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PolitikEuropa

Polen und Litauen: NATO verstärkt Präsenz

Monika Sieradzka | Witold Janczys
8. Februar 2022

Angespannte Lage an der NATO-Ostflanke: Kurz vor einer gemeinsamen Militärübung von Russland und Belarus kündigt Deutschland an, 350 zusätzliche Soldaten nach Litauen zu schicken. Die USA haben 1700 nach Polen verlegt.

Bundeswehrsoldaten in Litauen
Angehörige des NATO-Kampfverbands "Enhanced Forward Presence" in Litauen mit der Bündnis-Fahne Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Bald werden weitere Bundeswehrsoldaten in Litauen ankommen: "Soeben haben wir den Bundestag darüber informiert, dass wir schnell bis zu 350 zusätzliche SoldatInnen zur #eFP-Battlegroup nach Litauen verlegen können", twitterte das Bundeverteidigungsministerium am 7. Februar 2022.

Bereits am 6. Februar 2022 hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt, dass Gespräche über eine Verstärkung des "Enhanced Forward Presence"-Kampfverbands des Bündnisses in Litauen mit dem Verteidigungsressort des NATO- und EU-Landes geführt würden. Lambrechts litauisches Pendant Arvydas Anusauskas bestätigte die entsprechenden Pläne auf seinem Facebook-Profil.

Bundewehr-Oberstleutnant Hagen Ruppelt, der Kommandeur des in Litauen stationierten NATO-Bataillons, sagte in einem Interview mit dem litauischen Staatsfernsehen LRT: "Meiner Einschätzung nach wird die Zahl der Bundeswehrsoldaten in Litauen in den kommenden zwei Jahren auf 1400 bis 1500 wachsen." Bisher befinden sich etwa 1200 Soldaten aus NATO-Staaten in dem NATO- und EU-Mitgliedsland an der Ostsee, die Hälfte davon hat die Bundeswehr entsandt.

Die Bundesrepublik ist nicht der einzige NATO-Staat, der seine Militärpräsenz im Baltikum erweitern will. Ende Januar 2022 landeten vier dänische F-16-Kampfjets auf dem litauischen Militärflughafen Siauliai, um die NATO-Mission Baltic Air Policing bei der Überwachung des Luftraumes der baltischen Staaten zu unterstützen.

Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit

Andrzej Pukszto, Politikwissenschaftler an der Vytautas-der-Große-Universität in Kaunas, ist nicht überrascht von deutschen Plänen, zusätzliche Soldaten nach Litauen zu schicken: "Litauen hat sich konsequent dafür eingesetzt, dass Deutschland seine Militärpräsenz verstärkt." Die Anwesenheit der Bundeswehr sei "das Ergebnis einer langjährigen und konsequenten Zusammenarbeit zwischen Litauen, den anderen baltischen Ländern und Deutschland", so Pukszto gegenüber der DW.

 

Linas Kojala, Politikwissenschaftler und Leiter der litauischen Denkfabrik Zentrum für Osteuropastudien, sieht in der in Aussicht gestellten Verstärkung der deutschen Truppen einen Beweis dafür, dass die NATO die Sicherheitsprobleme der baltischen Staaten ernst nimmt. Er betont gegenüber der DW: "Die Entscheidung westlicher Länder, die Truppenpräsenz hier, aber auch in Ländern wie Rumänien zu verstärken, ist eine Reaktion auf die aggressiven politischen und militärischen Aktionen von Russland und Belarus."

Hand in Hand: Moskau und Minsk

Die Fronten zwischen Litauen und Belarus hatten sich zuletzt verhärtet, nachdem Vilnius Anfang 2022 den Import von Düngemitteln des belarussischen Kaliumproduzenten Belaruskali zum 1. Februar 2022 verboten hatte. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko reagierte am 31. Januar 2022 mit einer Drohung an die Adresse des Nachbarlandes: "Gott verhüte, dass ihr und die anderen baltischen Staaten einen Krieg entfesselt - er wäre das Ende eurer Staatlichkeit und Unabhängigkeit."

Fallschirmjäger aus Russland und Belarus bei einer Militärübung nahe der polnischen Grenze im September 2020Bild: Russian Defense Ministry Press Service/dpa/picture-alliance

Moskau und Minsk planen derzeit eine groß angelegte gemeinsame Militärübung, die am 10. Februar 2022 starten soll. Der Kreml spricht von 13.000 teilnehmenden russischen Soldaten in Belarus, laut NATO ist die Zahl jedoch weit größer. Zudem hat Russland bereits vor Wochen rund 100.000 Soldaten an seiner Grenze zur Ukraine zusammengezogen.

