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Politik

Von der Leyens Balkan-Tour: Ja, aber...

30. September 2021

Vor dem Balkan-Gipfel in der kommenden Woche war die EU-Kommissionspräsidentin auf Rundreise in der Region. Konkrete Beitrittsverhandlungen sind nicht in Sicht. Eine Bilanz aus Brüssel.

Symbolbild Westbalkan Flaggen (mit EU)
Bild: picture-alliance/Photoshot/Qian Yi

Sechs Staaten in drei Tagen: Mit einer Rundreise durch die Länder des westlichen Balkans, die allesamt der Europäischen Union beitreten wollen, hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Gipfeltreffen der EU mit den Balkan-Ländern vorbereitet. Am 6.10.2021 trifft man sich unter slowenischer Ratspräsidentschaft in Brdo bei Ljubljana. Die Botschaft der EU auf dieser Reise war an allen Stationen die gleiche: Vertragt euch, strengt Euch weiter an, seid geduldig. Ursula von der Leyen versicherte allen Präsidenten und Regierungschefs, die sie besucht hat: "Wir wollen Euch in der EU. Ich setze mich persönlich dafür ein."

Geduld bitte

Aufmunternde Worte sind auch nötig, denn der Beitrittsprozess zieht sich seit Jahren hin, obwohl zum Beispiel Albanien und Nordmazedonien bereits Zusagen für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen seit 2019 in der Tasche haben. Der albanische Ministerpräsident Edi Rama fasste seine Enttäuschung in Tirana in dieses Bild: "Wir fühlen uns wie bei einer Hochzeit, wo die Braut geschmückt ist, aber die Gäste nicht eingeladen sind." Albanien fühle sich als "Geisel" eines Streits zwischen EU-Mitglied Bulgarien und Beitrittskandidat Nordmazedonien. Bulgarien blockiert die Aufnahme von Beitrittsgesprächen, weil es der Auffassung ist, Nordmazedonien gefährde die bulgarische Identität und Sprache. Für diesen Zwist gibt es bei vielen EU-Staaten wenig Verständnis. Die deutsche Bundesregierung hat Bulgarien im Juni offiziell aufgefordert, sein Veto gegen den Beginn von Beitrittsgesprächen endlich zurückzuziehen.

Mit militärischen Ehren: Albaniens Premier (re.) empfängt die Kommissionspräsidentin wie ein StaatsoberhauptBild: Franc Zhurda/AP/picture alliance

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bescheinigte Nordmazedonien und Albanien erneut, was auch in allen einschlägigen Berichten ihrer Behörde zu lesen ist. "Sie haben alle Bedingungen erfüllt und ihren Teil geleistet", sagte sie sowohl in Skopje als auch in Tirana. Zoran Zaev, Ministerpräsident von Nordmazedonien, sagte das, was auch viele EU-Politiker und Europäische Parlamentarier seit Jahren wiederholen: Es gehe um die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union. Sie müsse nun endlich ihre Zusagen einhalten. Ursula von der Leyen lächelte die Vorwürfe bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in einem mit EU-Mitteln renovierten Jugendzentrum weg. Ein konkretes Rezept, wie Bulgarien umgestimmt werden könnte, bot sie allerdings nicht an. Auf allen Stationen ihrer Reise pries sie lieber die finanziellen Mittel, die die EU für den Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie auf dem westlichen Balkan bereitstellt. Neben kurzfristigen Hilfen für die Impfkampagnen sollen in den nächsten Jahren fast 30 Milliarden Euro an strategischen Investitionen in die Region fließen.

Hilft lächeln? Nordmazedoniens Premier (re.) beschwert sich über die Blockade BulgariensBild: Boris Grdanoski/AP/picture alliance

Streit um Nummernschilder im Kosovo beigelegt

Überschattet wurde von der Leyens Trip durch den Balkan vom akuten Konflikt zwischen Serbien und Kosovo um die gegenseitige Anerkennung von Autokennzeichen, der zum Aufmarsch von bewaffneten Sicherheitskräften an der Grenze geführt hatte. Während die Kommissionspräsidentin in Pristina (Kosovo) und Nis (Serbien) zu Gast war, versuchten Unterhändler beider Seiten, den Streit beizulegen. Aus Brüssel, wo die Unterhändler unter EU-Vermittlung tagten, kam dann am Donnerstagnachmittag weißer Rauch. Zumindest eine vorläufige Lösung für den Kennzeichen-Streit wurde gefunden, weitere Verhandlungen vereinbart.  "Es ist lebenswichtig, dass Serbien und Kosovo ihre Beziehungen normalisieren. Ich bin sehr besorgt wegen des aktuellen Konflikts. Es ist unbedingt notwendig zu deeskalieren", sagte von der Leyen dem Regierungschef von Kosovo, Albin Kurti, und Serbiens Präsident, Aleksandar Vucic. Die stimmten im Prinzip zu, ließen aber auch nicht erkennen, wann, ob und wie sie einlenken würden. Das Grundproblem, die fehlende Anerkennung von Kosovo als Staat durch Serbien, aber auch einige EU-Mitglieder, ist ungelöst. Kosovo wird von Serbien, aber auch Spanien oder Griechenland als abtrünnige Provinz angesehen, allerdings können nur souveräne Staaten der EU beitreten. Eine Lösung für dieses schwelende Problem steht noch aus.

