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Film

"Serienjunkies - meine Lieblingsserie (I)

Jochen Kürten23. November 2015

"Deutschland 83" heißt die vielgepriesene TV-Serie aus Deutschland, die derzeit weltweit ausgestrahlt wird. Anlass für uns nachzufragen: Welche Serien haben die Mitglieder der Kulturredaktion süchtig gemacht?

Filmstill Homeland Schauspielerin Carrie Mathison
Weltweiter Serienerfolg "Homeland" mit Claire Danes als Carrie MathisonBild: picture alliance/landov/K. Smith

Als "deutsches Homeland" wurde sie schon bezeichnet, die Serie "Deutschland 83". "Homeland" gilt zusammen mit Serien wie "Mad Men" oder "Breaking Bad" als Aushängeschild für die Serien-Kultur. Am 26.11. startet "Deutschland 83" hierzulande. Der TV-Mehrteiler ist bereits in viele Länder der Erde verkauft worden. Auch in den USA, dem Serienland Nr. 1, liefen die acht Teile über die deutsch-deutsche Geschichte im Jahre 1983 bereits mit guten Einschaltquoten. "Deutschland 83" gilt als Beispiel dafür, dass auch in Deutschland qualitativ hochstehende Formate produziert werden.

Seit einigen Jahren grassiert weltweit das Serien-Fieber, vor allem TV-Formate aus den USA sind überall populär. Aber auch andere Länder, vor allem Großbritannien und Schweden, haben in den letzten Jahren herausragenden Produktionen auf den Markt gebracht. Wir haben in der Kultur-Redaktion der Deutschen Welle nachgefragt: Was ist Ihre Lieblingsserie?

Breaking Bad (USA 2008 - 2013, 5 Staffeln, 62 Episoden)

Wenn in Tarantino-Filmen die Leute regelrecht zu Brei geschossen werden, dann finde ich das ekelhaft, wenn Frauen oder Kinder misshandelt werden, dann schalte ich um. Und Serien gucke ich sowieso nur, wenn jede Folge in sich abgeschlossen ist.

Doch zurzeit fasziniert mich ausgerechnet eine Serie, in der Gewalt auf der Tagesordnung ist: "Breaking Bad". Das heißt so viel wie "auf die schiefe Bahn geraten". Nach einer Krebsdiagnose bangt Chemie-Lehrer Walter White um die Zukunft seiner Familie. Er beschließt in der kurzen Zeit, die ihm noch bleibt, genug Geld als Drogen-"Koch" zu verdienen. Doch - das ist klar - so schnell stirbt Walter nicht.

Aaron Paul (l.) und Bryan Cranston aus "Breaking Bad"Bild: Getty Images/M. Davis

Um die scheinheilige Fassade des sorgenden Familienvaters aufrechtzuerhalten, geht er über Leichen: in 62 Folgen über fünf Staffeln. Seine Feinde werden in Säure aufgelöst. Als Chemiker kennt er sich aus. Regisseur Vince Gilligan schafft es, die absurdesten Vorgänge in alltägliche Normalität zu betten. Ständig denkt man: Whites Tarnung fliegt auf, es kann gar kein Entrinnen vor der Polizei geben. Doch Walter ist klug, ein Genie, ein Größenwahnsinniger.

Die Serie ist einfach gut gemacht. Die besten Cliffhanger gibt es nicht am Ende, sondern am Anfang jeder Episode - auch durch die hervorragende, detailverliebte Kameraführung. Was soll die Großaufnahme einer Fliege? Warum schwimmt das Auge eines Stofftiers durch den Swimmingpool? Mal werden diese Fragen im Laufe der Folge geklärt, manchmal erst am Ende einer Staffel. Andere bleiben bis zum Schluss offen. Zum Glück gibt es alle Staffeln im Netz. (Gaby Reucher)

Top of the Lake (Australien/USA/GB, seit 2013, bisher 1 Staffel, 6 Episoden)

Eine sechsteilige Miniserie aus dem Jahr 2013. Ich war von der ersten Sekunde an gebannt. In der Dämmerung steigt ein junges Mädchen langsam in einen kalten See. Kurz bevor sie ganz untergeht, wird sie gerettet. Tui ist zwölf Jahre alt und im fünften Monat schwanger. Die junge Polizistin Robin (Elisabeth Moss) will sich ihrer annehmen. Doch das Mädchen verschwindet in den umliegenden Wäldern.

