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Politik

Vorerst keine Kampfdrohnen für die Bundeswehr

Nina Werkhäuser
11. Dezember 2020

Die Bundeswehr fordert dringend die Anschaffung bewaffneter Drohnen. Doch die in Berlin mitregierenden Sozialdemokraten verweigern ihre Zustimmung. Was bedeutet das für Deutschlands Streitkräfte?

Drohne Heron TP für Deutschland: Erfolgreicher Testflug in Israel
Die Bundeswehr erwartet fünf neue Drohnen vom Typ Heron TP, die in Israel gebaut werdenBild: Israeli Ministry of Defense/dpa/picture alliance

Aus Sicht der Bundeswehr könnte der Zeitpunkt günstiger nicht sein: In den nächsten Monaten bekommen die deutschen Streitkräfte fünf neue Drohnen vom Typ Heron TP. Die Drohne kann mehr als 30 Stunden am Himmel kreisen, ferngesteuert aus einer Bodenstation. Auch bei schlechtem Wetter sendet die Heron TP, die vom israelischen Rüstungskonzern "Israel Aerospace Industries" gebaut wird, in Echtzeit Bilder von Häusern, Autos oder Menschen zur Erde.

Für diese neuen Drohnen, fordert die Bundeswehr, müsse man die passenden Waffen schnellstmöglich dazukaufen. Das sind Raketen, die Ziele am Boden bekämpfen können. Noch vor Weihnachten, so war der Plan, sollte der Bundestag für den Kauf dieser Raketen grünes Licht geben. Das Verteidigungsministerium hatte den Kaufvertrag schon vorbereitet.

SPD-Spitze hat Bedenken

Doch aus der Bewaffnung der Drohnen wird vorerst nichts: Nachdem die in der großen Koalition mitregierenden Sozialdemokraten zuletzt Signale der Zustimmung ausgesandt hatten, äußerte sich die Parteispitze nun ablehnend. "Die Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn", erklärte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. Und bemängelte, dass noch nicht ausreichend über das Thema debattiert worden sei.

Im Bundestag stieß diese Haltung auf Unverständnis, sowohl bei Befürwortern als auch bei Gegnern der Bewaffnung. Sie wiesen darauf hin, dass seit Jahren über diesen Punkt kontrovers diskutiert werde. "Die Argumente in dieser Frage sind ausgetauscht", konstatierte Tobias Lindner von den Grünen am Mittwoch (9.12.2020) in der Debatte über den Wehretat. Man könne für oder gegen die Bewaffnung der Drohnen sein, sagte er an die Adresse der Sozialdemokraten, aber man müsse sich entscheiden.

Bisher stehen der Bundeswehr nur unbewaffnete Aufklärungsdrohnen zur Verfügung, hier eine Heron 1 in MaliBild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

"Verdammt zum Zusehen"

Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) reagierte frostig auf die Einwände der SPD-Spitze. Ihr Haus hatte, auch auf Wunsch der Sozialdemokraten, in den vergangenen Monaten Diskussionsrunden zur Bewaffnung der Drohnen organisiert. Soldaten, Völkerrechtler, Verteidigungsexperten und Politiker waren eingeladen, ihre Argumente auszutauschen.

In diesen Anhörungen schilderten Soldaten, wie sie mithilfe von Aufklärungsdrohnen Angriffe auf Lager oder Patrouillen der Bundeswehr beobachtet hätten. Doch sie hätten nichts dagegen tun können. Die Bundeswehr nutzt die unbewaffnete Heron 1, den Vorgänger der Heron TP, in ihren Einsätzen in Afghanistan und Mali.  

Dieses "Verdammtsein zum Zusehen" sei für die Drohnen-Piloten "eine besonders belastende Situation", hatte André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, in einer Anhörung im Bundestag im Oktober beklagt. Mithilfe von Kampfdrohnen könnten Feldlager, Konvois und Patrouillen im Auslandseinsatz besser geschützt werden.

Bisher müssen in Gefahrensituationen Kampfflugzeuge angefordert werden und zum Ort des Geschehens fliegen. Dabei kann wertvolle Zeit verstreichen. Bekomme die Bundeswehr keine Kampfdrohnen, kritisierte Verteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, "setzen wir fahrlässig das Leben von Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel". Die Christdemokraten treten schon lange für die Bewaffnung der Drohnen ein.

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer möchte die Bundeswehr mit Kampfdrohnen ausrüsten, doch der Koalitionspartner zieht nicht mitBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Besserer Schutz der Soldaten

Das Schutz-Argument hat im Bundestag viele Anhänger. In anderen Armeen seien bewaffnete Drohnen längst eine Selbstverständlichkeit, betonte Henning Otte, der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Es sei "unmoralisch, unseren Soldaten Technologie zu verwehren, die Mensch und Leben schützt". In Europa nutzen Frankreich und Großbritannien bewaffnete Drohnen, aber auch Serbien und die Ukraine.

