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PolitikAfrika

Junge Kenianer vor der Präsidentenwahl

Mariel Müller
7. August 2022

Kenias Präsidentschaftskandidaten umwerben junge Menschen, ihre Stimme abzugeben. Viele glauben jedoch nicht an die Versprechungen und wollen nicht wählen - dabei scheint das Ergebnis komplett offen.

Kenia Wahlen 2022
Bild: Boniface Muthoni/SOPA Images/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Viele Minibusse parken am Eingang des Kirigiti-Stadions in Kiambu Town, ein paar Kilometer nördlich der Hauptstadt Nairobi. Die Matatus, wie die Sammeltaxis genannt werden, transportieren Menschen aus den umliegenden Städten zu einer Kundgebung von Raila Odinga - er ist einer der beiden führenden Kandidaten bei den Präsidentenwahlen in Kenia am Dienstag (9. August). Amtsinhaber Uhuru Kenyatta darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten; Umfragen zufolge ist es ein offenes Rennen zwischen Vizepräsident William Ruto und dem früheren Ministerpräsidenten Odinga.

Vor dessen Kundgebung werden Westen, Trillerpfeifen und Mützen an die Menge verteilt. Viele Besucher erhalten auch eine "kleine Anerkennung" für ihr Erscheinen.

Davon profitiert auch John, ein junger Kenianer: "Wir wurden heute zum Stadion gebracht, um Raila Odinga anzufeuern und zu zeigen, dass er große Unterstützung hat. Ich habe kein Geld - also komme ich besser hierher, anstatt zu Hause zu bleiben", sagte John im DW-Interview. "Wenigstens bekomme ich etwas." Ihm wurden 1000 kenianische Schilling (etwa acht Euro) versprochen - eine Menge Geld in einem Land, in dem 34 Prozent der Menschen laut Weltbank mit weniger als knapp zwei Euro pro Tag auskommen müssen.

Hohe Jugendarbeitslosigkeit

John ist mit seiner Situation unzufrieden. Infolge der Pandemie ist er arbeitslos geworden. Seither kämpft der Kenianer, um über die Runden zu kommen. Er habe aber nicht vor, Raila Odinga zu wählen. Vielmehr unterstütze er Odingas Hauptgegner, William Ruto, den derzeitigen Vizepräsidenten Kenias. "Er hat uns versichert, dass wir als junge Menschen Arbeit bekommen werden", sagt John.

Warten auf Odinga: Der Kandidat schwebt per Helikopter in Kiambu einBild: Tony Karumba/AFP

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist für viele Menschen ein großes Problem: Schon vor der Pandemie waren rund fünf Millionen junge Kenianer arbeitslos, wie aus dem Zensus 2020 hervorgeht. Ihr Leben hat sich durch einen rasanten Anstieg der Lebensmittelpreise verschlechtert, Russlands Krieg in der Ukraine verschärft noch die Not. Auch eine verheerende Dürre und die Auswirkungen der Corona-Pandemie erschweren den Alltag. Viele sind daher hoch motiviert, an politischen Kundgebungen teilzunehmen, wenn sie im Gegenzug Geldgeschenke erhalten.

"Sie glauben nicht an das, was sie schreien"

Eine Studie der kanadischen McGill-Universität bescheinigte Kenia einen Spitzenrang innerhalb Subsahara-Afrikas beim Thema Stimmenkauf. Der kenianische Innenminister Fred Matiang'i sagte kürzlich, dass den Banken die 200-Schilling-Scheine ausgehen, "weil Politiker die Dorfbewohner bestechen".

Peter Mwai Kwami wirbt bezahlte Kampagnenbesucher wie John an. Unterstützer für Odinga seien schwer zu beschaffen, da junge Menschen eher mit Ruto in Verbindung gebracht würden, sagt Kamami im DW-Interview: "Ruto ist jung, energiegeladen, und kommt bei jungen Leuten besser an, da sie alle auf Suche nach einem besseren Leben sind", sagt Kamami.

