufnahme von Paul le Roux der US-amerikanischen Anti-Drogen-Behörden DEA aus dem Jahr 2012Bild: Elaine Shannon

Ein Hotelzimmer in Monrovia, Liberia, im September 2012: Paul le Roux, ein genialer Programmierer aus dem südlichen Afrika mit einer Vorliebe für kriminelle Geschäfte, trifft sich mit einem Mann namens Pepe - seinerseits Boss eines kolumbianischen Drogenkartells. Pepe will neben Kokain künftig auch Crystal Meth nach Nordamerika und Europa verkaufen, le Roux, selbst seit einiger Zeit im Meth-Geschäft tätig, soll Rohmaterialien liefern und mit seinen Verbindungen beim Aufbau der Drogenlabore in Westafrika helfen. Was le Roux nicht weiß: Das Treffen ist eine Falle von Agenten der US-amerikanischen Anti-Drogenbehörde DEA. Eine versteckte Kamera filmt die Unterhaltung. Noch am selben Tag wird le Roux von liberianischen Polizisten verhaftet und kurze Zeit später an die USA ausgeliefert.

Das kriminelle Netzwerk des Paul le Roux

Mit Paul le Roux, geboren als Sohn weißer Eltern in Bulawayo im ehemaligen Rhodesien und aufgewachsen in Krugersdorp, Südafrika, geht den Ermittlern der zu diesem Zeitpunkt vermutlich umtriebigste Internetgangster der Welt ins Netz. Seine kriminelle Karriere umspannt den halben Globus. Im Laufe mehrerer Gerichtsprozesse gegen ihn und ehemalige Partner kommen immer unglaublichere Details ans Licht.

Herzstück und Ausgangspunkt seiner kriminellen Organisation ist das Onlineapotheken-Netzwerk RX Limited, das mit dem illegalen Verkauf von verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln jährlich hunderte Millionen Euro Umsatz generiert. Die große Nachfrage nach Schmerzmitteln während der Opioid-Krise in den USA macht le Roux Mitte der 2000er Jahre zum Millionär, doch bald wendet er sich noch renditeträchtigeren Geschäften zu: Von seinem Hauptquartier auf den Philippinen aus schmuggelt er Methamphetamin aus Nordkorea, verschifft tonnenweise Kokain nach Australien, fädelt Waffendeals in Indonesien ein und wäscht seine Online-Millionen mit Gold aus Ghana und der Demokratischen Republik Kongo.

Gaddafis Gold und ein geplanter Putsch

Doch damit nicht genug: Dem Iran bietet le Roux über einen Mittelsmann ein Raketenlenksystem zum Kauf an. In Somalia will er in großem Stil ins Thunfisch-, Waffen-, und Drogengeschäft einsteigen, lässt dafür ein eigenes Dorf errichten und unterhält zum Schutz der Operation eine mehr als 200 Mann starke Miliz. Das Projekt wird zwar nach einiger Zeit abgebrochen, es beschert ihm aber sogar eine Erwähnung in einem Bericht des UN-Sicherheitsrats. Vor Gericht gesteht er außerdem seine Mitwirkung an mehreren Auftragsmorden, unter anderem an einem seiner eigenen Auftragskiller.

Um seine Geschäfte in Somalia zu schützen, beschäftigte le Roux eine eigene Miliz Bild: Elaine Shannon

Noch unglaublicher sind die nicht eindeutig verifizierbaren Geschichten, die sich um le Roux ranken. So soll er laut Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern und Geschäftspartnern an Plänen beteiligt gewesen sein, das Gold des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi nach Südafrika zu schmuggeln, und soll mit einer Truppe internationaler Söldner sogar einen Putsch auf den Seychellen geplant haben. "Er schmiedete ständig solche Pläne", sagt der Journalist Evan Ratliff, Autor von "The Mastermind", einem umfassend recherchierten Sachbuch über le Roux. "Und bei Paul le Roux muss man das einfach ernst nehmen, weil er viele seiner verrückten Ideen tatsächlich umsetzte." 

Konflikte prägten seine Kindheit

Auf der Suche nach Erklärungen für le Rouxs scheinbar unbändige kriminelle Energie verweist Ratliff auf dessen Kindheit und Jugend im von politischen Unruhen geprägten südlichen Afrika der 1970er und 80er Jahre. Zwar habe le Roux Aussagen von Verwandten und Bekannten zufolge trotz des Bürgerkriegs eine vergleichsweise behütete Kindheit in Simbabwe genossen, so Ratliff. Doch seien le Rouxs Vorstellungen darüber, was legal und illegal sei, durch sein Umfeld in Bulawayo vermutlich entscheidend geprägt worden. 

