Mit Krempe oder ohne, warm oder elegant. Es gibt viele Motive, einen Hut zu tragen. Lange galt es sogar als spießig. Eine Ausstellung im Stuttgarter Haus der Geschichte erzählt, warum Menschen ihren Kopf bedecken.
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"Hut ab" - was uns Kopfbedeckungen sagen
Helme und Hüte, Tücher und Mützen - Kopfbedeckungen haben eine jahrtausendealte Tradition. Heute sind sie aus der Mode geraten. Eine Ausstellung erzählt von ihrer Symbolkraft.
Bild: Haus der Geschichte Baden-Württemberg/V. Schrank
Erlaubt ist, was schmückt
Ein Hut als Landeplatz für einen Paradiesvogel... So jedenfalls wirkt diese außergewöhnliche Kopfbedeckung, mit der vermögende Frauen Anfang des 19. Jahrhunderts auf sich aufmerksam machten. Ob der präparierte Vogel seine Schönheit auf die Trägerin übertragen sollte?
Bild: Haus der Geschichte Baden Württemberg
Hüte machen Leute
Jede Religion hat ihre eigene Kopfbedeckung. Hier im Bild ist eine evangelische Pfarrersfamilie zu sehen. Im 19. Jahrhundert galt sie als Bollwerk der Tradition, in der kulturelle Werte hochgehalten wurden. Im schwäbischen Öllingen zählte dazu auch das Tragen von Hüten.
Bild: Haus der Geschichte Baden Württemberg
Getarnte Pickelhaube
Selbst unter einer Tarnung aus Stoff ist die charakteristische Form der Pickelhaube noch zu erkennen. Anfangs war sie eine rein militärische, dann auch eine polizeiliche Kopfbedeckung. Sie bestand aus gepresstem Leder mit Metallverstärkung. Preußische Soldaten, zu deren Uniform der Helm ab Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte, hießen im Volksmund Pickelhaube.
Bild: Haus der Geschichte Baden Württemberg/B. Eidenmüller
Pussyhat gegen Donald Trump
Ein Pussyhat ist ein etwas unbeholfen wirkender, pinkfarbener, handgefertigter Hut. Große Popularität erlangte er, als im März 2017 tausende Amerikanerinnen durch die Straßen von Washington zogen, um gegen den damals neugewählten US-Präsidenten zu protestieren. Der "Women's March" richtete sich gegen die Frauenfeindlichkeit Donald Trumps. Der Hut wurde zu ihrem Markenzeichen.
Bild: Haus der Geschichte Baden-Württemberg/D. Matthiessen
Atemmasken im Krieg
Auch Atemschutzmasken sind eine besondere Art von Kopfbedeckung. Soldaten trugen sie im Ersten und Zweiten Weltkrieg, um Angriffe mit Giftgas zu überstehen. Jetzt hängen sie im Stuttgarter Haus der Geschichte vor rotem Stoff. Das Ausstellungsmotto "Hut ab!" hätte für die Betroffenen im Ernstfall tödliche Folgen gehabt.
Bild: picture-alliance/dpa/T. Weller
Kopftuch-Verbot
Gegen das Verbot, ihre Schüler mit Kopftuch unterrichten zu dürfen, zog die Muslima Fereshta Ludin bis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Der Streit um das Kopftuchverbot spaltete Deutschland. Für mehr Toleranz, egal für welche Kopfbedeckung, wirbt die Ausstellung "Hut ab" jetzt im Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württemberg.
Bild: picture-alliance/dpa
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Kann man sich in Deutschland mit der jüdischen Kippa auf die Straße trauen? Sollte eine Muslima mit dem Kopftuch Schüler unterrichten? Nicht erst in jüngster Zeit bieten Kopfbedeckungen und ihre Symbolik Stoff für Auseinandersetzungen. "Kopfbedeckungen erzählen Geschichte und Geschichten", weiß Museumsdirektorin Paula Lutum-Lenger, "in unserer Ausstellung geht es um Macht, Ordnung und Auflehnung, um Tradition, Revolution und Religion, um richtig oder missverstandene und widersprüchliche Symbole."
Der Streit um das Kopftuch steht denn auch am Anfang der Stuttgarter Schau. "Das Kopftuch ist ein vieldeutiges Zeichen", erklärt Kurator Sebastian Dörfler. "Manche Muslimin legt es als Symbol der Unterdrückung bewusst ab. Für manche Trägerin ist es Teil ihrer Religion und ihrer Persönlichkeit." Dörfler und sein Mitkurator Immo Wagner-Douglas zeigen unter anderem ein Kopftuch der Lehrerin Fereshta Ludin. Die Muslima stritt vergeblich vor dem Bundesverfassungsgericht dafür, mit dem Glaubenssymbol unterrichten zu dürfen. Auch die Kopftücher traditioneller Christinnen spielen in der Ausstellung eine Rolle.
Wie leuchtende Schaufenster führen die 44 Vitrinen in verschiedene Zeiten und erzählen Geschichten rund um Kopfbedeckungen. Denn ob züchtig, martialisch oder einfach nur modisch - so vielfältig die Form, so unterschiedlich kann ihre Wirkung sein. Die Pickelhaube etwa zeugte von Macht, die Cloche von Stil, der Zylinder von Stand, der badische Heckerhut von Haltung, der Pussyhat von Protest. Im Alltag war der Männerhut ein Muss: Er bestimmte bis Ende der 1960er Jahre das Straßenbild in Deutschland.
"Kleidung ist Sprache"
Die Ausstellung führt durch Zeiten, in denen Kleidung ohne Kopfbedeckung nicht vollständig war. Manche Kopfbedeckungen zierten berühmte Häupter wie die des Literaten Friedrich Schiller, des Heißluftballon-Erfinders Ferdinand Graf von Zeppelin oder des ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss. Manche Mütze erzählt eine tragische Geschichte, wie jene Studentenmützen, die lange im Besitz einer Studentenverbindung blieben, weil sie von ihren Trägern nicht mehr abgeholt wurden – die jungen Männer waren im Ersten Weltkrieg gefallen. Andere hatten mehr Glück: In zwei der ausgestellten Militärhelme blieben Geschosse stecken.
Die Schau zeigt schließlich auch, über welche Kopfsachen heute diskutiert wird. "Kleidung ist Sprache", stellt Kurator Schaller fest und warnt zugleich: "Man muss auf den einzelnen Menschen schauen und darf niemanden nur wegen seiner Kopfbedeckung in eine Schublade stecken!"