Schwieriges Gelände: Kosovos Präsidentin Osmani (re.) empfängt von der Leyen in Pristina während in Brüssel verhandelt wurdeBild: Office of the Kosovo presidency

Die EU-Kommissionspräsidentin sagte in Pristina auf eine Reporterfrage, man müsse die Mitgliedschaft Kosovos in der EU als "Traum" weiter verfolgen. "Es ist sinnvoll, notwendig und wundervoll, Träume zu haben", meinte Ursula von der Leyen blumig. Beim Gipfeltreffen in Brdo kommende Woche müsse man sich bemühen, eine solide Basis aus Vertrauen und Freundschaft zu legen. "Der Balkan gehört an unsere Seite. Das ist ein Traum, für den es sich zu arbeiten lohnt", sagte von der Leyen etwas wolkig, ohne konkrete Schritte aufzuzeigen.

Mehr Zusammenarbeit untereinander

In Serbien lobte sie die Fortschritte, die dort erreicht wurden. Zusammen mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic unterzeichnete sie neue Vereinbarungen für den Ausbau der Eisenbahnverbindungen in der Region, die eines Tages von Salzburg bis nach Thessaloniki führen sollen. Die EU finanziert wesentliche Teile des Ausbaus der Eisenbahnrouten auf zwei Spuren und die Elektrifizierung der Strecken. Vucic bedankte sich überschwänglich. Von der Leyen betonte immer wieder, dass Serbien auf jeden Fall in die EU gehöre. Vucic bekannte sich ausdrücklich zum Bau der sogenannten "Friedensautobahn" zwischen Nis und Pristina. Deeskalation im Konflikt mit Kosovo sei nötig, sagte er. Die Kommissionspräsidentin wiederholte ihren Appell an alle sechs Balkanstaaten, untereinander stärker zu kooperieren, und zwar schon bevor sie der EU beitreten oder Beitrittsverhandlungen aufnehmen. Wirtschaftliche Kooperation, Abschaffung von Zöllen und ein Ende der Personenkontrollen seien jetzt schon möglich. Mehr regionale Zusammenarbeit sei der richtige Weg, der auch vor einer Mitgliedschaft in der EU eingeschlagen werden sollte, so von der Leyen. Serbien, Albanien und Nordmazedonien hatten sich bereits zur "Open Balkan"-Initiative zusammengeschlossen, der sich die übrigen Länder Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kosovo nicht angeschlossen haben.

Da entlang: Serbiens Präsident Vucic verspricht Deeskalation mit Kosovo und mehr Zusammenarbeit auf dem BalkanBild: Serbian Presidential Press Service/AP/picture alliance

Probleme innerhalb der EU

Nicht erwähnt hat die Kommissionspräsidentin - zumindest öffentlich - die Vorbehalte, die nicht nur in Bulgarien, sondern auch in anderen EU-Staaten gegen eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen bestehen. Frankreich und die Niederlande sehen nach wie vor den Kandidaten Albanien kritisch. Das niederländische Parlament hat Hürden aus dem Weg geräumt, aber die nur geschäftsführende Regierung in Den Haag zögert.

Einige Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, stellen in internen Beratungen das visafreie Reisen aus den Balkanstaaten in Frage. Zu viele Asylbewerber aus diesen Staaten würden in Westeuropa Anträge stellen. Einige Herkunftsstaaten seien nicht bereit, abgelehnte Asylbewerber reibungslos zurückzunehmen. Deutschland hat die EU-Kommission aufgefordert, über die Anwendung einer Klausel nachzudenken, die eine vorübergehendes Aussetzen des visafreien Reiseverkehrs ermöglichen würde. Über entsprechende interne Papiere berichtet die Brüsseler Internet-Plattform "EU Observer". Auch darüber soll beim Westbalkan-Gipfel am kommenden Mittwoch gesprochen werden.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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