"Eisernes Bündnis": Polen und die USA

Angesichts dieser angespannten Lage wollen auch die USA dabei helfen, die NATO-Ostflanke zu stärken. Am 2. Februar 2022 kündigte das Pentagon eine vorübergehende Aufstockung der US-Truppen in Europa an: 1700 Soldaten werden nach Polen verlegt, weitere 300 nach Deutschland - und etwa 1000 von dort aus nach Rumänien.

Ankunft von US-Soldaten auf dem Flughafen von Jasionka am 5. Februar 2022Bild: Patryk Ogorzalek/Agencja Wyborcza.pl/REUTERS

Am Wochenende des 5./6. Februar 2022 landeten US-Militärflugzeuge mit Angehörigen der 82. US-Luftlandedivision aus Dover (Delaware) auf dem Flughafen Jasionka im Südosten Polens. Ihr Kommandeur, General Christopher Donahue, sagte nach der Ankunft, seine Truppe sei nach Polen verlegt worden, "um die Bereitschaft und Interoperabilität der Verbündeten in allen Bereichen zu stärken und, falls erforderlich, das NATO-Bündnis zu verteidigen". Donahue bekräftigte das "eiserne Bündnis", das zwischen den beiden Völkern bestehe.

"Abschreckung und Solidarität sind die beste Antwort auf die aggressive Politik Moskaus, auf den aggressiven Versuch, das russische Imperium wieder aufzubauen", meint auch Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak. Er betont, dass US-Soldaten schon häufig mit polnischen Kameraden Übungen durchgeführt hätten. Das aktuelle gemeinsame Operationsgebiet sei der Südosten Polens, "die NATO-Ostflanke, also die östliche Grenze Polens".

Die europäische Sicherheit und die USA

Für Polens Außenminister Zbigniew Rau belegen die NATO-Truppenverlegungen, dass das Versprechen, innerhalb des Bündnisses solle nichts über den Kopf der Betroffenen hinweg entschieden werden, keine leere Floskel ist. "Wir müssen damit rechnen, dass wir russische Truppen im Kaliningrader Gebiet auf der einen und in Belarus auf der anderen Seite haben werden", so Rau gegenüber der polnischen Presseagentur PAP.

Polens Außenminister Zbigniew RauBild: Attila Husejnow/SOPA Images via ZUMA Press/picture alliance

Grundlegende Sicherheitsfragen, insbesondere die Bedrohung durch Russland, gehören zu den wenigen Bereichen, in denen das Regierungslager um die Partei PiS und die meisten Oppositionsparteien in Polen mit einer Stimme sprechen. Auch in der Frage der Präsenz der US-Truppen in dem NATO- und EU-Land besteht ein breiter Konsens.

Tomasz Siemoniak, Vizechef der oppositionellen Partei Bürgerplattform (PO) und 2011-2015 Verteidigungsminister Polens, meint, die Entscheidung, zusätzliche Truppen nach Polen zu verlegen, zeige, "dass die NATO lebt". Russland reagiere "nervös", weil Moskau wohl davon ausgegangen sei, die USA seien mit China befasst und die Biden-Administration generell schwach. Jetzt zeige sich, ähnlich wie nach der Krim-Annexion 2014, dass die USA sehr schnell reagieren würden. "Das ist ein Beweis, dass es keine europäische Sicherheit ohne die USA gibt", so der liberale polnische Politiker im Interview mit dem Sender TVN24.

US-Soldaten sind in Polen willkommen

Die polnische Bevölkerung unterstützt die Stationierung von US-Truppen in Polen laut Umfragen aus den vergangenen Jahren zu 70 Prozent. Die Meinungsforschungsagentur SW Research fand zudem im Dezember 2021 heraus, dass 61,9 Prozent der Polinnen und Polen im Falle einer russischen Invasion in der Ukraine dafür wären, dass die NATO das Nachbarland unterstützt. 13 Prozent lehnen dies ab.

Nach der Krim-Annexion 2014 hatten die USA eine Debatte über eine Stärkung der NATO-Präsenz in Europa initiiert. Auf dem NATO-Gipfel im Juli 2016 fiel die Entscheidung, NATO-Einheiten über ein Rotationsverfahren in Osteuropa zu stationieren, in dessen Rahmen sich derzeit 4500 US-Soldaten im Rahmen der NATO-Aktion Enhanced Forward Presence in Polen aufhalten.

Im nordpolnischen Redzikowo wird derweil eine Komponente des US-Raketenabwehrsystems Aegis Ashore fertiggestellt, die Ende 2022 einsatzbereit sein wird. Andere Teile des sogenannten Raketenschilds der NATO sind seit fünf Jahren auch in Rumänien im Einsatz. Der russische Präsident Wladimir Putin hat diese Systeme wiederholt als Bedrohung für Russland bezeichnet.