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Glaube

Vor Gott sind alle Jecken gleich

5. Dezember 2023

11.11. 11:11 Uhr: Wo kurz vorher noch der St. Martinszug durch die Straßen zog, streifen nun kostümierte Karnevalist*innen umher und eröffnen die fünfte Jahreszeit. Doch was verbindet die Kirche mit dem Karneval?

Deutschland Karnevalisten auf Dombrücke Rosenmontagszug 2023
Bild: Christoph Hardt/Panama Pictures/IMAGO

Orte wie Köln sind zum Auftakt des „Fastelovend“ wie ausgewechselt und bunt maskierte Jecke (Kölsch für Karnevalisten) tummeln sich rund um den Dom. Aus den Lautsprechern schallen die bekanntesten Karnevalslieder und es wird ausgelassen gefeiert. Auch in meinem Heimatort Heimbach-Weis ist der Karneval ein fester Bestandteil der Dorfkultur. 

Genauso gehört die Kirche, nicht nur als optisch markanter Punkt, fest zu meinem Ort.  
Zwar war auch mir zunächst die historische Verbindung des Karnevals zur katholischen Kirche nicht klar, aber für mich ging beides schon immer Hand in Hand. Kaum ist der St. Martinsumzug vorbei und die Martinsbrezel gegessen, werden die Laternen gegen Kostüme eingetauscht und erste Karnevalssitzungen abgehalten. Die Personen, die am lautesten die Hits der Jecken mitsingen, sind gleichzeitig die treusten Kirchgänger*innen.

Auch der Pfarrgemeinderat wird fast ausschließlich von blühenden Karnevalist*innen bestückt. Da wundert es kaum, dass der alljährliche Karnevalsgottesdienst die meisten Besucher*innen im Jahr verzeichnet. Doch passen Karneval und die katholische Kirche wirklich zusammen? 
Sicherlich entspricht das Feiern der Jecken nicht unbedingt dem Bild eines „guten“ Katholiken und auf den ersten Blick könnte beides nicht unterschiedlicher sein. Doch das täuscht, wie ich finde: 
 
Noch weit vor dem 11.11 starten die Vorbereitungen für die Karnevalssitzungen und -umzüge. In den Wagenbauhallen und Nähstuben arbeiten hunderte von Menschen an Kostümen und Wagen, die anderen Freude bereiten werden. An einem Tag wurden noch Plätzchen gebacken und das Haus festlich für die Adventszeit geschmückt. Am nächsten Tag gesellen sich zu der Adventsdeko Pailletten und Stoffreste, weil die ersten Kostüme durch die Nähmaschinen rattern. Und immer dabei: die Vorfreude auf die tollen Tage.  

Ähnlich wie im Advent alles für die festlichen Weihnachtstage bereit gemacht wird, stecken viele Menschen Stunden und Tage an Arbeit in die Vorbereitung der Karnevalstage. Geld verdient man damit nicht, ganz im Gegenteil. Salopp gesagt machen die Christ*innen und die Karnevalsjecke alles nur aus Spaß an der Freud. Genau das ist für mich die erste Parallele und ein grundlegend christlicher Gedanke. In beiden Fällen schenke ich meine Zeit und Energie, um ein fulminantes Fest zu ermöglichen Denn es ist mir ein tiefes Bedürfnis in einer Gemeinschaft zu leben, wo Freude der Kern des Miteinanders ist.  
 
Der Karneval richtet sich kalendarisch nicht ohne Grund nach dem christlichen Osterfest. Nach den tollen Tagen folgt der Aschermittwoch und damit startet die Fastenzeit. Die Karnevalstage wurden im ursprünglichen Verständnis als Vorbereitung für die Fastenzeit angesehen. Bevor das Leben von Bescheidenheit und Ruhe geprägt sein sollte, wurde nochmal richtig gefeiert. Die wenigsten Karnevalist*innen halten noch eine Fastenzeit ab, aber in meinem Dorf ist diese Verbindung noch klar zu spüren. Ein großer Teil der Menschen, der am Vortag noch kostümiert durch die Straßen zog, sitzt am nächsten Tag in der Messe, um sich das Aschekreuz abzuholen und bereitet die ersten Aktionen für die Fastenzeit vor. Aber auch schon während der Karnevalstage tauscht man sich etwa beim gegenseitigen Schminken darüber aus, worauf man in der kommenden Fastenzeit verzichten möchte. Der Glaube ist somit auch während des Karnevals immer präsent.  
 
Ein weiterer Charakterzug, der sich in meinen Glauben einfügt, ist der Gedanke der jecken Gemeinschaft. Im Karneval sind alle Menschen verkleidet. Das Individuum geht in der Masse unter. Es geht nicht um den Einzelnen, sondern nur zusammen kann diese besondere Wirkung der Kostüme erzeugt werden. Sonst wäre es nur ein einzelner Verrückter, der sich außerhalb der Norm kleidet. Ohne die anderen geht es nicht. Das trifft für mich auch auf die Gemeinschaft im Glauben zu. Ohne mein Gegenüber, wäre der Glaube einsam und trist. Im Gebet und in der Messe geht es nicht nur um meine persönliche Beziehung zu Gott, sondern auch darum, dass ich meinen Glauben mit anderen teile – mit einer Gemeinschaft, die trotz aller Unterschiede durch Gott und im Glauben verbunden ist. Und vor Gott sind wir alle gleich. Es ist egal wo ich herkomme, wer ich bin und wie ich aussehe. Diese Idee sehe ich auch im Karneval. Die einzelnen Jecken sind in ihren Kostümen nicht sofort zu erkennen. Man sieht nicht wie arm oder reich jemand ist und man kann sein, wer man möchte. Man ist ein gleicher Teil von etwas Größerem.

Das hat auch schon die bekannte Kölner Band Kasalla erkannt und singt in einem Lied:  
Un mer sin jeder vum Mosaik ne Stein 
Mer zesamme, mer sin Eins 
(Deutsch: Und wir sind jeder ein Stein vom Mosaik, wir zusammen, wir sind Eins) 
 
Das ist für mich der Kern von Karneval, abseits von Alkoholexzessen und wilden Partys. Das ausgelassene Feiern gehört natürlich dazu, jedoch ist es nicht alles. Denn hier geht es um die Gemeinschaft, das Schaffen gemeinsamer Erinnerungen, die für lange Zeit nachhallen werden und so die Fastenzeit umso intensiver erlebbar machen. Mit diesem Gedanken gehe ich nun in die fünfte Jahreszeit und freue mich darauf im Kostüm und bunt geschminkt als Ruf vor dem Evangelium das Halleluja von den Brings zu singen. 

Susanna Laux 

 
Kurzvita: 
Susanna Laux, geboren 1997 in Neuwied. Aufgewachsen in Neuwied-Heimbach-Weis. Bachelorstudium der französischen Kulturwissenschaft und interkulturellen Kommunikation an der Universität des Saarlandes und Masterstudium der demokratischen Politik und Kommunikation an der Universität Trier. Seit Oktober 2023 Volontärin bei der Katholischen Hörfunk- und Fernseharbeit über die katholische Journalistenschule (IFP) in München.  

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.

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