Zuletzt hatten sich auch sozialdemokratische Verteidigungspolitiker dieser Haltung angeschlossen. Etwa Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags: Bewaffnete Drohnen erhöhten die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, "weil die Drohnen flexiblere Möglichkeiten bieten, auf Bedrohungen zu reagieren". Voraussetzung sei, dass die Einsatzregeln für die Drohnen vom Bundestag klar festgelegt und kontrolliert würden. Wie sich nun zeigt, konnten die Befürworter in der SPD sich nicht durchsetzen. Die Partei bleibt in in dieser Frage gespalten.

"Kein Allheilmittel"

Doch wie schlagkräftig ist das Schutz-Argument wirklich? Das hänge stark vom Einsatzszenario ab, sagt Drohnen-Expertin Anja Dahlmann von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Für die Landesverteidigung, die Hauptaufgabe der Bundeswehr, brauche man keine Kampfdrohnen: "Im Fall der Landesverteidigung wäre wahrscheinlich auch der Luftraum umkämpft. Und dann sind solche kleinen, langsamen Drohnen sehr schnell abgeschossen." Mit einer Fluggeschwindigkeit von maximal 400 Stundenkilometern ist die Heron TP, genau wie andere Drohnen ihrer Klasse, relativ langsam.

Anders sei es in Auslandseinsätzen, in denen der Bundeswehr Angriffe durch Aufständische oder Terrorgruppen drohen. Da könne es von Nutzen sein, eine erkannte Gefahr direkt bekämpfen zu können. Aber, warnt Dahlmann im Gespräch mit der Deutschen Welle, bewaffnete Drohnen seien "kein Allheilmittel". In der Diskussion werde zuweilen der Eindruck erweckt, dass die deutschen Soldatinnen und Soldaten durch bewaffnete Drohnen "wunderbar geschützt sind und nichts mehr passieren kann. Das ist nicht der Fall." Dazu seien insgesamt fünf Heron TP, die vielleicht auf mehrere Auslandseinsätze verteilt werden müssten, schlicht zu wenige.

Laut dem armenischen Verteidigungsministerium zeigt das Bild den Abschuss einer aserbaidschanischen Drohne Bild: Armenian Defense Ministry

Gezielte Tötungen

Dass Kampfdrohnen ein denkbar schlechtes Image haben, hat gute Gründe. Zuletzt zeigte sich im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan das zerstörerische Potenzial dieser Waffen. Geprägt wurde die Debatte in Deutschland aber vor allem durch den exzessiven Einsatz von Drohnen für gezielte Tötungen durch die USA, etwa in Afghanistan, Pakistan oder im Jemen. Kritiker sprechen von der "Hinrichtung Verdächtiger ohne Gerichtsverfahren" und beklagen die hohe Zahl ziviler Opfer.

Zwar hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag unmissverständlich erklärt, dass sie "völkerrechtswidrige Tötungen" durch Drohnen ablehnt. Doch seien bewaffnete Drohnen erst einmal beschafft, fürchten Skeptiker, könnten solche Restriktionen mit der Zeit aufweichen.

Fordert weitere Debatten über das kontroverse Thema: SPD-Chef Norbert Walter-BorjansBild: Tobias Schwarz/AFP

Nicht nur in der Regierungskoalition, sondern auch im Parlament gehen die Meinungen zu diesem Thema auseinander: Für die Bewaffnung der Drohnen werben die Oppositionsparteien FDP und AfD. Die Grünen und die Linke sind gegen die Bewaffnung der Drohnen. In einem Antrag fordert die Linke den Bundestag auf, sich in der kommenden Woche gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen auszusprechen. 

Gefährlichere Auslandseinsätze?

Die Kritiker der Anschaffung von Kampfdrohnen bewegt noch ein weiteres Argument: Könnten diese Waffen vielleicht dazu führen, dass die Bundeswehr sich in Zukunft auf gefährlichere Auslandseinsätze einlässt? Derzeit steuert Deutschland zu multinationalen Missionen bevorzugt Militärausbilder, Überwachungsfähigkeiten oder Logistik bei, aber keine Kampftruppen. Die höhere Sicherheit durch den Einsatz von Kampfdrohnen könnte das ändern, der Druck der Verbündeten auf Deutschland wachsen.

Auch wenn die Bundeswehr für ihre neuen Drohnen vorerst keine Waffen erhält, so sind auch in Deutschland die Weichen für diese Technologie längst gestellt: Im bayerischen Manching entwickelt "Airbus Defence and Space" die Eurodrohne, die bewaffnet sein soll. Im Verteidigungshaushalt für das kommende Jahr, dem auch die SPD zugestimmt hat, wurden weitere Millionen dafür bereitgestellt. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Bundeswehr Kampfdrohnen bekommt.

 

Nina Werkhäuser Reporterin
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