Ist diese Begeisterung für Odinga in Kiambu echt oder bezahlt?Bild: TONY KARUMBA/AFP/Getty Images

Er selbst werde für Raila Odinga stimmen, sagt er. Aber die meisten Menschen, die Odinga anfeuern sollen, seien nur an dem Geld interessiert, das sie hinterher erhalten würden: "Sie glauben nicht an das, was sie schreien", sagt er. "Ihre Lautstärke hängt davon ab, wie viel Geld in ihre Taschen fließt."

Odinga erwähnt die Jugend nur einmal

Als Raila Odinga im Kirigiti-Stadion ankommt, sind noch viele Plätze frei. Odinga wirft einen Blick zurück in die Geschichte Kenias und erinnert die Zuhörer an eine historische Versammlung, die der spätere erste Präsident Jomo Kenyatta in diesem Stadion abhielt, bevor er 1952 - noch zu Zeiten der britischen Kolonialherrschaft - verhaftet wurde.

Raila Odinga will Martha Karua zur Vizepräsidentin machen - als Frau aus der bevölkerungsstärksten Ethnie der Kikuyu könnte sie dem Luo wichtige Wählergruppen erschließenBild: Simon Maina/AFP

Die Jugend erwähnt er in seiner Rede an das Volk nur einmal: "Diese Wahl wird für die Frauen und die Jugend sein. Kenia hat vier große Herausforderungen - Unwissenheit, Krankheit, Armut und Korruption", erklärt Odinga der Menge. "Wenn es uns gelingt, diese im Keim zu ersticken, werden wir vorankommen."

Ruto verspricht Unterstützung

Zwei Tage später tourt sein Gegenkandidat William Ruto durch den Bezirk Kiambu, der nach Stimmenzahl zweitgrößte Bezirk, direkt hinter Nairobi. In der Stadt Thika hält er mitten auf der Straße an und redet aus seiner Limousine heraus mit einigen Menschen.

William Ruto, derzeit Vizepräsident unter Uhuru Kenyatta, inszeniert sich als Gegenentwurf zum reichen EstablishmentBild: Boniface Muthoni/SOPA Images/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Die versammelte Menschenmenge ist kleiner, es gibt kein Stadion, keine Busse. Ruto spricht über ihren Alltag, denn sie haben mit hohen Lebensmittelpreisen zu kämpfen. "Sie werden unterstützt, indem sie Zugang zu den Mitteln der Regierung haben, ohne Zinsen zahlen zu müssen, ohne nach der Sicherheit gefragt zu werden - wir wollen die Geschäfte aller Menschen stärken", sagt er. "Wir werden von unten anfangen und nach oben gehen."

Wahlbeteiligung der Jugend sinkt

Das offene Rennen zwischen Odinga und Ruto könnten eigentlich die Stimmen der jungen Generation entscheiden. Drei Viertel der rund 55 Millionen Kenianer sind unter 35 Jahre alt. Jedoch haben sich nach Angaben der Wahlkommission nur etwa 40 Prozent der Jugendlichen des Landes haben sich für die Wahl registrieren lassen - nochmal fünf Prozentpunkte weniger als bei den vorherigen Wahlen.

Diese Männer und Frauen in Nairobis Slum Kibera haben sich schon im Februar als Wähler registrieren lassen - anders als viele AltersgenossenBild: Donwilson Odhiambo/Sopa/Zuma/picture alliance

Abseits der Menschenmassen sitzt Naomi Wanjiku Kibe in einem Café. Naomi ist eine 22-jährige Studentin der Elektrotechnik am Kiambu Institut der Wissenschaft und Technik. Die junge Frau sieht keinen Sinn darin, zur Wahl zu gehen: "Sie lügen, machen leere Versprechungen und treten nur in Erscheinung, wenn sie auf Stimmenfang sind", begründet sie ihren Wahlboykott im DW-Interview. "Danach sieht man sie nie wieder, bis sie zurückkommen, um einen erneut zu belügen." Wenn Ruto jetzt sage, er wolle Dinge ändern, dann hätte er das längst tun können", findet Naomi.

Adaptiert aus dem Englischen von Martina Schwikowski.

 

Kenia vor der Präsidentschaftswahl

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