Irans harte Abrechnung mit einer Journalistin
6. Oktober 2016Narges Mohammadi soll am internationalen Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember, den Menschenrechtspreis der Stadt Weimar erhalten. Für ihren "langjährigen, lebensgefährlichen und außergewöhnlich mutigen Einsatz" für das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie für ihren Einsatz gegen die Todesstrafe im Iran. Narges Mohammadi wird den Preis nicht persönlich entgegennehmen können. Die Journalistin und Sprecherin der einzigen und inzwischen verbotenen Menschenrechtsorganisation im Iran ist im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert.
Mohammadi wurde ein Treffen mit der früheren EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton zum Verhängnis. Im März 2014 hatte sie Ashton in Teheran getroffen. Zu diesem Treffen nahm sie eine alte Frau mit, die ihren Sohn verloren hatte. Der Sohn war Arbeiteraktivist und Blogger und wurde wegen angeblicher "Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit in sozialen Netzwerken" verhaftet. Fünf Tage nach der Festnahme wurde seine Familie von den Behörden aufgefordert, die Leiche des 35-Jährigen im Teheraner Evin-Gefängnis abzuholen. Seit seinem Tod trägt seine Mutter ein Foto von ihm mit sich herum. Sie verlangt Gerechtigkeit.
Mohammadi wollte der Weltöffentlichkeit zeigen, wofür sie kämpft: gegen Willkürjustiz gegen Andersdenkende, für Meinungsfreiheit und für ein unabhängiges Rechtssystem. Nach ihrem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten sahen die iranischen Behörden rot. Der Justizchef höchstpersönlich warnte Mohammadi und westliche Politiker: Sollten sich solche Treffen wiederholen, werde die Justiz dagegen einschreiten.
16 Jahre Haft
Narges Mohammadi wurde vor Gericht gestellt: Wegen "Verbreitens von Propaganda gegen das System", "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" und der "Gründung der gesetzeswidrigen Gruppe für die Abschaffung der Todesstrafe".
Im Mai 2015 wurde die zweifache Mutter verhaftet, trotz schwerer Krankheit. Narges Mohammadi leidet an Lähmungserscheinungen. Im Mai 2016 wurde sie zu insgesamt 16 Jahren Gefängnis verurteil. Trotz internationaler Proteste Ende September wurde das harte Urteil von der Berufungsinstanz bestätigt.
"Wegen ihres mutigen Einsatzes für die Menschenrechte will die Justiz sich an ihr rächen," sagt Mohammadis Ehemann Taghi Rahmani im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der politische Journalist hat selbst 14 Jahre seines Lebens hinter Gittern verbracht. Heute lebt er im Pariser Exil. "Der Iran hat wichtige völkerrechtlich bindende Verträge ratifiziert. Zu den Vertragspartnern gehören fast alle Staaten der Erde. Die Islamische Republik bricht diese Verträge ständig. Sie respektiert nicht einmal ihre eigene Gesetze," sagt Rahmani.
Die Festnahme und gewaltsame Unterdrückung von Frauen, die ihr Recht auf friedliche Versammlung ausüben, sowie die Verhängung von harten Strafen gegen diese Frauen gehören zum Alltag im Iran.
Im Fall Narges Mohammadi hält sich die Justiz nicht einmal an das Strafgesetz der Islamischen Republik: Denn das im Mai 2013 in Kraft getretene neue iranische Strafrecht verbietet die Addierung von Gefängnisstrafen; nur die längste Haftstrafe gilt.
Narges Mohammadi wurde zu zehn Jahren Haft wegen ihres Einsatzes für die Abschaffung der Todesstrafe verurteilt, zu weiteren fünf Jahren wegen "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" und zu noch einem Jahr zusätzlich wegen "Verbreitens von Propaganda gegen das System".
Druck von außen ist wirksam
Die Europäische Union fordert vom Iran die Freilassung der Aktivistin. In einer Stellungnahme teilt die EU mit: "Das jüngste Gerichtsurteil zur Bestätigung der Gefängnisstrafe von Narges Mohammadi sendet ein besorgniserregendes Signal zur Menschenrechtslage im Land." Die EU bekräftigt ihre Forderung an die iranischen Behörden, ihre internationalen Menschenrechtsverpflichtungen zu erfüllen.
Auf diese Forderung reagiert der Iran gereizt. Es sei nicht klug, sich vor dem geplanten Menschenrechtsdialog in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen, hieß es aus dem iranischen Außenministerium. Dabei erklärte sogar der erzkonservative iranische Justizchef Sadegh Laridschani Anfang August: "Wir sind auch bereit, über Menschenrechte zu reden". Ein genauer Termin für diese Verhandlungen wurde nicht genannt. Es ist auch nicht klar, worüber geredet werden soll, wenn die lange Haftstrafe für die Menschenrechtsaktivistin eine interne Angelegenheiten sein soll.
"Druck von außen hat immer etwas bewirkt", urteilt Abdolkarim Lahidschi, Vizepräsident der "Internationalen Vereinigung für Menschenrechte" im Gespräch mit der Deutschen Welle. Als Beispiel nennt er Nasrin Sotoudeh. Die iranische Menschenrechtsaktivistin hatte 2012 den europäischen Sacharow-Preis gewonnen. Sotoudeh wurde im September 2013 völlig unerwartet aus dem Evin-Gefängnis in Teheran entlassen. Eine Delegation aus der Europäischen Union wollte ihr den Preis überreichen - in Teheran. "Wir haben in einem Brief an die Europäische Union die europäischen Politiker aufgefordert, bei ihren Reisen nach Iran Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft einzuplanen, selbst wenn diese im Gefängnis sitzen. Die Kontakte müssen aufrechterhalten werden", so der Vizepräsident der "Internationalen Vereinigung für Menschenrechte".