Von Fischgräten, Berührung und Segen
6. Februar 2022Vor ein paar Tagen wurde ich wieder daran erinnert, warum ich nicht so gerne Fisch esse – wegen der Gräten. Ich behaupte, ich finde immer eine. Diesmal habe ich sie sogar verschluckt und sie blieb im Hals stecken. Nicht dramatisch, aber doch unangenehm. Wie sollte ich die nun wieder wegbekommen? Ich tat, was ich in solchen Fällen häufig mache, und gab die Frage in eine bekannte Internet-Suchmaschine ein. Prompt wurde mir eine ganze Reihe von Seiten vorgeschlagen, auf denen sich Menschen in Foren mit Hausmitteln und Tipps zum Umgang mit Gräten im Hals gegenseitig beraten.
Von Salzwasser oder Olivenöl trinken, bis hin zu Marshmallows essen ist eine Menge dabei, was mir mehr oder weniger hilfreich erscheint. Bei einem Kommentar bleibe ich hängen. „Da hilft nur noch der Blasiussegen.“
Im ersten Moment bin ich irritiert, dass jemand den Blasiussegen kennt und ihn auch noch wie selbstverständlich in einem Internetforum erwähnt. Habe ich ihn doch für mich in die hintere Ecke der gedanklichen Schublade „überholte Traditionen“ gepackt. Der Eintrag in dem Internetforum lässt mich allerdings nachdenken über diese Tradition des Blasiussegens, und er bringt Erinnerungen zurück.
Am 03.Februar feiert die katholische Kirche den Festtag des Heiligen Blasius. Blasius war Arzt und Bischof, und lebte im dritten Jahrhundert in der heutigen Türkei. Seine Verehrung geht vor allem auf eine Legende zurück: Ein junger Mann drohte an einer verschluckten Fischgräte zu ersticken. Er eilte zu Blasius, der ihm die Gräte aus dem Hals holte und so das Leben des jungen Mannes rettete. Wohl aufgrund dieser Legende wird der Heilige Blasius, der zu den 14 Nothelfer*innen zählt, bis heute besonders gegen Halskrankheiten angerufen. Eine eindrückliche Form findet diese Verehrung und Anrufung einmal im Jahr, eben bei der Spendung des Blasiussegens.
Jedes Jahr rund um den Gedenktag des Heiligen Blasius können Menschen nach einem Gottesdienst einzeln vor eine Person treten, die durch zwei gekreuzte Kerzen hindurch ihm oder ihr den Segen zusagt: „Auf die Fürsprache des heiligen Blasius bewahre dich der Herr vor Halskrankheit und allem Bösen. Es segne dich Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.“
Besonders als Kind hat mich dieser Segen fasziniert, wohl auch, weil er etwas Magisches hatte. Heute weiß ich, dass dieser Segen nicht verhindert, dass ich eine Halskrankheit bekomme. Er schützt auch nicht davor, eine Fischgräte zu verschlucken. Die meisten, die sich in diesen Tagen den Segen zusagen lassen, wissen wohl ebenso wie ich, dass er kein Zauberspruch ist. Und doch ist er für viele Menschen von Bedeutung. Vielleicht sogar besonders jetzt, da uns die Pandemie seit Monaten immer wieder deutlich vor Augen führt, wie anfällig die Gesundheit und wie fragil das Leben sein können.
Dieser Segen ist keine Magie, kein Schutzbann gegen Krankheiten, und trotzdem lassen sich Menschen auch heute noch immer wieder diesen Segen zusagen. Warum?
Ich erinnere mich an meinen ersten erhaltenen Blasiussegen als Jugendliche. Zunächst fand ich es befremdlich, wie sich die Menschen in einer Reihe vor einem Priester aufstellten, der zwei Kerzen in der Hand hielt und etwas von Krankheit und Bösem sagte. Trotzdem reihte ich mich ein.
Sehr genau habe ich diesen Moment vor Augen, als ich vor dem Priester stand. Mein Gegenüber, die gekreuzten Kerzen und durch sie hindurch ein direkter Blickkontakt. Eine Hand, die auf meinem Kopf liegt, und die Stimme, die die uralten Segensworte spricht. Sehr intensiv ist die Erinnerung: Da hat mich etwas tief berührt.
Auch wenn in der Pandemie, aufgrund des gebotenen Abstands, die Berührung mit der Hand auf dem Kopf wohl wegfällt, bleibt ein Segen, der das tiefste Innere berühren kann. Und das tut gut, wenn auch nicht den Abwehrkräften gegen die Halsschmerzen, dann doch der Seele.
Der Segen ist keine Zauberei, er ist etwas Größeres: Er ist ein Zeichen für die Zusage Gottes zu uns Menschen: „Ich bin für dich da.“ Ich kann in der Segenshandlung diese Zusage spüren. Und ich darf darauf vertrauen, dass sie mir als ganzer Person gilt. Segen, der von außen gespendet wird und mich bis ins Innere berührt, zeigt, dass alles an mir gesegnet ist. Gott will da sein, besonders wo ich anfällig bin, verletzt oder schwach. Wenn sich Menschen also in diesen Tagen auf die Fürsprache des Heiligen Blasius segnen lassen, dann ist das mehr als ein Element aus der Schublade „überholte Traditionen.“ Dann ist da wohl auch der Wunsch, sich von Gottes Nähe berühren zu lassen und seinen Schutz im Leben zu spüren. Besonders auch in Zeiten, in denen Gesundheit und Leben oft schutzlos erscheinen.
Sonja Stratmann, Jahrgang 1985, hat in Paderborn praktische Theologie studiert und arbeitet als Pastoralreferentin für das Bistum Münster. Seit 2020 ist sie verantwortlich für die Schulpastoral an den weiterführenden und berufsbildenden Schulen im Dekanat Bocholt-Rhede-Isselburg.