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Von Pflanzen und Phi

Ingun Arnold 5. Mai 2005

Was haben Kiefernzapfen, Rosen und Sonnenblumen gemeinsam? Nichts? Dann schauen Sie sich Blüten und Böden an. Wer das Muster entdeckt hat, findet es immer wieder. Dahinter steckt die irrationalste Zahl, die es gibt.

Nicht die Hummel, der Blütenboden ist interessantBild: AP
Bild: Bilderbox

Spiralen. Immer wieder. Bei Kiefernzapfen, Rosen und Sonnenblumen. Die Blütenblätter, Kerne oder Fruchtstände ordnen sich nicht von ungefähr so an. "Bei der Blattbildung werden zwei biochemische Signale gesetzt", erklärt Professor Hans Meinhardt vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie. "Das eine signalisiert: 'komm' nicht in meine Nähe'." Das ist der Grund, warum die einzelnen Blätter Abstand zueinander halten. "Das andere Signal heißt: 'du warst lange genug hier, verschwinde wieder'." Die Signale tauchen dann an anderer Stelle wieder auf - nämlich dort, wo es der Pflanze "genehm" ist, ein weiteres Blatt zu entwickeln. Alle Blätter zusammen bilden charakteristische Muster. Nach demselben Prinzip treibt eine Pflanze auch Fruchtstände oder Zweige aus.

Irrationale Spiralen

Sonnenblumen, Gänseblümchen oder Disteln zeigen es besonders deutlich: Die Blütenstände im Blütenboden sind nicht willkürlich, sondern in regelmäßigen Spiralen angeordnet. Wer sich die Mühe macht und die Spiralen zählt, der kommt bei einer durchschnittlichen Sonnenblume immerhin auf 55 rechtsdrehende und 34 linksdrehende Spiralen. Ähnlich die Zapfen von Nadelgehölzen: Die Böden von Kiefernzapfen zeigen sehr häufig 8 Spiralen in die eine, 13 in die andere Richtung. Bei Fichten sind es meist 5 und 8.

KiefernzapfenbödenBild: dpa

Das Verblüffende dabei ist, dass bei diesen Pflanzen der Winkel zwischen zwei aufeinanderfolgenden Blüten, Blättern oder Fruchtständen immer derselbe ist: 137,5 Grad. Das ist nicht irgendeiner, sondern der "Goldene Winkel" - das Pendant zum "Goldenen Schnitt". Der "Goldene Schnitt" ist seit der Antike bekannt, in der Renaissance avancierte er zum Inbegriff der harmonischen Teilung einer Strecke in zwei Teile.

Bild: DW

Beim "Goldenen Schnitt" verhält sich die Strecke a zu b wie a + b zu a. Die Zahl, die sich bei der Teilung ergibt, heißt Phi und ist eine so genannte transzendente Zahl: Sie kann nicht als ein Bruch zweier ganzer Zahlen (zum Beispiel 1/3) dargestellt werden. Eine andere, weitaus bekanntere transzendente Zahl ist die Kreiszahl Pi.

Bei den Pflanzenspiralen ist aber nicht nur der Winkel interessant, sondern auch die Anzahl der Spiralen beziehungsweise ihr Verhältnis zueinander: 55 und 34, 13 und 8, 8 und 5 sind Teil einer berühmten Zahlenreihe, die etwas mit dem "Goldenen Schnitt" - und demzufolge mit der Zahl Phi - zu tun hat. Entdeckt wurden die so genannten Fibonacci-Zahlen allerdings nicht beim Studium der Sonnenblume, sondern bei der Planung einer idealtypischen Kaninchenzucht.

Die Kaninchen-Reihe

KiefernzapfenbödenBild: dw-tv

Vor mehr als 800 Jahren, im Jahr 1202, erforschte der italienische Mathematiker Leonardo Pisano, genannt Fibonacci, wie viele Nachkommen ein Kaninchenpärchen in einem Jahr produzieren kann - vorausgesetzt, Eltern und Kinder vermehren sich kontinuierlich ab ihrem zweiten Lebensmonat, sterben nie und haben immer nur zwei Kinder.

Am Anfang gibt es nur eins dieser idealen Kaninchenpärchen (Männlein, Weiblein), dann noch eins (Sohn, Tochter). Sobald sich die Eltern wieder vermehren, sind es drei. Beim nächsten "Durchgang" kriegen die Eltern und die Kinder Kinder, sprich: Es hoppeln fünf Kaninchenpärchen über die Wiese. Und so weiter und so fort. Die Zahlen gehen schnell nach oben.

1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377,

610, 987, 1597 …

Ein neues Glied der Zahlenreihe ergibt sich, wenn man die beiden vorangegangenen addiert. Je länger die Zahlenreihe wird, umso näher kommt man Phi – man muss nur immer wieder eine Zahl durch ihren Vorgänger teilen. Also: 3 durch 2 ist 1,5. 8 durch 5 ist 1,6. 144 durch 89 ist 1,61797753. Und Phi? Das ist 1,618033988749... bis ins Unendliche.

Bild: dpa

137,5 Grad Abstand

Warum sich Pflanzen derart mathematisch verhalten, ist noch nicht restlos geklärt. Zur "Arithmetik der Pflanzenblattstellung" gehört unter anderem die Vermutung, dass mit dem Winkel von 137,5 Grad das Sonnenlicht optimal ausgenutzt wird. Ein weiterer Grund könnte der nicht nur in der Pflanzenwelt bekannte "Weg des geringsten Widerstandes" sein. Bereits 1868 veröffentlichte der Botaniker Wilhelm Hofmeister eine Studie über Spross- und Wurzelspitzen, die so genannten Meristemen oder "pflanzlichen Stammzellen": Neue Blätter und Triebe entstehen demzufolge am liebsten an den Stellen, die am wenigsten "überlaufen" sind. Der "Goldene Winkel" schafft offensichtlich genau den Abstand zum Nachbarblatt, den es braucht.

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