VW produziert bald in der Türkei
26. September 2019Die Planungen des Volkswagen-Konzerns für sein neues Osteuropawerk werden immer konkreter. "Wir sind in finalen Gesprächen mit der Türkei", sagte VW-Marken-Produktionsvorstand Andreas Tostmann am Donnerstag in Berlin zu Reportern. Er rechne damit, dass man in rund zwei Wochen zum Abschluss komme - "vielleicht auch früher". Es gehe derzeit um die "finale Vertragsgestaltung" und darum, die Vereinbarung unterschriftsreif zu machen. Auf die Frage, ob man noch mit anderen Partnern verhandele, sagte Tostmann nur, dass man zurzeit den Fokus auf die Finalisierung mit der Türkei habe.
Insidern zufolge ist bereits eine Grundsatzentscheidung für den Bau des Werks für mehr als eine Milliarde Euro in der Türkei gefallen. "Dass VW diese Investition in der Türkei macht, ist eine gute Sache für die gesamte türkische Wirtschaft", sagte Alper Kanca, Präsident des türkischen Auto-Zulieferer-Verbandes TAYSAD gegenüber der DW. Die Entscheidung sei "ein enormes Signal". Die Volkswagen-Gruppe verkaufe in guten Jahren rund 170.000 Autos in der Türkei. Damit habe VW einen großen Marktanteil in der Türkei, der abgesichert werde. Dies sei für beide Länder gut, so Kanca.
4000 Arbeitsplätze könnten entstehen
Die neue sogenannte Mehrmarken-Fabrik mit einer geplanten Jahreskapazität von bis zu 300.000 Fahrzeugen und rund 4000 Beschäftigten soll in Manisa nahe Izmir im Westen Anatoliens entstehen. "Die Wirtschaftsfaktoren in der Region sind ideal für ein neues Autowerk", betonte Verbandschef Kanca.
Nach den Insider-Informationen soll Ende 2020 mit dem Bau begonnen werden, der Produktionsstart ist für 2022 vorgesehen. Zuvor hatte Volkswagen monatelang mit den Behörden über die Bedingungen für den Standort verhandelt. Als Alternative hatte Bulgarien und in einer frühen Phase aus Serbien gegolten.
Spezielle Investitionsanreize habe die Türkei VW aber nicht geboten, sagte Kanca. In seinem Land gebe es Fördermittel und Anreize für alle Investoren und damit "für jedes Autounternehmen". Seitens der türkischen Regierung werde VW aber bei Problemen unterstützt, "damit diese Investition getätigt wird", so der Verbandschef. Das finde er auch "korrekt".
Im neuen Werk sollen der VW Passat und der baugleiche Skoda Superb für den Export nach Osteuropa vom Band rollen.
Entscheidung politisch umstritten
Die Entscheidung für die Türkei ist politisch umstritten. Denn die EU wirft Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor, die freie Meinungsäußerung und die Demonstrationsfreiheit zu beschneiden. VW hält dem entgegen, dass das Land am Bosporus seit Jahren als Kandidat für einen EU-Beitritt gilt. Der Putsch vor drei Jahren habe die Lage verschlechtert.
"Volkswagen sieht die Situation in der Türkei und die Repressalien gegen Regimekritiker und Dissidenten", sagte VW-Cheflobbyist Thomas Steg. Er fügte hinzu, der Konzern rechne nicht mit einer ungeteilten Zustimmung für das Projekt. Die Türkei sei aber eine entwickelte Marktwirtschaft. "Wir gehen davon aus, dass die türkische Wirtschaft wieder wachsen kann." Das Land habe gute Voraussetzungen.
VW-Produktionsvorstand Tostmann fügte hinzu: "Wir gehen davon aus, dass wir unsere Standards in der Türkei einhalten können, bezogen sowohl auf die Qualität der Produkte als auch auf Mitbestimmung der Arbeitnehmer sowie auf die Wahrung der Menschenrechte in den Bereichen, die wir direkt beeinflussen können."
Niedriges Lohnniveau und qualifizierte Arbeitskräfte
Mit ausschlaggebend für die Entscheidung waren Konzernkennern zufolge staatliche Fördermittel. Über deren Höhe schweigt VW. Weder die Bundesregierung noch das Land Niedersachsen, das an Volkswagen beteiligt ist, hätten Bedenken geltend gemacht. Auch vom ebenfalls an VW beteiligten Emirat Katar habe es keine Intervention gegeben.
Die Türkei hat VW zufolge ein niedrigeres Lohnniveau als osteuropäische Standorte, die infrage kamen. In Bulgarien, das lange als Alternative gegolten hatte, sind die Löhne zwar ebenfalls gering, allerdings gibt es dort nicht ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte. Außerdem ist Bulgarien an die EU-Regularien für Fördermittel gebunden. In der Türkei könne man dagegen verhandeln, heißt es bei VW.
ul/hb (dpa, rtr, DW)