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Politik

Italien auf dem Weg ins Patt

2. März 2018

Am Sonntag werden Italiens Wähler ihre Stimme vor allem für populistische Parteien abgeben. Für eine neue Regierung dürfte es keine klare Mehrheit geben. Wohin steuert das Land? Bernd Riegert berichtet.

Italien Silvio Berlusconi
Bild: Getty Images/AFP/P. Cruciatti

Italien steht laut der Umfragen der Meinungsforschungsinstitute vor einem gewaltigen Sieg der Populisten von links und rechts. Die stärkste Partei wird wohl mit knapp 30 Prozent der Stimmen die "Bewegung der 5 Sterne" werden, eine eher nach links neigende Protestpartei, die vor neun Jahren vom Komiker Beppe Grillo gegründet wurde. Inzwischen wird sie von dem erst 31 Jahre alten Luigi Di Maio angeführt, der über keine abgeschlossene Ausbildung verfügt. Die "5 Sterne" treten als Bewegung gegen das Establishment auf. Sie versprechen soziale Wohltaten, sind skeptisch gegenüber der EU und sehen die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten in Italien kritisch. "Ich glaube, dass unsere politische Kraft die größte sein wird und eine Regierung stellen wird", sagte Luigi Di Maio selbstbewusst im Gespräch mit der DW. "Die übrigen Staaten in Europa werden erkennen, dass die wahre Gefahr von Le Pen, der Alternative für Deutschland ausgeht. Dazu gehören wir nicht. Wir sind auf der linken Seite. Wir kämpfen gegen Salvini und die Lega Nord."

Luigi di Maio: "Wir kämpfen gegen Salvini und die Lega Nord"Bild: Reuters/A. Bianchi

Der Spitzenkandidat der "5-Sterne" nennt hier die Rechtspopulisten von der "Lega" und ihren ausländerfeindlichen Chef Matteo Salvini als größte Gegner. Salvini, der mit dem Motto "Italien zuerst" auftritt, hat ein Bündnis mit der konservativen "Forza Italia" von Silvio Berlusconi und mit den Neofaschisten, den "Brüdern Italiens", geschlossen. Diese rechtspopulistische Liste wird voraussichtlich mit 38 Prozent die stärkste Kraft im neuen Parlament, aber eine absolute Mehrheit der Sitze wohl verfehlen. Das dritte und kleinste Lager sind die Sozialdemokraten, die bislang regiert haben und auf nur noch 22 Prozent der Stimmen kommen dürften.

Koalitionen sind nicht vorgesehen

Alle drei Gruppen, "5 Sterne", rechte Liste und Sozialdemokraten haben Koalitionen ausgeschlossen. Das große Rätsel für italienische Wählerinnen und Wähler bleibt, wie auf diese Weise eine Regierung gebildet werden soll. Das äußerst komplizierte Wahlrecht ist da keine Hilfe, meint der Italien-Experte Lutz Klinkhammer im DW-Interview. "Die Kräfte würden sich vermutlich im Parlament gegenseitig blockieren", so Klinkhammer, der stellvertretender Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom ist. "Das könnte darauf hinauslaufen, dass man eine geschäftsführende Regierung hat, die sehr schnell versuchen wird, ein neues Wahlgesetz durch das Parlament zu bekommen, und dann auf Neuwahlen hinsteuern wird."

Der Präsident der EU-Kommission in Brüssel, Jean-Claude Juncker, warnte, man müsse sich "auf das schlimmste Szenario", nämlich auf ein handlungsunfähiges Parlament vorbereiten. Junckers Bemerkungen haben die Kosten für die Refinanzierung der überbordenden italienischen Staatsschulden kurzzeitig ansteigen lassen. Die Märkte sind nervös und das System instabil, denn die italienische Wirtschaft wächst nur langsam, der Bankensektor ist für Krisen anfällig. Wie die Staatsschulden von 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückgeführt werden sollen, darüber wurde im Wahlkampf kaum gesprochen. "Alle versprechen es, aber keiner hat ein Rezept", meint dazu der Wirtschaftsprofessor Ruggero Bertelli aus Siena im DW-Gespräch.

