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Wirtschaft fordert konkreten Fahrplan

Brigitte Scholtes
10. Februar 2021

Vor den Beratungen von Bund und Ländern über die Corona-Lage haben verschiedene Branchen nochmals ihre Hygienekonzepte nachgeschärft. Von der Politik erwarten die Verbände eine konkrete Strategie für einen Neustart.

Teil-Lockdown soll bis 20. Dezember verlaengert werden.
Bild: Frank Hoermann/SvenSimon/picture alliance

Der führende deutsche Hygienewissenschaftler Martin Exner, Professor an der Universitätsklinik Bonn, hat sein Konzept überarbeitet, das der Handelsverband Deutschland (HDE) schon im vergangenen Frühjahr als Grundlage für die Wiedereröffnung des Einzelhandels zugrunde gelegt hat.

"Für alle Fragen sollte ein Hygieneverantwortlicher in jedem Einzelhandelsgeschäft benannt werden, der sowohl für Mitarbeiter als auch für Kunden zu Fragen der Hygiene beratend und bei Bedarf kontrollierend zur Verfügung steht", heißt es in diesem Konzept. Der soll in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern auch die Kooperation mit dem Gesundheitsamt auf- und ausbauen. "Dann kann das Unternehmen etwa bei der Kontaktverfolgung selbst schon handeln", erklärt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Die Mitarbeiter sollen regelmäßig geschult werden in Fragen der Prävention und der Kontrolle der Pandemie. Für jedes Unternehmen soll ein Hygieneplan erarbeitet werden. "So kann man sicherstellen, dass auch entsprechende Expertise einfließt", sagt Genth.

Wie ausgestorben, weil die Geschäfte geschlossen sind: Hier die Kaufingerstraße in MünchenBild: Ralph Peters/imago images

Erfahrungen des Einzelhandels nutzen

Wenn Kunden sich wegen einer anspruchsvollen Beratung länger in einem Fachgeschäft aufhalten müssten, könne man dies über Termine regeln, oder man könne Apps nutzen, die die Anzahl der Kunden im Laden begrenzen. "Das geht noch viel weiter", sagt der HDE-Hauptgeschäftsführer und zählt Lüftungsmaßnahmen auf, Erfassungsstrategien von Neuinfektionen unter den Mitarbeitern oder eine Teststrategie. Der Verband kann zumindest auf die Erfahrungen im Lebensmitteleinzelhandel und bei den Drogeriemärkten verweisen, die ja geöffnet sind. "Die Hygienekonzepte in den Geschäften funktionieren hervorragend, Einkaufen ist also auch in Zeiten von Corona eine sichere Angelegenheit", meint Genth.

Eine gerade veröffentlichte Studie der Bundesanstalt für Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit zeige zudem, dass Mitarbeiter im Einzelhandel weniger häufig erkrankten als im Bundesdurchschnitt. "Deshalb wäre auch für Kunden sicheres Einkaufen möglich." Das sei ein weiterer Grund, so meint der HDE, warum erste Öffnungsschritte auch bei einer Inzidenz von mehr als 50 möglich sein sollten.

Friseure wollen mit verbesserten Hygienekonzepten wieder öffnen Bild: picture-alliance/dpa/R. Michael

Viele Ideen für die "körpernahen" Diensleistungen

Auch im Friseurhandwerk drängt man auf Öffnung. Im Bereich der "körpernahen Dienstleistungen" sind die Hygienekonzepte nochmals angepasst worden. Da steht zum einen ebenfalls die Lüftung im Vordergrund, zum anderen aber auch der Raum je Person: zehn Quadratmeter sollen es künftig sein, sagt Harald Esser, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks: "Der Friseur und der Kunde benötigen also schon 20 Quadratmeter für sich." Das habe dann auch zur Folge, dass nach einer Öffnung wahrscheinlich allenfalls noch 40 Prozent der Plätze angeboten werden könnten. Die Kunden müssten gegebenenfalls vor den Salons warten, bis sie aufgerufen werden. Die Platzregel gilt auch für den Pausenraum, sodass viele Mitarbeiter ihre Pausen dann wahrscheinlich außerhalb des Salons verbringen müssten. Hinzu kommen "Laufzonen" in den Salons, entsprechende Abstände an den Ladentheken und verschärfte Hygieneregeln, angefangen von den Friseurumhängen über die Werkzeuge bis hin zur Reinigung von Türklinken und Sanitäranlagen. 

Auch Hotels leiden stark unter dem LockdownBild: picture-alliance/dpa/D. Ebener

Flickenteppich an Einzelregelungen

Im Hotel- und Gaststättengewerbe fordern die Verbände in Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz ebenfalls eine stufenweise Öffnung gekoppelt an den Inzidenzwert. Schließlich seien die Schutz- und Hygienekonzepte schon nach dem ersten Lockdown erfolgreich umgesetzt worden, neuere Investitionen in beispielsweise Lüftungstechniken und digitale Kontakterfassung hätten die Sicherheit sogar noch erhöht. "Es gab in der Gastronomie und Hotellerie kein signifikantes Infektionsgeschehen", heißt es etwa beim Landesverband Bayern. Und schließlich mahnt der Bundesverband freier KfZ-Händler (BVfK) an, endlich den Flickenteppich "widersprüchlicher und uneinheitlicher Einzelverbote" in Deutschland zu beseitigen: Dürfen Außenflächen geöffnet werden? Wenn ja, sind sie auch für den Publikumsverkehr zugelassen? Dürfen überhaupt Autos dort präsentiert werden? Und was ist mit Probefahrten? All dieses gelte natürlich unter Einhaltung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen.

Viele Ideen, gemeinsames Anliegen

Ein gemeinsames Anliegen haben die unterschiedlichen Branchen: Die Politik müsse eine Öffnungsperspektive anbieten. Dass der Lockdown in ihren Wirtschaftszweigen wohl bis Ende Februar verlängert wird, das scheinen die meisten hinzunehmen. "Aber eine Öffnungsstrategie muss transparent und nachvollziehbar diskutiert werden", sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Genth. Und das zweite: Die Hilfen des Staates müssten endlich fließen. Das gilt vor allem für die Friseure. Die hätten die Soforthilfe aus dem Frühjahr zum großen Teil wieder zurückzahlen müssen, weil sie nur sechs Wochen statt der drei Monate hätten schließen müssen. Seither aber sei kein Geld geflossen, es gebe noch nicht einmal die Möglichkeit, die Anträge für die aktuelle Soforthilfe zu stellen. Die Verbände fürchten deshalb um die Überlebenschancen vieler Händler und Betriebe.

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