Vorhang auf: Saudis erlauben wieder Kinos
11. Dezember 2017Vor vierzig Jahren war es nicht allzu spektakulär, in Saudi-Arabien ins Kino zu gehen. Doch irgendwann erfasste der konservative Islam wahabitischer Prägung auch die weich gepolsterten Sessel im Dunkeln: In den 1980er Jahren wurden die Kinos im Königreich geschlossen.
Das Medium Film konnte sich dennoch in Nischen entwickeln. So zogen in der Stadt Dammam, einem Öl- und Bildungszentrum am Persischen Golf, mehrere Filmfestivals Cineasten an - die Streifen liefen in einem Kunstzentrum. Das Kinoverbot aufzuheben, galt der religiösen Führung des Landes noch Anfang dieses Jahres als "schamlos, unmoralisch und atheistisch".
Reformen in Rekordtempo
Jetzt aber geht ein Ruck durch die Monarchie. Kronprinz Mohammed bin Salman räumt im Handstreich mit verzopften Traditionen auf und bringt Religionsgelehrte an die Grenzen dessen, was sie ertragen können. In wenigen Jahren will er Reformen durchpeitschen, die in anderen islamischen Ländern Jahrzehnte gedauert haben. Salman weiß, dass die Zeit drängt. Denn die Ölvorräte haben ein berechenbares Ende.
Mit einer "Vision 2030" für einen vielschichtigen ökonomischen und gesellschaftlichen Erneuerungsprozess will der Kronprinz das Land fit machen für die globalisierte Wirtschaft - auch für die Ära nach dem Öl. In diesem Zuge müssen alte Verbote fallen: Frauen dürfen ab Mitte nächsten Jahres selbst ans Steuer eines Autos. Dafür haben Menschenrechtsaktivisten jahrzehntelang gekämpft. Im September konnten Frauen erstmals eine Sportarena betreten: Am Nationalfeiertag nahmen sie, freilich in Begleitung ihrer Familien, vorweg, was ab 2018 in mehreren Stadien erlaubt sein soll.
Das Kino wäre dann die dritte Säule der staatlich bewilligten Emanzipation am Golf. Kommerzielle Lichtspielhäuser sollen schon im März eröffnen. Dann atmen nicht nur viele weibliche Kulturfreunde auf. Auch der Leiter der staatlichen Unterhaltungsbehörde, Amr al-Madani, der die Debatte um die Wiederzulassung von Kinos befeuert hatte, dürfte den Beschluss begrüßen.
Vor allem aber werden die Kasseln klingeln: Das Kulturministerium in Riad geht davon aus, dass bis 2030 mehr als 300 Kinos mit rund 2000 Leinwänden eröffnen werden. Die Regierung verfolgt das Ziel, die Ausgaben der saudischen Haushalte für Kultur und andere Vergnügungen bis dahin auf sechs Prozent zu verdoppeln. Im selben Zeitraum sollen mehr als 30.000 dauerhafte Arbeitsplätze entstehen. Saudi-Arabien wäre dann kein abgeschottetes, für Ausländer kaum zugängliches Land mehr, sondern ein globaler Hotspot für Touristen und Investoren.
Was zuerst nach einer langersehnten Liberalisierung aussieht, ist in Wahrheit also auch eine ökonomische Stellschraube, die das Wirtschaftswachstum des Landes ankurbeln soll - auch die religiösen Beharrungskräfte sollen in der Golfmonarchie nicht länger den Lockungen des Geldes widerstreiten.
jj/as (dpa, afp, guardian)