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VW und Daimler weisen Kartellvorwürfe zurück

Ilona Wissenbach Reuters
25. Oktober 2017

Den deutschen Autobossen geht die "Kritik an der Autoindustrie zu weit". Konkret wehren sie sich gegen die Vorwürfe, sie hätten ein Kartell gebildet. Bei ihren Treffen hätten sie nur über technische Standards gesprochen.

"Autogipfel" in München 2016 | Zetsche, Krüger, Müller
Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Während die Kartell-Ermittler in Wolfsburg und Stuttgart noch Berge von Unterlagen sichten, gehen die Autobosse in Verteidigungsstellung. Daimler und Volkswagen hatten sich bei den Kartellwächtern zwar vorsorglich selbst angezeigt, betonen aber unisono, dass es bei den nun untersuchten Absprachen unter den großen deutschen Herstellern vor allem um technische Standardisierungen gegangen sei.

"Das Kartellrecht wird von uns sehr respektiert", sagte VW-Chef Matthias Müller (im Artikelbild rechts) am Mittwoch auf dem "Auto-Gipfel" des Handelsblatts im Daimler-Werk Sindelfingen. "Von Preisabsprachen ist mir nichts bekannt." Daimler-Chef Dieter Zetsche (im Artikelbild links) betonte, die Kooperation habe den Kunden genützt - und kritisierte die aus seiner Sicht überzogen kritische Berichterstattung in den Medien.

Der Kartellverdacht war im Sommer durch einen Bericht im "Spiegel" bekannt geworden. Nach Volkswagen gab auch Daimler kürzlich zu, selbst die Kartellbehörden über die Absprachepraxis informiert zu haben - nach Zetsches Worten schon vor zwei Jahren. Müller erklärte, im Zuge der internen Prüfungen zum Dieselskandal sei die neu gegründete VW-Rechtsabteilung auf die Vorgänge gestoßen. Da der Konzern nach dem Schock durch Dieselgate in Sachen Rechtstreue die Zügel angezogen habe und die Juristen Ermittlungsbedarf gesehen hätten, sei zunächst das Bundeskartellamt informiert worden. Die EU-Kommission habe die Ermittlungen dann an sich gezogen.

Daimler hatte Insidern zufolge noch vor VW den Behörden gegenüber ausgepackt. Wer den Kronzeugen-Status anerkannt bekommt, kann darauf hoffen, straffrei auszugehen. Zetsche will die Selbstanzeige aber nicht als Schuldeingeständnis verstanden wissen. "Die Tatsache, dass wir uns gemeldet haben, hat überhaupt nichts damit zu tun, wie wir den Fall einschätzen."

Unmengen von Daten

Müller sagte weiter, VW kooperiere mit den Behörden und sehe dem Ergebnis der Ermittlungen "gelassen" entgegen. Wie lange das dauert, ist nicht absehbar. Vergangene Woche statteten die Beamten bereits BMW einen Besuch ab. Derzeit wühlen sie sich in der Wolfsburger Konzernzentrale durch riesige Mengen Daten, wie Müller erklärte. Sie sichteten Protokolle, wahrscheinlich hundert Millionen Dokumente. "Dann werden wir ja sehen, ob da noch irgendwas anderes gesprochen wurde."

Auch die EU-Kommission wies darauf hin, dass Inspektionen ein erster Schritt in den Ermittlungen seien und nicht bedeuteten, dass sich ein Unternehmen etwas zu Schulden habe kommen lassen. Der "Spiegel" hatte berichtet, die fünf führenden Automarken hätten sich seit den 90er Jahren rechtswidrig in rund 60 geheimen Arbeitskreisen über Fahrzeugtechnik, Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abgestimmt. Das sei auch der Ausgangspunkt von Dieselgate gewesen, weil hier auch die Größe der Tanks des Abgasreinigungsmittels Adblue Thema gewesen sei.

Absprachen über technische Standards sind in der Automobilindustrie durchaus üblich. Die Frage ist, inwieweit dabei womöglich gegen Wettbewerbsrecht verstoßen wurde. Zetsche wies darauf hin, dass sich die Behörden etwa zwei Jahre, nachdem sie von den Vorgängen Kenntnis erhielten, noch keine Meinung gebildet hätten. Es sei deshalb eine "Diskrepanz", wenn in den Medien schon vom größten Autokartellskandal seit dem Zweiten Weltkrieg die Rede sei.

Kritik an Trump

VW-Chef Müller ärgert vor allem der Vorwurf, die deutschen Autobauer hätten den Trend zur Elektromobilität - anders als etwa der US-Newcomer Tesla - verschlafen. Die Industrie habe zwar Fehler gemacht. "Bisweilen geht mir die Kritik an den deutschen Autobauern aber eindeutig ein Stück zu weit", sagte er. "Wir sollten unsere Industrie nicht schlecht reden lassen." Politik und Autoindustrie müssten die gewachsene Distanz zueinander jetzt überwinden, um gemeinsam wichtige Aufgaben wie den Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektroautos anzugehen. Er forderte dazu einen runden Tisch von Politik und allen beteiligten Branchen.

Zudem sprach sich Müller für ein Superministerium nach dem Vorbild des japanischen Ministeriums für Handel und Industrie aus - um sich besser gegen protektionistische Bestrebungen der USA unter Präsident Donald Trump wehren zu können. Hier seien Importbeschränkungen der USA gegen ausländische Autobauer nicht vom Tisch. "Es gärt immer noch", sagte Müller. "Wir leiden unter einer gewissen Planungslosigkeit." Auch Zetsche hatte Trumps Wirtschaftspolitik als "Risiko" bezeichnet.

 

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