Schon in den ersten zehn Minuten lerne ich faszinierende Typen kennen. Robin, die ein schweres Päckchen aus der Vergangenheit mit sich rumschleppt. Tuis Vater, den gewalttätigen Drogenbaron Matt, der auch vor Mord nicht zurückschreckt und seine Tochter später in den Wäldern jagen wird. Eine Gruppe verstörter Frauen, die sich mit ihrem Guru GJ (Holly Hunter) am Ufer eines Sees angesiedelt haben.

Elisabeth Moss (r.) und Jacqueline Joe in "Top of the Lake"Bild: picture-alliance/dpa/See-Saw Films/ARTE France

Das Setting: Eine bombastische Landschaft in Neuseeland - der See, umringt von Bergen und Wäldern, ein Dorf, das auch an einem norwegischen Fjord stehen könnte. Skurrile Charaktere, die teils bis zur letzten Folge undurchsichtig bleiben - falls sie überhaupt überleben. Alle spielen ihre Rollen mit großer Empathie für ihre Figuren.

"Top of the Lake" erinnert ein bisschen an "Twin Peaks", spielt aber weniger mit dem Geheimnisvollen. Es ist eher ein Psychodrama, das sich in einer mystischen Landschaft abspielt, untermalt von einem Soundtrack, der unter die Haut geht. Seit ich diese Serie gesehen habe, trage ich meine Ugg-Boots auch zu Hause. An Elizabeth Moss sehen sie nämlich fantastisch aus. (Silke Wünsch)

Game of Thrones (USA, seit 2011, 5 Staffeln, 50 Episoden)

Sieben Königshäuser kämpfen um die Herrschaft in einem mittelalterlich anmutenden Reich, wo Jahreszeiten Jahre dauern und ein dunkler Winter droht. Lebensferne Fantasy? Überhaupt nicht: Niemand ist nur gut oder böse, fast alle Filmfiguren sind beides. Hin- und hergerissen zwischen Moral, Grausamkeit, Liebe und Verrat. Auch wenn sie schreckliche Dinge tun, haben sie nachvollziehbare Motive. Wie Drachenmutter Daenerys, die erst Sklaven befreit und dann Gerechtigkeit mit Rache verwechselt.

Jeder kann sich mit irgendwem identifizieren. Oder sogar mehreren. Mein Kinder-Ich findet sich im Mädchen Arya, das lieber ein Junge wäre (Jungen dürfen mit Schwertern kämpfen!) wieder. Erwachsene Lieblingsheldin: "Wildling" Ygritte - witzig, selbstbewusst und sogar in dicke Felle gehüllt verführerisch.

Emilia Clarke in "Game of Thrones"Bild: imago/Landmark Media

"Game of Thrones" lebt Toleranz, Offenheit und Integration. Helden sind gebrochen und vielfältig: Der Kämpfer verliert seine Schwerthand, der große Intellektuelle ist kleinwüchsig, der siegreiche Ritter schwul. Stark sind vor allem Frauen. Und wirklich jede(n) kann der plötzliche Serientod treffen.

"Game of Thrones" ist perfekt zum Rudelgucken. Versorgt mit Suppe, Sekt und Schokolade versammeln wir uns vor dem Bildschirm wie unsere Vorfahren am Lagerfeuer. Was ihnen Gilgamesch, Odysseus und Artus waren, sind uns Tyrion, Cersei und Jon Snow. Der Chef macht Druck, die Steuererklärung muss raus? Egal. Hier geht es schließlich um Leben und Tod. (Susanne Spröer)

Hatufim - In der Hand de Feindes (Israel, 2010 - 2012, 2 Staffeln, 24 Episoden)

Um eines gleich vorwegzunehmen: "Hatufim" ist keine Serie zum Entspannen. Ich zumindest habe auf meinem Sofa mehr verkrampft gekauert als gemütlich gelegen. "Hatufim" ist brutal.

