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Mord vor 60 Jahren

Ana Lehmann30. Januar 2008

Persönliche Integrität und Gewaltlosigkeit – damit wollte er die britische Kolonialherrschaft in Indien bekämpfen und sein Land in die Unabhängigkeit führen. Vor sechzig Jahren wurde Mahatma Gandhi ermordet.

Nahaufnahme Gandhi (Quelle: AP)
Ziel erreicht - Traum verloren: Indien wurde unabhängig, doch Gandhis Vision von der Einheit des Landes zerbrachBild: AP

Mahatma Gandhi galt als Politiker mit unumstößlichen ethischen Grundsätzen: Persönliche Integrität und Gewaltlosigkeit waren die Eigenschaften, mit denen er gegen die britische Kolonialherrschaft in Indien kämpfte – und sein Land schließlich zur Unabhängigkeit führte. Mahatma, die "Große Seele", nannten ihn seine Landsleute und verehrten ihn als Symbol für Freiheit und Widerstand. Vor 60 Jahren (30.1.) wurde Gandhi von einem fanatischen Hindu erschossen.

Prägendes Erlebnis in Südafrika

Als Karamchad Mohandas Gandhi nach Südafrika kam, glaubte er an Recht und Gesetz, so, wie er es in London gelernt hatte. Doch der junge Anwalt sah sich bald mit einer Gesellschaft konfrontiert, in der indische Auswanderer durch die britische Kolonialmacht per Gesetz diskriminiert wurden.

Als er selbst eines Tages von einem weißen Schaffner allein wegen seiner Herkunft aus dem Zug geworfen wurde, empörte ihn dieses Unrecht derart, dass er von nun an gegen die Rassendiskriminierung kämpfen wollte, erzählt Historikerin Gita Dharampal-Frick vom Südasien-Institut der Universität Heidelberg. Gandhi hätte seine Mitbürger zum friedlichen Widerstand gegen staatlich verordnete Gewalt und Ungerechtigkeit aufgerufen, und er erklärte, worauf es dabei ankomme, so Dharampal-Frick:

Wahrheit als Waffe

Vergangenheit und Gegenwart: Der indische Premier Manmohan Singh verziert ein Gandhi-Porträt (Archivbild)Bild: AP

"Er legt Wert auf die Integrität des einzelnen Menschen, er nennt das auch Wahrheit – dass man ein wahres Leben führen soll, ein Leben, in Harmonie mit der Umwelt, mit seinen Mitmenschen, und dass die Politik diese Art von Leben auch unterstützen soll."

Das Festhalten an der eigenen Wahrheit nannte Gandhi "Satyagraha". Und verband es mit der altindischen Ahimsa-Lehre der Gewaltlosigkeit. Gandhi hielt sich selbst streng an seine spirituellen Grundsätze und erlegte sich zur inneren Reinigung zusätzlich Askese auf. Aus dem zurückhaltenden jungen Anwalt wurde in Südafrika ein unerschrockener Aktivist und Vorkämpfer gegen die Diskriminierung seiner Landsleute durch die Briten.

Eine Nation wird furchtlos

Als er zwanzig Jahre später nach Indien zurückkehrte, war ihm seine Lehre des gewaltlosen Widerstands längst vorausgeeilt. Ohne zu zögern übernahm er die Führung des indischen Nationalkongresses, der seit einigen Jahren die Unabhängigkeit Indiens anstrebte. "Indien war 1915 in einem sehr deprimierten Zustand", erklärt Dharampal-Frick. In jenen Jahren sei der indische Nationalkongress nur ein Debattierclub gewesen. "1920 verwandelt Gandhi den indischen Nationalkongress in eine Volksbewegung. Er ist durch Gandhis Inspiration und durch Gandhis Unterstützung zur Volkspartei geworden."

Viele der unterdrückten Menschen in Indien empfanden Gandhi als Symbolfigur für Freiheit und Widerstand. Seine Botschaft gab ihnen Selbstbewusstsein, berichtet Radha Bhatt, Vorsitzende der Gandhi Peace Foundation in Delhi: Die Satyagraha-Lehre habe den Menschen ihre Furcht genommen. "Sie wussten, wir kämpfen, aber nicht mit Waffen, sondern mit dem Werkzeug des Satyagraha – der 'Wahrheit'. Sie verinnerlichten dies so sehr, dass sie furchtlos wurden und sich noch nicht mal darum sorgten, dass sie durch Satyagraha auch ihr Leben verlieren könnten."

Offen forderte Gandhi die Kolonialherren heraus. In den 30er Jahren stand er an der Spitze einer Protestwelle, die ganz Indien ergriff. Höhepunkt war 1930 ein spektakulärer Demonstrationszug zum Meer, bei dem er einen Brocken Salz nahm – und damit symbolisch das Salzmonopol der Briten brach.

Moralisches Recht triumphiert über imperiale Macht

Gandhi hält eine Rede während einer seiner langen FastenzeitenBild: AP

Gandhi rief zum zivilen Ungehorsam auf und organisierte den Boykott britischer Waren, zum Beispiel von in Manchester hergestellten Kleidungsstücken. In einer seiner Aktionen verbrannten die Menschen importierte Kleidung. "Auf diese Weise gab er allen die Idee einer eigenen Nation, einer selbstständigen Nation: 'Wir können es schaffen, wir sind nicht angewiesen auf die Produkte oder Hilfe von anderen Ländern.' ", erläutert Bhatt.

Immer wieder warfen ihn die Briten ins Gefängnis und immer wieder nahm er den Kampf für die Unabhängigkeit aufs Neue auf. Zugleich bemühte er sich, die indische Kasten-Gesellschaft von innen heraus zu verändern und den Parias, den Unberührbaren, zur Menschenwürde zu verhelfen. Damit habe er das Gewissen des britischen Reiches wachgerüttelt und dadurch die Weltgemeinschaft angesprochen, sagt Dharampal-Frick. "Es gab das Sprichwort 'right versus might' – moralisches Recht gegen imperiale Macht. Er hat gezeigt, dass ein Volk von kolonisierten Bauern doch gegen eine Militärmacht, eine Kolonialmacht, Widerstand leisten konnte."

Gandhis Traum scheitert

Am 15. August 1947 erreichte Gandhi sein Ziel: die indische Unabhängigkeit. Doch sie hätte gleichzeitig sein Scheitern bedeutet, sagt Bhatt von der Gandhi Peace Foundation: "Seine Vorstellung davon, wie Indien sich entwickeln sollte, war ganz anders als das, was dann hinterher herauskam, nach der Unabhängigkeit."

Die Unabhängigkeit zog eine Teilung des Subkontinents nach sich: in das hauptsächlich hinduistische Indien und den Muslim-Staat Pakistan. In einem beispiellosen Gewaltausbruch verloren Hunderttausende ihr Leben und Millionen ihre Heimat. Gandhi überlebte die Unabhängigkeitserklärung nur um wenige Monate. Anfang 1948 wurde er in Delhi von einem fanatischen Hindu erschossen.

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