Die Autobranche gilt in Deutschland als Schlüsselindustrie. Entsprechend heftig wird derzeit über Corona-Hilfsmaßnahmen wie Kaufanreize debattiert. Heute treffen sich die Autobosse mit der Bundeskanzlerin.
"So bald als möglich" brauche die Autoindustrie Klarheit, ob die Nachfrage mit staatlicher Hilfe angekurbelt werden kann, befindet denn auch Herbert Diess, der Chef von Volkswagen, des größten Autokonzerns Europas. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte eine Kaufprämie für Elektro-, Benzin- und Dieselautos. Und nicht nur für Neuwagen, sondern auch für junge Gebrauchte.
Nur breit angelegte Hilfen stützten Nachfrage und Produktion, mahnte auch die Präsidentin des Autobranchenverbands VDA, Hildegard Müller. Und auch Daimler-Chef Ola Källenius will eine pauschale Lösung, so einfach wie möglich und für alle Segmente.
Auf Halde - derzeit schwer verkäufliche Autos aus deutscher Produktion Bild: picture-alliance/SvenSimon
4000 Euro zusätzlich
Die Bundesländer mit Auto-Standorten, also Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg, wollen die schwache Nachfrage mit Kaufprämien für Autos wieder ankurbeln: 4000 Euro zusätzlich soll es für den Kauf von Autos mit Elektro-, Brennstoffzellen- oder Plug-in-Antrieben geben, 3000 Euro für den Kauf hochmoderner Verbrenner. Auf diesen Forderungskatalog an den Bund verständigten sich die drei Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD), Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) am Montag in telefonischen Beratungen, wie Söder anschließend sagte. Wenn jemand sein älteres Auto mit Euro-3- oder Euro-4-Norm abgibt, soll er nach Worten Söders dafür außerdem 1000 Euro sogenannte Recyclingprämie bekommen.
Abwrackprämie: "obszön"
Der Chef der sogenannten Wirtschaftsweisen, Lars Feld, ist da ganz anderer Meinung und sagte dem Business Insider, was er von Kaufprämien hält: "Nichts. Prämien für E-Autos gibt es schon. Autos mit Verbrennungsmotor zu fördern, hat im Sinne des Klimaschutzes keine Priorität." Auch seine Kollegin Monika Schnitzer - neu im Sachverständigenrat - lehnt solche Hilfen ab: "Das ist purer Lobbyismus, genauso wie die Forderung, nun Abstriche bei Umweltauflagen zu machen", sagte sie der Rheinischen Post.
Ähnlich sehen es das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und lehnen die Prämie ab. Stefan Koorths vom IfW legte im ARD-Fernsehen noch eins drauf und nannte es im Blick auf die Abwrackprämie obszön, Geld auszugeben, damit Güter vernichtet werden.
Corona-Zwangsferien, Kurzarbeit und geschlossenen Autohäuser - die Branche ist unter DruckBild: picture-alliance/dpa/C. Gateau
"Innovationsprämie"
Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future brandmarkte den Vorschlag einer Autoprämie als eine "maximal unverantwortliche Idee - ökologisch, aber auch ökonomisch". Eine Entscheidung für die Prämie könne nur fallen, "wenn die Bundesregierung sich von ihrer Verantwortung von jungen und zukünftigen Generationen verabschiedet", sagte Neubauer. "Der Autogipfel ist jetzt ein Richtungsgipfel, der offen legt, wie ernst der Kanzlerin eine klimaverträgliche, nachhaltige und gerechte Coronapolitik tatsächlich ist", sagte Neubauer.
Bundesregierung und Vertreter der Branche wollen am Dienstag über die angespannte Lage der Autobauer und Zulieferer beraten. Kaufanreize wie eine "Abwrackprämie" hatte es auch nach der Finanzkrise 2009 gegeben.
Grundsätzlich würden 47 Prozent der Deutschen einer Umfrage zufolge eine Prämie befürworten. Allerdings planen derzeit nur 14 Prozent, ein Auto zu kaufen. Die Umfrage des YouGov-Instituts wurde im Auftrag der Verkaufsplattform mobile.de erstellt. 38 Prozent der Befragten lehnen Zuschüsse aus Steuergeldern für Autokäufer generell ab.
Autos in der Corona-Krise: Einbruch und Neustart
Eigentlich hatte die Corona-Krise das ersten Quartal des Jahres noch gar nicht ganz im Griff, und dennoch ist der Gewinneinbruch bei Daimler oder Renault gigantisch. Allerdings läuft langsam die Produktion wieder an.
