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Wählen in Zeiten von Cybercrime

25. Mai 2021

Die Sorge vor Fake News und Manipulationen bei der Bundestagswahl wächst. Parteien, Politiker und Sicherheitsexperten versuchen, die Risiken zu minimieren.

Symbolbild Hybride Bedrohungen und Cyberangriffe
Fake News und Desinformation bei der Bundestagswahl - die Gefahren sind realBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

"Wir haben es mit einer sehr komplexen Bedrohungslage zu tun." Der das sagt, muss es wissen. Arne Schönbohm ist Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Sein Job: Schutz zu bieten vor digitalen Angriffen jeglicher Art. Besonders schutzbedürftig sind im Jahr der Bundestagswahl Parteien, Politiker, aber auch das Wahlvolk. Denn sie alle können Opfer von Desinformation, Propaganda und Fake News werden. Also von Manipulationen, um Wahlergebnisse zu beeinflussen.

Angesichts immer unübersichtlicher werdender hybrider Bedrohungen ist das BSI im ständigen Informationsaustausch mit allen potentiell Betroffenen. Aber auch mit Bundeswahlleiter Georg Thiel. Gemeinsam mit ihm gibt Arne Schönbohm in einer virtuellen Pressekonferenz Antworten auf die Frage: "Wie sicher ist die Bundestagswahl?" Eine alle beruhigende Antwort kann und will der BSI-Chef nicht geben - dafür ist die Gemengelage viel zu komplex.

BSI-Präsident Arne Schönbohms Appell an alle: "Halten Sie die Geräte auf dem neusten Stand!"Bild: Bernd von Georg Thiel/dpa/picture alliance

Warnende Beispiele aus anderen Ländern fallen ihm viele ein: der Macron-Leak 2017, von dem der französische Staatspräsident kurz vor seiner Wahl betroffen war. Oder Manipulationsversuche im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf. Deshalb geht Schönbohm davon aus, dass auch Deutschland "als wirtschaftlich potenteste Macht innerhalb Europas" für Angreifer "attraktiv" sei.

Allgemeine Ratschläge von BSI-Präsident Arne Schönbohm

Die Rolle des BSI ist dabei die des Ratgebers. Für die Umsetzung müssen die Ratsuchenden selbst sorgen. Alle seien gefordert. Jeder könne dabei helfen, Angriffe zu erschweren oder zu verhindern. "Halten Sie die Geräte auf dem neusten Stand!", empfiehlt er ganz grundsätzlich. Oder an die Adresse der vielen Millionen Wählerinnen und Wähler: "Nicht jede Nachricht aus dem Netz unbesehen glauben! Informationen aus dubiosen Quellen nicht weiterverbreiten!"

Leichter gesagt als getan - das weiß auch der BSI-Präsident. Denn inzwischen sei es sogar möglich, mit moderner Software und Künstlicher Intelligenz (KI) Inhalte aus verschiedenen Videos miteinander zu vermengen. Aus welcher Ecke die Angriffe kommen, welche Motivation dahintersteckt - darüber will Schönbohm öffentlich nicht spekulieren. Es gebe verschiedene technische Indikatoren und Einschätzungen seiner Kollegen.

Im engen Austausch mit Verfassungsschutz und BND

Am Ende seien aber das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Bundesnachrichtendienst (BND) zuständig, mit denen sich das BSI "eng" austauscht. "Aber ich denke, es wäre falsch zu sagen, woher wir mit welchen Angriffen wie rechnen." Geheimdienste verdächtigen oft Russland als einen Hauptangreifer. Indizien dafür gibt es immer wieder. Auch bei der Bundestagwahl 2017 gab es entsprechende Vermutungen und Befürchtungen. Letztlich blieb es aber relativ ruhig, von groß angelegten Cyber-Attacken war nichts zu hören.

Datenraub und Cyberattacken

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Dass Deutschland im Jahr der Bundestagswahl 2021 wieder einigermaßen verschont bleibt, darauf will sich aber niemand verlassen. Auch Thomas Lohmeier von der Linken nicht. Er ist in der Berliner Parteizentrale für Medien und Bürgerdialog zuständig. Vor der letzten Bundestagswahl sagte er im DW-Gespräch: "Fake News kommen, was uns betrifft, so gut wie gar nicht vor." Doch inzwischen sind die Sorgen größer. Als 2019 Hacker Daten von fast 1000 Politikerinnen und Politikern ins Netz stellten, waren davon auch rund 100 der Linke betroffen. Regelmäßig werde die Website der Partei angegriffen. Aber, betont Lohmeier auf DW-Anfrage: "Wir lernen daraus und sind jedes Mal besser vorbereitet."

Cyber-Expertin Julia Schuetze: Bedrohungslage "besonders hoch"

Die Unterstützung durch das BSI ist ihm dabei sehr willkommen. Das Angebot sei "kompetent und informativ". Für die großen Parteien ist es aus Lohmeiers Sicht ausreichend. Aber man könnte überlegen, ob kleine, nicht im Bundestag vertretene Parteien zusätzliche Unterstützung bei der Einrichtung einer sicheren Infrastruktur bekommen sollten, meint der Medien-Experte der Linken. Er macht sich um weit mehr als die Sicherheit seiner eigenen Partei Gedanken. "Die demokratischen Institutionen werden dann beschädigt, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass sie manipulierbar sind, den demokratischen Willen der Wählerschaft nicht mehr wiedergeben."

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Auch die Cyber-Expertin Julia Schuetze von der Berliner Stiftung Neue Verantwortung schätzt die Bedrohungslage für Parteien sowie Politikerinnen und Politiker als "besonders hoch" ein. Begründung: Sie müssten ihre IT-Sicherheit selbst organisieren, staatliche Akteure wie das BSI könnten nur unterstützen. "Dies führt dazu, dass nicht überall IT-Sicherheit mitgedacht wird oder bestimmte Standards umgesetzt werden", teilt Julia Schuetze auf DW-Anfrage mit.

Bundeswahlleiter Georg Thiel hält die Briefwahl für sicher

"Erhöhte Aufmerksamkeit" ist aus ihrer Sicht auch deshalb nötig, weil von Hacks und Leaks nicht nur Personen oder Parteien betroffen sein könnten. Weitere mögliche Ziele seien zum Beispiel Daten, die Wahlkampf-Teams sammeln: Mail-Adressen, politische Richtung, Vorlieben und Interessen von Wählern. Wenn solche sensiblen Informationen gestohlen würden, könnten sie genutzt werden, "um gezielte Desinformation zu verbreiten".

Julia Schuetzes Prognose: Weil die Parteien im Vergleich zu 2017 ihren Wahlkampf stärker digitalisiert haben, ist die Angriffsfläche 2021 größer. Sie teilt also die Einschätzung des BSI-Präsidenten Arne Schönbohm. Derweil bleibt Bundeswahlleiter Georg Thiel mit Blick auf eine andere vermeintliche Schwachstelle betont gelassen: bei der Briefwahl, die auch wegen der Corona-Pandemie eine größere Rolle spielen wird als in der Vergangenheit. Diese Form der Stimmabgabe gibt es seit 1957. Und seitdem habe man keine Ansatzpunkte dafür gehabt, "dass die Wahlen insgesamt dadurch manipulationsanfälliger geworden sind."   

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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