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Politik

Ausländische Touristen meiden Polen

Lukasz Grajewski
20. Mai 2022

Russlands Krieg gegen die Ukraine belastet auch die Wirtschaft im Nachbarland Polen. Vor allem der Tourismus-Sektor leidet. Dabei wartet die Branche nach der Corona-Flaute sehnsüchtig auf Besucher.

Touristen ziehen Rollkoffer über den Marktplatz von Krakau
Krakau war vor dem Krieg ein Anziehungspunkt für in- und ausländische TouristenBild: NurPhoto/IMAGO

Der Mai ist auch in Polen in diesem Jahr außergewöhnlich sonnig. Die länger werdenden Tage ziehen die Menschen nach draußen in die Natur - und in die Städte. Normalerweise würde Dominika Serzysko die Vorsaison jetzt nutzen, um Gruppen durch Krakau zu führen. In einem Interview mit der Deutschen Welle berichtet die Stadtführerin jedoch stattdessen von ihrer traurigen Realität: "Ich habe seit Ende 2019 keine einzige Gruppe mehr geführt", sagt sie bitter.

Dabei gibt es in Krakau viel zu sehen: Der größte mittelalterliche Marktplatz Europas, das spektakuläre Königsschloss auf dem Wawel, das schöne alte jüdische Viertel Kazimierz. Es gibt Hunderte Gründe, warum vor der Corona-Pandemie mehr als 14 Millionen Touristen pro Jahr die historische Hauptstadt des Landes besuchten und sie damit zu dem beliebtesten Touristenziel Polens  machten. Allein aus dem Ausland kamen jedes Jahr drei Millionen Besucher.

Die Altstadt von Krakau mit dem historischen Marktpatz ist eigentlich ein Tourismus-HotspotBild: Micha Korb/picture alliance

Doch in diesen Tagen snd die Straßen Krakaus erschreckend leer. Und das hält nun schon lange an: Die erste Katastrophe für die Branche war die Pandemie. Und gerade als es besser zu werden schien, fiel Russland in die Ukraine ein. "Im Sommer vor der Pandemie hatte ich Gruppen aus Spanien, mit denen ich Polen bereiste. Wir besuchten Warschau, Danzig und natürlich Krakau. Dieses Jahr hatte ich bereits konkrete Termine mit drei verschiedenen Gruppen. Aber als der Krieg ausbrach, bekamen die spanischen Touristen Angst und sagten die ganze Reise ab", sagt Dominika Serzysko.

Keine Gruppen, kein Geld

Mit den ersten Kampfhandlungen im Nachbarland begannen ausländische Touristen, ihre Buchungen massenhaft zu stornieren. Polen wurde zum "Frontland" - und die Bilder der ukrainischen Flüchtlinge, deren erstes Ziel Polen war, gingen um die Welt. Etwa drei Millionen Menschen entschieden sich bisher, vorerst an der Weichsel zu bleiben, vor allem in den größten Städten, deren Bevölkerung innerhalb weniger Monate um mehr als ein Dutzend Prozent zunahm.

"In den ersten Wochen wurden die Ukrainer massenhaft in Hotels untergebracht", so Rafal Marek, Präsident der Krakauer Tourismuskammer, gegenüber der DW. "Jetzt stabilisiert sich alles, einige Flüchtlinge ziehen weiter, andere finden eine private Unterkunft. Die Einrichtungen für Touristen funktionieren normal", versichert er.

Die Krakauer Tourismuskammer hat eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durchgeführt, aus der eindeutig hervorgeht, dass der Krieg ein großer Schock für die Branche ist: 88 Prozent der Befragten gaben an, die Zahl der Stornierungen von Buchungen sei "sehr hoch", 91 Prozent sagten einen "erheblichen Rückgang" des Interesses an Reisen in die Region aufgrund des Krieges in der Ukraine voraus.

Rafal Marek weist auf das Hauptproblem hin: den Mangel an organisierten Gruppen: "Vor der Pandemie waren von den 3,2 Millionen ausländischen Touristen 15 Prozent aus dem Vereinigten Königreich und weitere 15 Prozent aus Deutschland. Im letzteren Fall handelte es sich hauptsächlich um organisierte Busgruppen, die jetzt nicht mehr kommen." Individualtouristen kommen nach wie vor nach Krakau - aber es sind die Gruppen, die das meiste Geld für Hotels, Restaurants und Reiseführer einbringen.

Die Altstadt von Danzig zieht normalerweise viele Touristen anBild: Karl-Heinz Spremberg/CHROMORANGE/imago images

Der Krieg in der Ukraine sorgt auch in anderen Branchen in Polen für massive wirtschaftliche Turbulenzen. Die Inflation erreichte im April schwindelerregende 12,4 Prozent. Die Preise für Rohstoffe und Waren führen dazu, dass Hotels und Restaurants trotz der geringen Buchungszahlen regelmäßig ihre Preise erhöhen müssen. Dies wiederum trifft auch inländische Kunden: Polen, die immer vorsichtiger mit jedem Groschen umgehen müssen, könnten gezwungen sein, ihren Urlaub zu stornieren.

Fragen zu Schutzräumen und Flüchtlingen

Zumindest an der Westgrenze Polens scheint die Stimmung etwas besser zu sein. Agnieszka Maszner-Paprocka, Direktorin des Fünf-Sterne-Hotels Havet in Badeort Dzwirzyno bei Kolberg an der Ostsee, spricht sogar von einer Trendwende: "In den letzten drei Monaten haben die Touristen ihre Buchungen storniert. April und Anfang Mai waren für uns schwierig, was die Belegung angeht. Es gab eine große Unsicherheit bei unseren Gästen. Auf der anderen Seite sind die Buchungen aus Deutschland seit Anfang Mai recht intensiv. Das Interesse wächst. Vielleicht sind die ersten Ängste schon vorbei?", fragt sie sich im Interview mit der DW.

Der Strand von Kolberg wartet auf Sommerfrischler und BadegästeBild: Fotostand/picture alliance

Die Geschäftsfrau berichtet von Anrufe von Touristen aus Westeuropa. Ihre Fragen betreffen Schutzräume, Sicherheitsstandards, aber auch die Anwesenheit von Flüchtlingen. "Solche Fragen bedeuten nicht, dass es an Empathie fehlt. Wenn man sich für einen Urlaub entscheidet, möchte man sich vom Thema Krieg lösen. Die Menschen auf polnischer oder deutscher Seite haben darauf ja keinen Einfluss", sagt sie und fügt hinzu, dass ihr Team schon während der Pandemie gelernt habe, mit den Ängsten potenzieller Kunden umzugehen. "So wie die Bedrohung damals nicht bedeutete, dass alle im Hotel erkranken würden, bedeutet der Krieg jenseits der Ostgrenze nicht, dass sich der Konflikt so ausbreiten wird, wie es zunächst schien", sagt sie.

"Wir können mit gutem Gewissen sagen, dass unsere Ostgrenze eine der am besten geschützten Grenzen in Europa ist" argumentiert Rafal Marek von der Krakauer Tourismuskammer. Er ist überzeugt:  "Wir sind in der NATO. Wir sind in der Europäischen Union. Die Touristen können sich hier sicher fühlen."

Lukasz Grajewski Lukasz Grajewski ist Korrespondent für DW-Polnisch