Palazzo Montecitorio in Rom: 316 Sitze im Parlament, die absolute Mehrheit ist das ZielBild: DW/Bernd Riegert

Wiederauferstehung des Steuerhinterziehers

Für den ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, der inzwischen 81 Jahre alt ist und damit 50 Jahre älter als der Spitzenkandidat der "5 Sterne", könnte die Wahl zu einem riesigen Comeback werden. Eigentlich darf Berlusconi kein politisches Amt mehr bekleiden, seit er wegen Steuerbetrugs verurteilt wurde. Trotzdem steuert er die rechte Liste, die von seiner konservativen "Forza Italia" angeführt wird. Alle Skandale aus der Vergangenheit um Bunga-Bunga-Orgien, um mutmaßlichen Sex mit der minderjährigen Prostituierten Ruby oder fragwürdige Geschäften mit ehemaligen Diktatoren konnten dem Medienunternehmer und Multimilliardär Berlusconi nichts anhaben. "Teile der Regierung und einige Institutionen haben mich mit schmierigen, falschen Beleidigungen angegriffen. Die Menschen merken aber, dass diese Gerede über Bunga-Bunga, die Parties usw. alles Lügen waren, die erfunden wurden von interessierter Seite, um den politischen Gegner auszuschalten", sagte Berluconi in einem Fernsehinterview.

Diese Opferrolle nehmen dem ewig Lächelnden viele Wähler wohl ab. Seine Partei liegt in Umfragen bei rund 16 Prozent und ist so die stärkste Kraft im rechten Lager. Mit Neo-Faschisten und Rechtspopulisten hat Berlusconi keine Berührungsängste. Er geht fest davon aus, dass ein von ihm ausgewählter Ministerpräsident die nächste Regierung anführen wird. Berlusconi verspricht Steuererleichterungen und Arbeitsbeschaffung für die vielen arbeitslosen Jugendlichen. Wie er das finanzieren will, verrät er nicht.

Italiens Probleme bleiben

Die voraussichtlich großen Stimmenanteile von Populisten und Protestparteien auf der linken wie rechten Seite sieht der Bürgermeister von Palermo sehr skeptisch. Im ärmeren Süden Italiens werden die Wahlen wohl entschieden, vermutet Leoluca Orlando. Seine Partei, die regierenden Sozialdemokraten, habe nur bescheidene Chancen, sagte er der DW in Palermo. "Ich denke, alle Populisten sind anfällig für ein Risiko, dass ich 'Mafia' nennen würde. Die Populisten kennen sich mit Regierungsführung nicht aus. Sie könnnen negativ beeinflusst werden", vermutet der Bürgermeister der sizilianischen Stadt, der zeitlebens gegen die Mafia gekämpft hat. Er sage ja nicht, dass Silvio Berlusconi ein Mafioso sei, aber das politische Klima verändere sich eben. "Ich sage aber, dass die Kultur Berlusconis genau das ist, was die Mafia braucht."

Leoluca Orlando: "Alle Populisten sind anfällig für ein Risiko, dass ich 'Mafia' nennen würde"Bild: DW/D. Pundy

Italien wird nach den Wahlen nicht gleich im Chaos versinken oder wirtschaftlich einbrechen. Italien bleibt die drittgrößte Volkswirtschaft in der Euro-Zone. "Daran wird sich auch nach den Wahlen kaum etwas ändern", meint Lutz Klinkhammer vom Deutschen Historischen Institut in Rom. "Die Probleme, die anstehen, sind mittel- und langfristig. Es geht um Investitionen. Es geht vor allem darum, dass für die junge Generation keine Perspektiven da sind und deshalb sehr viele ins Ausland gehen, gerade die gut Ausgebildeten."

Am Sonntag schließen die letzten Wahllokale in Rom um 23 Uhr (MEZ). Verlässliche Hochrechnungen gibt es wegen des komplizierten Wahlsystems frühestens zwei Stunden später. Die endgültige Sitzverteilung in beiden Kammern des Parlaments wird erst am Montagmorgen feststehen.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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