Drei israelische Soldaten - Nimrod, Uri und Amiel - wurden vor 17 Jahren während eines Einsatzes im Libanon von Terroristen nach Syrien verschleppt, gefangen gehalten, gefoltert. Nun kehren zwei von ihnen zurück - freigekauft von ihrer Regierung. Der dritte, Amiel, ist tot.

Dies ist der Ausgangspunkt, an dem Hatufim - wörtlich übersetzt "Die Entführten" - beginnt. Die Familien warten am Flughafen: von der sarkastisch-schlagfertigen Tochter Nimrods, die gerade einmal zwei Jahre alt war, als ihr Vater entführt wurde, bis zur Jugendliebe Uris, die inzwischen dessen Bruder geheiratet hat. Sie alle, die Entführten und die Zurückgebliebenen, sind Traumatisierte.

Ishai Golan in "Hatufim"Bild: ARTE France/Yanay Yechiel

Das zeigt die Serie in einer psychologischen Tiefenschärfe, dass mich diese Menschen mit all ihren Ängsten und Verschrobenheiten noch bis in den Schlaf begleitet haben. Wie auch die Fragen: Sind Nimrod und Uri während ihrer Gefangenschaft von den Entführern "umgedreht" worden und sollen sie nun einen Terroranschlag in Israel verüben? Und: Was ist mit Amiel geschehen?

Der Plot überzeugte auch die großen Studios in den USA. Richtig: "Homeland" (unser Bild oben mit Hauptdarstellerin Carrie Mathison/Claire Danes) ist eine Weiterentwicklung der israelischen Serie. Und ja, ich bin auch ein Fan der Helden Carrie und von Quinn geworden. An die Intensität, die "Hatufim" durch die langsame Beobachtung erreicht, kommt "Homeland" aber nicht heran. Brutal ist "Hatufim" nämlich vor allem in psychologischer Sicht. Die Brutalität wird aber nie nur als bloßer Effekt eingesetzt. (Sarah Hofmann)

Tatort (Deutschland, seit 1970, bisher über 960 Filme)

Der "Tatort" wäre in den USA ein Flop. Deswegen fasziniert mich als gebürtige Amerikanerin der nachhaltige Erfolg des wöchentlichen Krimi-Films. Eine Serie ist "Tatort" nicht offiziell, aber trotzdem entwickeln sich die Persönlichkeiten der Kommissare über mehrere Folgen: Freddy in Köln wird sein Hüftgold nicht los, Thiel in Münster nicht seinen kiffenden Vater. Und Faber aus Dortmund hat trotz schwarzen Humors doch eine weiche Seite.

Jan Josef Liefers (r.) und Frank Thiel im "Tatort" aus MünsterBild: imago/S. Simon

Die "Tatort"-Kommissare haben Falten, Kurven, Eheprobleme und jede Menge Macken. Im Gegensatz zum amerikanischen Hochglanz-TV steht menschliche Schönheit nicht im Vordergrund. Wo die meisten US-Krimis im Puff oder im Manhattan-Club mit vielen tiefgeschnittenen Glitzerkleidern und von Techno-Beats begleitet stattfinden, wagt sich der "Tatort" an hochbrisante Themen wie Asyl-Politik und Rassismus und bietet mir als Einwanderin wertvolle Einblicke in die deutsche Psyche.

Die langsamen Schnitte, die manchmal trägen Dialoge und die dunklen Bilder sind "typisch deutsch" (und nicht jedermanns Sache). Doch nach 12 Jahren in Deutschland ist der "Tatort" immer noch ein Highlight meines Sonntagabends. (Kate Müser)

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