Von der Straße in den Konzertsaal
3. November 2013Mihalj "Miki" Kekenj ist Konzertmeister der Bergischen Symphoniker. Er spielt die erste Geige. In seiner Familie wird die Violine seit mehreren Generationen gespielt, er selbst spielt das Instrument seit seinem sechsten Lebensjahr. Aber Miki ist nicht nur klassischer Musiker, er ist auch Rapper und Hip-Hop-Produzent - vor allem aber bringt Miki Rap und Klassik zusammen auf eine Bühne.
Miki ist mit zwölf Jahren zum Rap gekommen: "Meine erste Platte war 'Fear of a Black Planet'." Eine düstere und politische Platte der US-amerikanischen Band Public Enemy, die Legendenstatus in der Szene genießt. Denn Rap war von jeher politisch. Seine Quelle war das New York der 70er Jahre. Weil die Gesellschaft keine Wertschätzung und Perspektiven für die Kinder aus den Ghettos zeigte, haben die sich mit der Hip-Hop-Kultur ein eigenes Wertesystem aufgebaut: DJing, Rap, Graffiti und Breakdance verschmelzen zu einer gemeinsamen Identität. So konnten die Kinder der Unterschicht sich ausdrücken, Respekt und Anerkennung gewinnen und gleichzeitig Spaß haben.
Vom Ghetto in die Mittelschicht
Weil Gewalt und Kriminalität in den Ghettos der Bronx auch zur Lebensrealität gehört haben, war der sogenannte Gangsta Rap von Anfang an ein Teil der Kultur. Nicht als Glorifizierung von Gewalt und Kriminalität, sondern als Widergabe der Lebensumstände. Public Enemy nannten Rap das "CNN der Straße." Davon übrig geblieben ist eine mediale Darstellung, die Rap mit Skandalen gleichsetzt. "Gangsta Rap ist ein Teil von Hip-Hop. Den kann man nicht wegdenken. Aber ich zelebriere einen anderen", sagt Miki. "Es gibt Rapper, die so viel Sinnvolles, Kreatives, Märchenhaftes erzählen. Die kommen gar nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Aber das sind die Rapper, mit denen ich arbeiten möchte", erklärt der Geiger.
Gerade in den vergangenen Jahren hat sich Hip Hop breiter aufgestellt als je zuvor. Mit Cro hat es ein junger Stuttgarter mit Pop-Melodien und unschuldigen Texten über das Älterwerden an die Spitze der Charts geschafft. Auch der deutsch-amerikanische Hip-Hopper Casper hat Platz Eins erklommen ohne Skandale, Schimpfwörter und Homophobie. Beide ziehen ihre Einflüsse aus Popmusik und Indie-Rock und geben vor allem deutschem Rap ein zusätzliches Gewand. Aber neben diesen popkulturellen Einflüssen gibt es auch Nuancen klassischer Musik im Rap.
Die Orchestermusiker waren beeindruckt von den Rappern
Miki etwa hat schon mehrfach Rapper und klassische Musiker auf die Bühne gebracht. Klar seien die Orchestermusiker skeptisch gewesen, berichtet Miki, sie hätten Rap ja nur in dem medialen Licht der Skandale wahrgenommen. "Aber die waren tatsächlich beeindruckt, mit was für einer Kreativität und technischen Begabung die Rapper zu Werke gehen."
Miki hat Musikprojekte wie "Opus 1" oder "Moments with…" angestoßen. "Opus 1" ist ein sinfonisches HipHop-Projekt mit Rappern wir Curse, Megaloh, Chima und MC Rene, das auch als Album im Internet zu finden ist. Miki hat dabei selbst gerappt und produziert, vor allem aber auch Geige gespielt und die Orchesterpartituren geschrieben. Bei "Moments with…", einer kammermusikalischen Konzertreihe in Berlin, hat Miki die Songs von Künstlern wie Erykah Badu oder Aloe Blacc für eine kammermusikalische Besetzung umgeschrieben. Rap und Klassik auf einer Bühne, sagt Miki, "das ist kein Widerspruch. Ein Soulsänger oder Rapper kann ganz natürlich mit einem klassischen Ensemble spielen. Die müssen nur aufeinander zugehen. Es ist meine Aufgabe, in den Arrangements zu erreichen, dass alle sich zu Hause fühlen."
Klassische Instrumente sind nichts Neues im Hip-Hop
Auch vor Mikis Projekten hat Rap sich schon immer auch an Klassik bedient. "Hip-Hop nutzt seit jeher Samples, die auch aus dem orchestralen Umfeld sind. Streicher und Bläser sind nichts Fremdes im Hip-Hop", erklärt Miki. Trotzdem hat es in den vergangenen Jahren eine stärkere Hinwendung zur klassischen Musik gegeben. Peter Fox, der Kopf von Seeed, etwa hat sein Solo-Album "Stadtaffe" mit dem Filmorchester Babelsberg eingespielt. Der US-Superstar Kanye West hat ein Livekonzert nur mit einem Streichorchester gespielt und als Album veröffentlicht. Auch das WDR Rundfunkorchester hat sich schon Unterstützung bei Rapper Maeckes und Plan B geholt und ein konzertantes Hörspiel mit ihnen produziert. Rap und Klassik kommen sich näher – von beiden Seiten.
Miki arbeitet bereits an "Opus 2", einem zusammenhängenden Violinenkonzert mit Rap-Unterstützung. Außerdem plant er eine Oper mit Einflüssen urbaner Kultur zu schreiben. Sein Ziel ist es, einen klassischen Raum wie ein Opernhaus mit der Jugend und für sie zu erobern. Letztlich will Miki aber nicht nur Rap zu Klassik führen, sondern auch der Klassik mehr Gehör verschaffen. "Ich sitze jeden Tag im Symphonieorchester und genieße jeden Ton, den ich spiele. Ich möchte, dass das viele Leute, die nichts mit klassischer Kultur zu tun haben, genau so genießen können wie ich."