Vorwürfe gegen Sicherheitskräfte in Guinea
17. November 2010Internationale Beobachter erheben schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte in Guinea. Die Expertengruppe International Crisis Group (ICG) spricht von "systematischen Angriffen" auf Anhänger von Cellou Dalein Diallo. Er hatte die Wahl gegen Alpha Condé verloren. Amnesty International (ai) rief die Behörden des Landes dazu auf "unrechtmäßige Tötungen, willkürliche Verhaftungen und den übertriebenen Einsatz von Gewalt durch die Polizei und die Armee" sofort zu beenden.
Ausnahmezustand verhängt
Die Lage in Guinea hat sich zugespitzt, nachdem die Wahlkommission das Wahlergebnis am Montag (15.11.2010) bekanntgegeben hatte. Übergangspräsident verhängte am Mittwoch für das ganze Land den Ausnahmezustand. Die Anordnung gilt, bis der Oberste Gerichtshof das amtliche Endergebnis der Präsidentschaftswahl vom 7. November verkündet. Das teilte Armee-Chef Nouhou Thiam am Mittwoch im staatlichen Fernsehen mit. Die Entscheidung des Gerichts werde Anfang kommender Woche erwartet. Ein Sprecher von Übergangspräsident Sékouba Konaté sagte, Kundgebungen und Versammlungen seien verboten.
Alpha Condé, der als profilierter Oppositionspolitiker gilt, hatte die Stichwahl gegen seinen Konkurrenten Cellou Dalein Diallo knapp gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis hatten 52 Prozent der Wähler für Condé gestimmt, während Diallo 47,5 Prozent der Stimmen erhielt. Im ersten Wahlgang hatte Diallo die meisten Stimmen erhalten, aber eine absolute Mehrheit verfehlt.
Diallo war unter Lansana Conté schon einmal Premierminister in Guinea gewesen. Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses am Montag kam es zu Zusammenstößen zwischen Anhängern von Diallo und der Polizei. In der Nacht zu Mittwoch starben bei weiteren Unruhen mindestens vier Menschen. Mehr als 60 Menschen wurden verletzt. Diallo sprach von "brutaler Unterdrückung" der Proteste durch die Polizei. Er hatte zuvor zu Ruhe aufgerufen und gleichzeitig angekündigt, er wolle das Wahlergebnis anfechten.
Präsident der Aussöhnung
Auch vor der Stichwahl am 7. November war es in der Hauptstadt Conakry zu Ausschreitungen gekommen. Condé versicherte nach der Wahl, er wolle ein Präsident der Aussöhnung sein. In einem Interview mit der französischen Zeitung "Figaro" sagte Condé, er wünsche sich eine Regierung der Nationalen Einheit. Guinea brauche für mindestens zwei Legislaturperioden eine Einheitsregierung, um sich wieder aufrichten zu können, betonte Diallo.
"Ich spreche nicht von einer Koalition, sondern von einer Union. Da geht es nicht um etwas Politisches, sondern um einen Bund des guten Willens", so der Wahlsieger. Ob Diallo das Angebot annimmt und mit Condé eine Regierung bildet, ist offen. Die ersten Politiker aus dem Diallo-Lager sollen bereits ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert haben.
Mächtiges Militär
Die Präsidentenwahlen sollten mehr als 52 Jahren Diktatur und Militärherrschaft ein Ende setzen. Jahrelang ging die Macht im Land vom Militär aus. Im September 2009 hatten Soldaten bei einer Demonstration im Stadion von Conakry mehr als 150 Menschen umgebracht. Sie hatten gegen die Militär-Junta, die seit Dezember 2008 an der Macht war, protestiert. Die Reform des Sicherheitsapparates gilt jetzt als eine der wichtigsten Aufgaben im Land.
Sollte der Oberste Gerichtshof die Ergebnisse der Wahlkommission bestätigen, wird Alpha Condé Guineas fünfter Präsident seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1958. Er folgt dem "Vater der Unabhängigkeit" Sekou Touré, der 26 Jahre an der Macht war; dem Militärführer Lansana Conté - Machthaber während 24 Jahren - und Moussa Dadis Camara, der sich nur zwei Jahre an der Macht hielt. Der letzte Präsident Guineas war Sekouba Konate. Der General führte eine Übergangsregierung und hat das Land zielstrebig auf die ersten demokratischen Wahlen vorbereitet.
Autorin: Christine Harjes (ap, rtr, dpa, afp)
Redaktion: Dirk Bathe/Siegfried Scheithauer