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Von Griechen große Schritte erhofft

19. November 2012

Griechenland will eine automatische Ausgabenbremse für seine Ministerien, Staatsbetriebe und Kommunen verhängen. Über den Kurs der EU in dem Finanzdesaster wird munter gestritten. Kommt jetzt ein drittes Rettungspaket?

Griechenlands Präsidialgarde mit Flagge im Stechschritt (foto:reuters)
Bild: reuters

Wenn man sich wirklich zum Ziel setzte, Griechenland finanziell zu retten und im Euro zu halten, dann müsse man sehr unangenehmen Maßnahmen ins Auge schauen: Aus der Europäischen Zentralbank (EZB) heißt es nun, ein drittes Hilfspaket für das vor dem Bankrott stehende Athen sei unvermeidbar. Die Finanzierung für die Hellas-Hilfen 2013 und 2014 sollte in der kommenden Woche aufgestellt werden, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen dazu dem Zweiten Deutschen Fernsehen.

Es sei aber nicht zu erwarten, dass sich Griechenland schon 2015 und 2016 wieder Geld an den Finanzmärkten leihen könne. "Das heißt, es wäre dann ein Anschlussprogramm erforderlich", so Asmussen. Unter den internationalen Geldgebern zeichnete sich vor der Sondersitzung der Euro-Finanzminister zu Griechenland am Dienstag noch keine Annäherung ab.

Jörg Asmussen, EZB-MitgliedBild: dapd

Schäuble interpretiert - aber keinesfalls Schuldenschnitt

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte im 1. Deutschen Fernsehen zu einem dritten Hilfspaket, es komme darauf an, was Asmussen eigentlich gemeint habe. "Vermutlich hat er gesagt, wir brauchen zusätzliche Mittel, um die Finanzlücke zu schließen." Griechenland brauche zwei Jahre mehr Zeit - also bis 2016 - um die Neuverschuldungsgrenze einzuhalten. "Das kostet entsprechend mehr Geld. Wenn Asmussen das gemeint hat, hat er recht. Das sind genau die 14 Milliarden Euro Finanzierungslücke, für die wir eine Lösung finden müssen." Am Dienstag müsse dazu eine gemeinsame Linie gefunden werde, das werde auch gelingen.

Ein neuer Hellas-Schuldenerlass, wie vom IWF gefordert, sei aber nicht möglich, sagte Schäuble. Nach der Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten dürfe man nicht gleichzeitig Kredite gewähren und für gewährte Kredite einen Schuldenschnitt machen. Auch der Hauptgläubiger EZB lehne das ab.

Der Chef des Euro-Rettungsfonds, Klaus Regling, sieht hohe Hürden für einen Schuldenerlass. Dies könne es "nur in extremen Ausnahmesituationen geben", sagte er dem Düsseldorfer "Handelsblatt" (Montagsausgabe).

Merkel will Wähler nicht verprellen  

Unionsfraktionschef Volker Kauder nannte einen Schuldenschnitt, der auch die öffentlichen Gläubiger in Anspruch nehme, "völlig abwegig". Dies werde auch den Reformwillen in ganz Europa schwächen, sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung. In Berlin wurde zudem von verschiedener Seite zu bedenken gegeben, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel kaum gewillt sei, noch vor den Bundestagswahlen im Herbst 2013 noch einmal mit Geldforderungen vor den Bundestag zu treten. 

Asmussen sagte, ganz klare und endgültige Lösungen seien im Fall Griechenlands schwieriger als anderswo. Hier gebe es eine größere Prognoseunsicherheit, wann das Land auf Wachstumskurs zurückkehren könne. Allein mit Krediten sei Athen nicht geholfen. "Das schließt zwar die Finanzierungslücke, erhöht aber gleichzeitig die Schulden des Landes", sagte er. Um den Schuldenstand nicht zu erhöhen, kämen ein Schuldenrückkauf oder eine Senkung der Zinsen auf die ausstehenden Kredite infrage.

Lagarde appelliert an Realitätssinn der Europäer

IWF-Chefin Christine Lagarde ermahnte ihre europäischen Partner zu Realitätssinn und erklärte, dass sich der Fonds mit seiner Glaubwürdigkeit nicht bedingungslos hinter die Rettungspläne stellen könne. Ziel sei, ein solides und realistisches Programm für Griechenland zu verabschieden, sagte sie Reuters in Manila. Zudem müsse die Glaubwürdigkeit und Qualität der IWF-Empfehlungen gewahrt bleiben. Lagarde bricht ihre Asien-Reise ab, um bei der Sondersitzung dabei zu sein.

Schlüsselfiguren: Griechenlands Finanzminister Stournaras muss "liefern", IWF-Chefin Lagarde wird beurteilenBild: GEORGES GOBET/AFP/Getty Images

Der IWF pocht auf einen Abbau des griechischen Schuldenbergs auf 120 Prozent der Wirtschaftskraft bis 2020. Die Euro-Gruppe will bis 2022 Zeit geben, ist sich aber uneins, wie die Mehrkosten finanziert werden sollen.

Regierung Samaras quält sich und Griechen weiter

Die griechische Regierung will eine automatische Ausgabengrenze für seine Ministerien, Staatsunternehmen und für die Gemeinden einführen. Der entsprechende Beschluss wurde bei einer Sitzung des griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras mit Finanzminister Ioannis Stournaras und anderen Regierungsmitgliedern am Sonntag gefasst.  In weiteren Verordnungen sollen alle noch offenen Fragen im Zusammenhang mit dem jüngsten Sparpaket geklärt werden, damit Stournaras am Dienstag beim Treffen der Eurogruppe abschließende Resultate vorweisen kann. Die Marathonsitzung im Amtssitz des Premiers begann am Vormittag und dauerte bis in den Abend.

Die automatische Ausgabenbegrenzung sieht laut Medieninformationen vor, dass Ministerien, Staatsbetriebe oder Kommunen jeden Monat auf die in den Sparbeschlüssen festgelegten Ausgabenziele hin überprüft werden. Sollten sie mehr als zwei Quartale hintereinander von den Ausgabenzielen abweichen, wird die Schere angesetzt. Die Sanktionen treten automatisch in Kraft, hieß es am Abend im griechischen Fernsehen: Säumigen Ministerien solle ein Sparkommissar des Finanzministeriums auf die Sprünge helfen. Bei den Staatsbetrieben werde das Gehalt des Vorstands gekürzt oder ganz gestrichen.

Wo sind die Milliarden hin?

Im Kampf gegen die massive Steuerhinterziehung forderte die Athener Regierung Nachweise von den Bürgern, die Geld ins Ausland geschafft haben. Man will rund 17.000 vermögende Griechen zur Kasse bitten. Sie sollen über ihre Transfers bis Ende 2011 Auskunft geben, die das deklarierte Einkommen deutlich überstiegen haben. Es soll schätzungsweise um Überweisungen von fünf Milliarden Euro gehen. 

SC/uh (rtr, dpa, afp)

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