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Vor EU-Gipfel: Merz für Nutzung russischer Gelder

17. Dezember 2025

Bundeskanzler Merz verteidigt seine aktive Rolle im Streit um einen Frieden in der Ukraine. Und er besteht auf der Nutzung des eingefrorenen russischen Vermögens für das angegriffene Land.

Deutschland Berlin 2025 | Friedrich Merz hält Regierungserklärung vor EU-Ratstreffen
Bundeskanzler Friedrich Merz: Regierungserklärung im BundestagBild: Nadja Wohlleben/Getty Images

Als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) diesen Mittwoch im Deutschen Bundestag über das Jahr 2025 spricht, gibt es kaum wirklich gute Nachrichten: Geopolitisch gebe es tiefe Erschütterungen, so der Regierungschef. Das deutsche Verhältnis zu den USA habe sich grundlegend gewandelt. Nach wie vor wüte in der Ukraine ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg durch Russland.  Handelskriege belasteten die deutsche Wirtschaft, die auch "wegen Versäumnissen in der Vergangenheit" im Inland in schwere Gewässer geraten sei.

Alles schlechte Nachrichten also. Auch in Deutschland würden viele Gewissheiten nicht mehr gelten. Von einem Epochenbruch spricht Kanzler Merz, davon, dass die globale Ordnung durch eine Unordnung ersetzt worden sei. Deutschland müsse auf all das aktiv reagieren, so der Kanzler: "Wir dürfen nicht dabei zusehen, wie die Welt neu geordnet wird. Wir sind kein Spielball von Großmächten."

Merz spricht von "großer Dynamik" der letzten Gespräche

Im Moment meint Merz damit vor allem die deutsche Rolle im Ringen um einen Frieden in der Ukraine. Die Frage also, wie es zu einem "gerechten Frieden" kommen kann, wie der Kanzler das nennt.

Am vergangenen Wochenende und am Montag hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Unterhändlern des US-Präsidenten Donald Trump  in Berlin über einen Friedensplan beraten. Auf Initiative des Kanzlers.

"Hohe Dynamik in den letzten Tagen" : Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Bundeskanzler Merz am Montag in BerlinBild: Tobias Schwarz/AFP

Merz spricht jetzt von einer "großen Dynamik", die bei den Gesprächen entstanden sei. Immer wieder sei er aufgefordert worden, nicht nur Waffen an die Ukraine zu liefern, sondern auch der Diplomatie eine Chance zu geben, so Merz. Jetzt ruft der Kanzler in den Saal: "Mehr Diplomatie als von Berlin aus in den letzten Tagen und Stunden geht nicht."

Merz will EU-Beschluss zu russischen Vermögenswerten

Im Zentrum der nächsten Tage und Stunden steht dabei der EU-Gipfel in Brüssel diese Woche Donnerstag und Freitag. Und nicht nur Merz meint, der könne entscheidend werden für das Schicksal der Ukraine: "Es geht auch um ein klares Signal an Russland, dass wir die Vermögenwerte, die hier liegen, auch nutzbar machen,  um dazu beizutragen, diesen Krieg so schnell wie möglich beenden."

In Interviews vor seiner Regierungserklärung hatte Merz die Chancen auf so einen Beschluss in Brüssel noch in dieser Woche auf 50 zu 50 beziffert.

Und darum geht es: Eine Mehrheit der 27 EU-Regierungen ist dafür, dass rund 210 Milliarden Euro an russischen Vermögen in der EU genutzt werden, um die Ukraine in den nächsten Jahren finanziell zu unterstützen. Beim Wiederaufbau, aber auch beim Kauf moderner Waffen.

Damit das rechtlich keine Enteignung ist, sollen EU-Anleihen in gleiche Höhe aufgenommen und durch die eingefrorenen Konten abgesichert werden. Zunächst ist dabei eine Summe von rund 90 Milliarden Euro im Gespräch. Russland hat bereits damit begonnen, rechtlich gegen einen solchen Schritt vorzugehen.

"Das ist nicht unser Krieg", meint AfD-Chef Tino ChrupallaBild: Niklas Treppner/dpa/picture alliance

Klare Gegner und Bedenken aus Belgien

So wie der Kanzler von entscheidenden Stunden spricht, sehen das auch seine konservativen Parteifreunde in Brüssel. So sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diesen Mittwoch vor dem EU-Parlament: "Es gibt nichts Wichtigeres für die europäische Verteidigung als die Unterstützung der ukrainischen Verteidigung."

Und der Vorsitzende der konservativen Parteienfamilie EVP im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU) sagte, es wäre schon ein historisches Versagen, wenn sich der EU-Gipfel nicht auf die Verwendung der russischen Gelder einigen könnte.

Helfen kann den Befürwortern dieses Schrittes, dass die Einigung im EU-Rat mit einer qualifizierten Mehrheit fallen kann, also nicht einstimmig erfolgen muss. Wichtig ist das deshalb, weil die Regierungen in Ungarn und der Slowakei bereits ihr Nein angekündigt haben. Italien zeigt sich ebenfalls skeptisch.

Auch Belgien hat erhebliche Bedenken, weil ein Großteil der Gelder aus Russland in dem kleinen westeuropäischen Land liegt. Die dortige Regierung befürchtet nicht zu Unrecht, zum Ziel russischer Racheakte zu werden. Aber auch die amerikanische Regierung lehnt die Verwendung der Gelder in der jetzigen Form ab.

AfD: "Das ist nicht unser Krieg"

Stärkste Oppositionskraft im Bundestag ist die in Teilen rechtsextreme "Alternative für Deutschland" (AfD).  Deren Parteichef Tino Chrupalla  sagte nach der Rede des Kanzlers, er sei strikt gegen die Verwendung der russischen Gelder. Er habe schon vor Jahren gesagt, dass die Ukraine den Krieg nicht gewinnen könne: "Es war und ist nicht unser Krieg", sagte Chrupalla.

Unterstützung kam dagegen von den oppositionellen Grünen. Deren Fraktionschefin Katharina Dröge kündigte an, sollte der Bundestag über die Frage der russischen Vermögen abstimmen, würde ihre Partei zustimmen. 

Kanzler Merz hat sich an die Spitze der Befürworter der Nutzung der russischen Gelder für die Ukraine gesetzt. Jetzt muss er in Brüssel beweisen, dass er eine Mehrheit dafür schmieden kann. Sonst würden seine ersten acht Monate als Bundeskanzler zum Jahresende mit einer schweren Niederlage enden.