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Gewinneinbruch
Ein Gewinneinbruch von 78 Prozent – das ist die Daimler-Bilanz für das erste Quartal. Noch bleiben 617 Millionen Euro übrig, aber Daimler sorgt vor: Oberste Priorität habe nun, die Liquidität zu sichern, so der Finanzvorstand Harald Wilhelm. Den ursprünglichen Jahresausblick kippte Daimler. Angesichts der Corona-Krise könne man Nachfrage, Lieferketten und Produktion nicht sicher einschätzen.
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Minus 20 Prozent
Vor allem das LKW-Geschäft ist dem Daimler-Konzern weggebrochen: Der weltweite Absatz von Lastwagen sank in den ersten drei Monaten des Jahres um 20 Prozent. In dem Zeitraum verkaufte die PKW-Tochter Mercedes-Benz weltweit 15 Prozent weniger. Dabei wurden Autohäuser und Fabriken erst im März ganz geschlossen.
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Nach dem Stillstand...
Seit Montag fährt Daimler nach vier Wochen Stillstand in großen Teilen der Produktion seine Werke wieder hoch. Seit dem 6. April gilt zudem Kurzarbeit, die nach jetzigem Stand erst Ende April auslaufen soll. Etwa 80 Prozent der rund 170 000 Beschäftigten in Deutschland sind in unterschiedlichem Maße davon betroffen.
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Erste Erholung
In China - hier Arbeiter bei der Pause in einer Auto-Fabrik von Dongfeng Honda - zeichnet sich bereits eine Erholung auf dem PKW-Markt ab. Die Verkäufe dort waren im März um 48 Prozent gesunken, nachdem sie im Februar noch um mehr als 80 Prozent eingebrochen waren. Fast alle Standorte von Daimler in China arbeiten inzwischen wieder.
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... zurück ans Band
Zurück ans Band geht's auch bei Volkswagen, jedenfalls zunächst in Zwickau: Nach mehr als fünf Wochen Corona-Stillstand läuft dort am Donnerstag die Fahrzeugproduktion langsam wieder an. In dem sächsischen VW-Werk wird seit November mit dem ID3 der vollelektronische Hoffnungsträger des Konzerns gebaut. Auch das Motorenwerk Chemnitz wird nun schrittweise wieder hochgefahren.
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Die VW-Zentrale
Die gigantischen VW-Fabriken am Stammsitz in Wolfsburg fahren erst am kommenden Montag die Bänder wieder an. Das Gleiche gilt für die Werke in Emden und Hannover. VW setzt dabei auf verschärfte Hygiene und kürzere Reinigungsintervalle. Arbeiter in Bereichen, in denen Abstände von 1,5 Metern nicht möglich sind, sollen Masken tragen. Die Taktzeiten werden deutlich verlangsamt, teilte VW mit.
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Die Reserven schmelzen
Auch dem französischen Autobauer Renault setzt die Corona-Krise massiv zu. Im ersten Quartal brach der Absatz um mehr als ein Viertel ein, der Umsatz schrumpft um fast 20 Prozent. Die Barmittelreserven von Renault im Autogeschäft schmolzen in den drei Monaten um ein Drittel auf 10,3 Milliarden Euro, teilte der Autokonzern in Paris mit.
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Fahrplan mit Gesundheitsschutz
Besser steht in Frankreich auch Konkurrent PSA mit seinen Marken Peugeot und Citroen nicht da: PSA setzte im Jahresvergleich mit rund 627.000 Fahrzeuge 29 Prozent weniger ab. Wie andere Autobauer auch bereitet PSA das Wiederanfahren seiner europäischen Werke vor. Noch verhandelt der Konzern aber über einen Fahrplan und Vorkehrungen für den Gesundheitsschutz mit Arbeitnehmervertretern.
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Im Epizentrum der Krise
In Italien, lange Zeit das Epizentrum der Corona-Krise in Europa, dürfen die Fabriken erst langsam ab dem 4. Mai starten. Das gilt auch für Fiat Chrysler. Der Autokonzern mit seinen Traditionsmarken war besonders hart getroffen worden: Fiat Chrysler verkaufte gut 76 Prozent weniger im März. Zum Vergleich: In der gesamten EU sackte der Autoabsatz im März um 55 Prozent weg.