50 Deutsche Filme
2. November 2009Natürlich ist es immer eine Frage der Rechte. Wenn Zeitschriftenverlage und DVD-Anbieter - wie in den letzten Jahren häufig geschehen - kooperieren und Film-Editionen auf DVD zusammenstellen, dann entscheidet häufig die Lizenz. Will heißen: oft werden Titel in eine DVD-Edition übernommen, weil die Anbieter über die Rechte verfügen, nicht unbedingt aufgrund filmhistorisch nachvollziehbarer Argumente. "50 große Kinomomente für zu Hause" heißen solche Zusammenstellungen dann - oft wirken diese wilden Ritte durch die Filmgeschichte ein wenig willkürlich zusammengeschustert.
Weltkrieg und Geschichtsaufarbeitung
Sicher hat es auch der eine oder andere Titel der 50teiligen "Edition Deutscher Film", der jetzt vom DVD-Anbieter "Arthaus" (Kinowelt) und "Kulturspiegel" (Der Spiegel) auf den Markt gebracht wurde, der Rechtelage zu verdanken, dass er dabei ist. Anlass die Reihe jetzt zusammenzustellen und zu veröffentlichen ist - laut Anbieter - das 60jährige Bestehen der Bundesrepublik und 20 Jahre Mauerfall. Politische Themen dominieren so die Auswahl, Zweiter Weltkrieg und Geschichtsaufarbeitung ebenso wie bundesrepublikanische Identitätssuche und Terrorismusanalyse.
Ein paar Filme der Edition fallen aus dem Rahmen, insgesamt bietet die DVD-Schau aber eine beeindruckende Gesamtübersicht über 100 Jahre deutsches Filmschaffen. Der Stummfilm ist mit klassischen Meisterwerken wie "Der letzte Mann" und "Metropolis" dabei, die 30er und 40er Jahre sind aus nachvollziehbaren Gründen nur mit jeweils einem Film vertreten ("M - Eine Stadt sucht einen Mörder" und "Die Mörder sind unter uns"), das erste komplette Nachkriegsjahrzehnt überraschend stark (Vom "Untertan" über "Der Verlorene" bis hin zu "Es geschah am helllichten Tag"). Die folgenden Dekaden tauchen gleichmäßig auf - mit Ausnahme der 90er Jahre. In diesem Jahrzehnt kriselte das westdeutsche Kino, zwischen Fassbinders Tod und einem neuerlichen Aufbruch um Regisseure wie Tom Tykwer dominierte harm- und hirnlose Komödien- und Genrekost.
Aufschlussreiche Vergleiche
So bleibt es jedem Nutzer selbst überlassen, welchen Spuren er folgt bei den 50 Filmen, welche Schneisen er schlägt im Dschungel bundesrepublikanischer Filmgeschichte. Jeder kann auf seine eigene Entdeckungsreise gehen, die jungen Wilden des "Neuen Deutschen Films" (Fassbinder, Herzog und Schlöndorff) vergleichen mit denen der letzten Jahre um Oskar Roehler und Matthias Glasner. Man kann einen Stilisten wie Wim Wenders neben einen Christian Petzold stellen, Einflüsse früherer deutscher Kinoerfolge von Murnau und Lang auf Filme, die sechzig Jahre später entstanden, überprüfen.
E i n e mögliche Art der filmischen Spurensuche, eine naheliegende aber angesichts der vielen Filme mit Kriegsthematik, ist die nach den Bildern des großen Krieges zwischen 1939 und 1945:
Des Teufels General (1954/55)
In den fünfziger Jahren standen noch nicht die tatsächlichen Opfer des Krieges im Mittelpunkt der Geschichtsaufarbeitung. Ein jüdisches Paar kommt in Helmut Käutners Film nur am Rande vor. Es dominierte noch das Interesse am Schicksal der deutschen Soldaten. Hier ist er der raubeinige Luftwaffen-General Harras ("Jetzt holen wir uns mal ´ne anständige Pulle und reden mal ganz nüchtern"), eine Paraderolle für den deutschen Star Curt Jürgens, der den Film an sich reißt. "Des Teufels General" setzt ein wenig zu sehr auf den heute angestaubt wirkenden Altherrencharme Jürgens. Francois Truffaut schrieb damals nach der Premiere in Venedig: "Von Curt Jürgens verkörpert, wird Hauptmann Harras zum Superman mit vorteilhaft behaarter, glänzender Heldenbrust, zu einem Tarzan des Zusammenbruchs..." Die solide Inszenierung Käutners und einige markige Sprüche des Generals ziehen den Betrachter allerdings auch heute noch in Bann.
Die Brücke (1959)
Auch hier stehen deutsche Soldaten im Blickpunkt. Doch in Bernhard Wickis Regiedebüt dominiert ein unbestechlicher Blick auf den Wahnsinn des Krieges. Die sieben Jungen, die kurz vor Kriegsende noch eingezogen werden, sind nichts anderes als Kanonenfutter für den Gegner. Und das zeigt Wicki schonungslos. "Vielleicht ist das die erschütternste Tragik: einem Ideal anzuhängen, das, in sich hohl und leer, keinerlei Moralität besitzt. So bleibt jenseits ihrer Katastrophe von sinn- und hoffnungsloser Not und Pein", schrieben Norbert Grob und Thomas Klein in "Filmgenres: Kriegsfilm" (Reclam-Verlag). Der Film wurde zu einem der ersten großen internationalen Erfolge des deutschen Nachkriegskinos.
Das Boot - Directors Cut (1981)
Der bis dahin teuerste deutsche Kinofilm (eine doppelt so lange Fernsehfassung wurde später ausgestrahlt) wurde damals in der Bundesrepublik kontrovers diskutiert. Wieder sind es deutsche (Marine-)Soldaten, deren Seelenqual hier für ein Millionenpublikum aufbereitet wurde, wieder wurden die Opfer des Krieges kaum gezeigt. Das störte übrigens das Ausland am wenigsten, "Das Boot" wurde ein internationaler Kassenschlager und in Los Angeles sechsmal für einen Oscar nominiert. Die Aufnahmen im Bauch des Unterseebootes faszinieren noch heute. Auch das geschlossene Mannschaftsspiel der Darstellerriege und die stringente Inszenierung, die die Sequenzen ungemein dicht und packend aneinanderreiht, müssen den Vergleich zum großen Actionkino Hollywoodscher Prägung nicht scheuen. Trotzdem fragt man sich noch heute, warum sich deutsche Regisseure bis in die 1980er Jahre ausschließlich für das Leid deutscher Soldaten interessierten, wenn es um die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs ging.
Die Edition Deutscher Film mit "50 ausgewählten Meisterwerken des deutschen Kinos" ist bei "Arthaus/Kinowelt" und "KulturSpiegel" erschienen.
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Conny Paul