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Vom Spottlied zur diplomatischen Affäre

Mathias Bölinger30. März 2016

Die Einbestellung des deutschen Botschafters in der Türkei sorgt weiter für Empörung. Ankara hatte die Löschung einer Satire an Präsident Erdogan gefordert. Die Bundesregierung will alles richtig gemacht haben.

Szene aus dem Extra-3-Video (Bild: picture-alliance)
Erdogan mit Perücke: Eine Szene aus dem Extra-3-VideoBild: picture-alliance/AA/V. Furuncu

Wenn die türkische Regierung geglaubt haben sollte, Kritik an Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in deutschen Medien mit einem Gespräch unter Diplomaten ausbügeln zu können, dann dürfte sie sich getäuscht haben. Seit am Montag bekannt wurde, dass der deutsche Botschafter in Ankara wegen eines satirischen Videos einbestellt wurde, ist das Verhältnis des türkischen Präsidenten zur Pressefreiheit Top-Thema in den deutschen Medien. Mehrere große Tageszeitungen brachten die Affäre am Mittwoch auf ihrer Titelseite.

Steinmeier Statement

01:04

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Spott über den "Boss vom Bosporus"

Bereits am Dienstag vergangener Woche hatte die türkische Regierung den deutschen Botschafter Martin Erdmann einbestellt, nachdem in der Satiresendung Extra 3 des Norddeutschen Rundfunks ein Spottlied über Erdogan gezeigt wurde. Zur Melodie von Nenas Achtziger-Jahre-Hit "Irgendwie, irgendwo, irgendwann", texten die Macher Spottverse über den türkischen Präsidenten. "Er lebt auf großem Fuß, der Boss vom Bosporus", heißt es beispielsweise.

Laut türkischen diplomatischen Kreisen verlangte ein türkischer Beamter von der Bundesregierung die Löschung des Videos. "Wir haben der türkischen Seite sehr klar kommuniziert, dass Pressefreiheit für Deutschland nicht verhandelbar ist", erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes dazu am Mittwoch (30.03.2016) in Berlin.

Der deutsche Botschafter in Ankara, Martin ErdmannBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Noch am Vortag hatte das Auswärtige Amt allerdings abgelehnt, überhaupt zu erklären, ob das Gespräch stattgefunden habe. Erst abends bestätigte das Amt das Treffen und teilte gleichzeitig mit, dass Erdmann am gleichen Tag erneut einbestellt worden sei, nachdem er in der vergangenen Woche als Beobachter an einem Prozess gegen zwei Journalisten der Zeitung Cumhuriyet teilgenommen habe. Erdmann war der ranghöchste ausländische Diplomat, der zur Eröffnung des Prozesses erschienen war. Der Botschafter habe "in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt" gehandelt, betonte die Sprecherin. Darüber hinaus habe die Bundesregierung die Lage der Pressefreiheit in der Türkei "unabhängig von gemeinsamen Interessen" mehrfach öffentlich kritisiert.

Oppositionspolitiker warfen der Bundesregierung vor, sich aus Rücksicht auf die Vereinbarungen in der Flüchtlingspolitik mit Kritik an der Türkei zurückzuhalten. Es sei "fatal, dass der Deal mit der Türkei die Regierung derart zögern lässt", sagte die Grünen-Politikerin Claudia Roth. "Reaktionen wie die von Erdogan, die Kritik an seiner Politik auch im Ausland einschränken zu wollen, sind dann die Folge.“

Sevim Dagdelen von der Linkspartei sprach von "Duckmäusertum" der Bundesregierung gegenüber dem "harten Angriff des türkischen Staatspräsidenten auf die Pressefreiheit in Deutschland" und fügte hinzu: "Ein Land, das jede Woche den deutschen Botschafter einbestellt, kann kein Partner sein.“

Juncker: "Türkei entfernt sich von EU"

Beide beziehen sich damit auf die Vereinbarung zwischen Europäischer Union und Türkei über die Rücknahme von Flüchtlingen, die in Booten nach Griechenland übersetzen. Als Gegenleistung hat die EU neben finanzieller Unterstützung auch eine Intensivierung der EU-Beitrittsverhandlungen versprochen. Deutliche Kritik an der Einbestellung des Botschafters kam deshalb am Mittwoch auch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dieser habe "kein Verständnis" für das Vorgehen der türkischen Regierung, sagte eine Sprecherin. Die Einbestellung des Botschafters entferne die Türkei von der EU.

Das Video, das die ganze Affäre ins Rollen brachte, hatte am Mittwoch auf Youtube knapp 3 Millionen Klicks.

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