"Dinge wie Edelmetallschmuggel oder Geschäfte in den Grauzonen des Rechts waren in den Augen vieler nicht per se Unrecht, einfach weil es in der Region damals so viele Konflikte und Chaos gab", erklärt Ratliff im DW-Interview. Das könne eine Erklärung dafür sein, dass le Roux zumindest am Anfang seiner kriminellen Karriere keine moralischen Bedenken gegenüber illegalen Geschäften hatte.

Vom Programmierer zum Gangsterboss

1984, nur kurze Zeit nach dem Ende der weißen Minderheitsherrschaft im heutigen Simbabwe, verlässt le Roux mit seinen Adoptiveltern das Land Richtung Südafrika. Die Familie zieht nach Krugersdorp, rund 25 Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Dort sei der Teenager zum introvertierten Außenseiter geworden, erklärt Ratliff: "Er hasste es, in Südafrika zu sein, er hasste seine Mitschüler." Zu dieser Zeit habe er sich auch erstmals der Computerwelt zugewandt, schließlich habe er die Schule abgebrochen um sich ganz dem Programmieren zu widmen.

Die 1990er Jahre verbringt le Roux unter anderem in London, Hongkong und Amsterdam, wo er sich als Entwickler der Open-Source-Verschlüsselungssoftware E4M einen Namen macht. E4M gilt als Basis des Verschlüsselungsprogramms Truecrypt, mit dem Whistleblower Edward Snowden zufolge sogar der US-Geheimdienst NSA seine Probleme gehabt haben soll. Le Roux gelingt es allerdings nicht, seine bahnbrechenden Entwicklungen zu Geld zu machen. Nach einem Streit mit seinem damaligen Arbeitgeber taucht er 2002 unter.

Mit gefälschten Pässen aus afrikanischen Ländern versuchte Paul le Roux, seine Spuren zu verwischen Bild: Elaine Shannon

Ein eigenes Königreich in Afrika?

Nach Afrika habe es le Roux im Laufe seiner kriminellen Karriere immer wieder gezogen, sagt Elaine Shannon, Investigativjournalistin und Autorin von "Hunting LeRoux", das sich mit der Jagd auf le Roux durch Spezialagenten der US-Anti-Drogenbehörde DEA beschäftigt. "Er sah Afrika als einen Ort, an dem er tun und lassen konnte, was er wollte", sagt Shannon im DW-Interview. "Er wollte in Ruhe gelassen werden, seine eigenen Regeln machen, sein eigenes Reich schaffen. Und Afrika war für ihn der Ort, an dem das alles möglich war - mit dem nötigen Geld."

Wollte sich le Roux, den viele ehemalige Weggefährten als offen rassistisch beschreiben, mit seinen Projekten in Somalia, Landkäufen in Simbabwe oder Putsch-Plänen auf den Seychellen nach dem Vorbild der europäischen Kolonialherren sein eigenes Königreich in Afrika schaffen? Le Roux-Kenner Ratliff ist vorsichtig mit solchen Schlussfolgerungen. Aber: "Ich weiß, dass er in Gesprächen mit anderen immer wieder nahezu neokoloniale Vorstellungen kundtat, dass er sich beispielsweise in Somalia zum großen Mann aufschwingen wollte, der dort das Gebiet kontrolliert und die Gesetze macht."

Klar ist jedenfalls: Seine Pläne wird le Roux wohl nicht mehr umsetzen können. Für einen ganzen Katalog von Straftaten wurde er Mitte Juni vor einem New Yorker Gericht zu 25 Jahren Haft verurteilt. Beobachter hatten eine kürzere Haftstrafe erwartet, da le Roux zuvor intensiv mit den Behörden kooperiert und in einer Reihe von Gerichtsverfahren gegen einige seiner Partner als Kronzeuge ausgesagt hatte. Doch die zuständige Richterin ließ das nur teilweise gelten und erklärte bei der Verkündung des Strafmaßes: "Vor mir steht ein Mann, der es in Bezug auf seine kriminellen Handlungen mit einem James-Bond-Bösewicht aufnehmen kann."

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