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Politik

Wie lässt sich Desinformation stoppen?

7. September 2020

Die Pandemie sei längst eine "Infodemie", warnen viele. Beim Global Media Forum der DW wurde deshalb diskutiert, wie Medien sich im Strom der Desinformation behaupten können - und wie viel Regulierung nötig ist.

Fake News Zeitschriften und Fake News
Bild: imago images/Steinach

Elf Prozent der Deutschen glauben an eine Weltverschwörung - diesen Schluss legt eine jüngst veröffentlichte Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung nahe. In der repräsentativen Befragung bewerteten außerdem zwei Prozent den Fakt eines menschengemachten Klimawandels als "sicher falsch", weitere sechs Prozent als "wahrscheinlich falsch". Nun sind solche Verschwörungsmythen keine Erfindung der Neuzeit. Aber so wie im digitalen Zeitalter die Informationsmenge insgesamt zunimmt, wächst auch die Gefahr durch Desinformation im Internet rasant. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Flut der Falschinformationen - mitunter sogar in orchestrierten Kampagnen - so stark zugenommen, dass Akteure wie die Weltgesundheitsorganisation und die Europäische Union vor einer "Infodemie" warnen.

Wie können sorgsam recherchierte journalistische Informationen im digitalen Raum die Überhand behalten gegen gezielte Desinformation? Diese Frage stand an diesem Montag im Zentrum einer Debatte beim von der Deutschen Welle ausgerichteten Global Media Forum - das wegen der Pandemie in diesem Jahr im Netz stattfindet.

Desinformation als politisches Werkzeug

Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-KommissionBild: EU/Michal Cizek

"Desinformation wird in koordinierter Weise erstellt mit dem klaren Ziel, die Gesellschaft abzulenken und Institutionen zu attackieren, indem das Vertrauen der Menschen in unsere eigenen Institutionen in Europa verringert werden soll", sagt Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission, die für Werte und Transparenz zuständig ist. "Wir sprechen also nicht nur über einen Kampf auf dem Feld der Meinungsfreiheit, sondern auch über Sicherheit."

Aus Jourovás Sicht sind es vor allem Russland und China, aber auch andere Akteure wie die Türkei, die als Ursprungsort von Desinformation gelten. "Wir können nicht sagen, dass (die Urheber) von den Regierungen gesteuert werden, aber (die Desinformationskampagnen) werden im Hoheitsgebiet dieser Länder erstellt", sagt die EU-Kommissarin.

Schätzungen zufolge habe China 2017 umgerechnet etwa zehn Milliarden US-Dollar für ein China-freundliches Image im Ausland ausgegeben; Russland stecke mehr als eine Milliarde Euro jährlich in ein Mediennetzwerk, "das global agiert und häufig Desinformation verbreitet", so Jourová. Aber auch innerhalb der EU gebe es Länder in denen die Kommission "gerne stärkere unabhängige Medien sehen würde", so Jourová, "die in der Lage sind, die 'offizielle Version der Wahrheit' zu hinterfragen." In Mitgliedsstaaten wie Ungarn sei der politische Einfluss auf die Inhalte gewachsen.

Langer Weg zu effizienter Regulierung

Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-WestfalenBild: Landesanstalt für Medien NRW/M. Burdynowski

In einer Gesellschaft, für die Presse- und Meinungsfreiheit ein hohes Gut darstellt, ist es besonders schwierig, Desinformation um ihre Reichweite zu bringen: "Wir müssen eine Balance finden zwischen dem Schutz unseres stabilen demokratischen Systems in Europa und dem Schutz der Meinungsfreiheit", sagte Tobias Schmid, der die Medienaufsicht im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen leitet und für alle Medienaufsichten den Kontakt zur EU-Politik hält.

Inzwischen haben die Betreiber der größten Social-Media-Plattformen selbst erste Schritte eingeleitet, um Desinformation zu bekämpfen und Nutzern die Einschätzung zu erleichtern, welchen Quellen sie vertrauen: Das zum Google-Mutterkonzern Alphabet gehörende Videoportal YouTube stellt inzwischen Informationen zu großen Kanälen bereit, Facebook und Twitter markieren irreführende Beiträge - auch wenn sie vom US-Präsidenten kommen. Tobias Schmid lobte die Plattformen dafür, "aber als Regulator muss ich sagen, am Ende sollten die Regeln (...) Gesetze sein und nicht Selbstverpflichtungen von Unternehmen."

EU-Kommissionsvize Jourová verwies in diesem Zusammenhang auf zwei geplante Richtlinien: Der "Digital Services Act" soll die Rechtsbasis für Diensteanbieter grundlegend regeln und dabei unter anderem auch die Betreiber von Plattformen für illegale Inhalte wie Extremismus, sexualisierte Abbildungen von Kindern oder Hassrede haftbar machen. Im "European Democracy Action Plan" soll ausgelotet werden, wo Information endet und wo Desinformation beginnt.

Dass es bis dato noch keine wirksame Regulierung gibt, begründete NRW-Landesmediendirektor Schmid damit, dass das Thema Desinformation "in der heutigen Dimension vor zehn Jahren noch nicht existiert hat", im Zentrum stehe es erst seit zwei oder drei Jahren. Die bekanntesten Beispiele für politisch motivierte Desinformation sind indes schon älter: Der Geheimdienstausschuss des britischen Parlaments ist sich sicher, dass Russland beim schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 mitgemischt hat - mit großer Wahrscheinlichkeit auch beim Brexit-Referendum 2016. Als sicher gilt auch, dass Russland im selben Jahr viele Nutzer der sozialen Medien in den USA vom Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu überzeugen versuchte.

Desinformation und Corona

Desinformation zur Corona-Pandemie hat in den vergangenen Monaten noch einmal mehr Reichweite erhalten - so habe China Propaganda in Europa verbreitet, wonach ein autoritärer Regierungsstil die Pandemie schlagkräftiger eindämmen könne als die Demokratie, sagte Jourová.

Verschwörungsmythen rund um Corona erhalten aktuell Aufwind - was auch auf dem GMF-Panel als Gefahr angesehen wurde. Der Messengerdienst Telegram, immerhin eine zentrale Drehscheibe für Verschwörungsmythen zur Corona-Pandemie, wurde allerdings nicht von den Panelisten erwähnt.

Herman Wasserman, Professor für MedienstudienBild: privat

Unabhängig von Verschwörungsmythen sind es oft ganz einfache Gründe, warum Nutzer bestimmte Inhalte verbreiten. Herman Wasserman, Professor für Medienstudien an der südafrikanischen Universität Kapstadt hat in Studien in einigen Ländern Subsahara-Afrikas belegt, dass viele Nutzer Posts teilen, um sich mit Menschen zu verbinden und ihre Emotionen auszudrücken. "Zum Teil hat es aber auch mit missverstandener Bürgerpflicht zu tun", sagte Wasserman: "Wenn eine Warnung durch die sozialen Medien kommt, teilen Nutzer sie teilweise, um andere zu warnen - selbst, wenn sie nicht daran glauben". Dagegen helfe mehr Medienkompetenz.

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