Der Chefentwickler
23. Juli 2009Angefangen hat seine Karriere - man glaubt es kaum - in Friedrichshafen am Bodensee, als Paul Hensler Diesel-Motoren für Porsche-Traktoren konstruierte. "Das war eine meiner schönsten Ingenieursaufgaben", erzählt Paul Hensler entspannt auf einer Parkbank sitzend. Dabei hatte es im Arbeitsleben des Porsche-Chef-Ingenieurs Paul Hensler rückblickend durchaus aufregendere Projekte als den Bau von Diesel-Motoren für Traktoren gegeben. Unter seiner Federführung sind die schönsten Porsche 911er entstanden - die klassischen Carrera der 70er und 80er Jahre - die erfolgreichsten Porsche-Rennwagen, wie der 956, der 917, aber auch der sehr beliebte VW-Porsche 914. Doch bevor der heute 80-jährige, sehr zurückhaltende Mann Automobilgeschichte schreiben durfte, bevor er Rennwagen bauen durfte - denn das war sein Ziel - musste er sich Ende der 50er Jahre zunächst dem Traktorenbau widmen. Statt dem Sound des Porsche 550 Spyder - einer der erfolgreichsten Rennwagen der 50er Jahre - hatte Paul Hensler den Klang des Porsche-Diesel auf den Ohren.
Anfänge als Traktorbauer
Dass er dennoch mit dem Rennteam in Kontakt kam, lag an der flachen Hierarchie des Unternehmens und dem guten Kontakt der Ingeneure untereinander. "O Schreck - ich musste in die Diesel-Gruppe. Aber die Kollegen aus der Rennwagen-Abteilung haben mich immer wieder um Rat gefragt", erinnert sich Paul Hensler an seine Anfänge bei Porsche. Was nur wenige Menschen heute noch wissen: Porsche hat zu dieser Zeit weit mehr Traktoren als Sportwagen gebaut - Hensler hatte also in jungen Jahren schon eine verantwortungsvolle Aufgabe bei Porsche. Neben seiner Arbeit an den Schlepper-Aggregaten löste der Traktorenmann quasi nebenher Probleme, die die Entwickler der Rennwagen hatten. Paul Henslers Karriere kam in Gang. "Als Ferdinand Piech die Karriereleiter hochkletterte, übernahm ich den Motorenversuch," sagt Hensler. "Und da war ich nun am richtigen Platz".
Abgasforschung in der Garage
Paul Hensler redet hier übrigens von Ferdinand Piech, Vorsitzender es Aufsichtsrats bei VW, damals aber noch bei Porsche in der Motorenentwicklung. Hensler führte fortan ein Team von brillanten Ingenieuren, deren Konstruktionen große Erfolge auf den Rennstrecken erzielten bis hin zu einen Motor, mit dem Nicki Lauda Formel-1-Weltmeister wurde. Hensler selbst stand dabei nie groß im Rampenlicht - er widmete sich lieber den prekären Aufgaben, wie zum Beispiel der Reduzierung der Abgase. "Das fing ganz komisch an und heute ist alles so selbstverständlich. Der Anfang war nicht leicht - wir hatten nicht einmal Messinstrumente. Die mussten wir selbst entwickeln. Einen Rollenprüfstand mussten wir kaufen", beschreibt Paul Hensler die Anfänge der Abgasforschung in Deutschland. Hensler war hier Pionier. "Aber wohin mit dem Prüfstand? Da bin ich zu Ferry Porsche gegangen und habe gesagt: "Herr Professor Porsche, da hinten gibt es eine Baracke, die nutzen sie als Garage. Da würden wir gerne den Prüfstand einbauen - das hat Prof. Porsche genehmigt."
So begann in Ferry Porsches Garage die Abgasforschung in Deutschland. Stück für Stück baute Hensler nicht nur die Abgasforschung aus, sondern er entwickelte Weissach zu einem richtigen Forschungszentrum mit immer mehr Messgeräten, Prüfständen, Windkanälen, Robotern. Er machte es zu einem der bedeutendsten Entwicklungszentren der Autoindustrie weltweit. "Auch andere Firmen haben bei uns Versuche gemacht. Im Windkanal waren Radfahrer und Bobfahrer zu Gast. Auch Ferrari kam zu uns in die Kältekammer."
Doppelkupplung? Ein alter Hut
Hensler war als Ingenieur seiner Zeit immer voraus - Beispiel: das Doppelkupplungsgetriebe. Derzeit als die Neuheit in Sportwagen angepriesen, ist es für Hensler ein alter Hut. Schon 1966 fuhren Porsche mit Doppelkupplungsgetriebe Rennen. Jede Menge technische Innovationen gehen auf Hensler zurück, mehrere hundert Menschen hatte er zu führen und die hatten Projekte zu bewältigen von der Panzerentwicklung bis hin zu Rennschlitten für Rennrodler. Hochinteressant, viel Verantwortung, doch Hensler wollte wieder weg von der Manager-Rolle und zurück zu den Anfängen. Heute fährt er wieder Porsche-Diesel-Schlepper. "Im Alter ist das für mich ein herrlicher Zeitvertreib. Schlepper-Fahren ist wunderbar."
Autor: Frank Wiesner
Redaktion: Dirk Eckert