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Heilsbringer in Zeiten steigender Energiepreise?

Klaus Ulrich
6. Mai 2022

Die Preise von Öl und Gas explodieren, da erscheint eine Wärmepumpenheizung als sinnvolle Alternative für die eigenen vier Wände - zumal üppige staatliche Förderung winkt. Was sagen Experten?

Deutschland | Ein Heizungsmonteur montiert eine Wärmepumpe
Bild: VdZ/picture alliance

Der Heiz- und Klimatechnik-Hersteller Viessmann macht Tempo: Bei der Präsentation seiner Jahresbilanz kündigte der deutsche Marktführer Anfang Mai an, seine Investitionen in die Produktion von Wärmepumpen, die ökologisch-korrekt ohne CO2-Austoß Wärme aus der Umwelt zum Heizen nutzen, um eine Milliarde Euro aufzustocken. Das Unternehmen mit weltweit 13.000 Beschäftigten verzeichnete im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Umsatzplus von 41 Prozent im Wärmepumpenbereich, der Gesamtumsatz wuchs lediglich um 21 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro.

Diese Zahlen spiegeln den allgemeinen Trend zur elektrischen Wärmepumpentechnik wider, den die Bundesregierung mit Subventionen kräftig unterstützt - ursprünglich aus Gründen des Umweltschutzes, um den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 zu senken.

Wärmepumpen sind wesentlich teurer als Gas- oder Ölbrenner, denn die Technik ist aufwendig, die Konstruktion komplexer. Wichtige Komponenten befinden sich außerhalb des zu heizenden Gebäudes, das außerdem möglichst gut gedämmt sein muss. Heizungsrohre in den Fußböden oder extragroße Heizkörper machen eine Wärmepumpe erst wirklich effizient.

"In fast allen Fällen geht die Umstellung einher mit baulichen Veränderungen und häufig mit einer energetischen Sanierung der Gebäudehülle", sagt Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der TU München gegenüber der DW.

So steigt der Investitionsbedarf schnell auf mehrere 10.000 Euro. Bis zu 35 Prozent der Einbaukosten im Altbau übernimmt der Staat, wenn ein Ölbrenner ausgetauscht wird sogar 45 Prozent. Auch das Honorar für eine zertifizierte Energieberatung wird zum größten Teil erstattet. Wohl auch deshalb ist die Nachfrage nach Wärmepumpen momentan so groß, weshalb Kunden lange Wartezeiten bei Handwerkern und Energieberatern in Kauf nehmen müssen.

Ukraine-Krieg treibt Energiekosten

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Preisexplosion bei fossilen Energieträgern hat den Druck auf die Abkehr von Öl und Gas beim Heizen erhöht.

Aber können Wärmepumpen unser akutes Energieproblem zumindest zum Teil lösen?

"Es gibt eine sehr einfache Antwort: Wärmepumpen, unter Berücksichtigung von Hybrid-Wärmepumpen mit einer Kombination von Gas und Strom, können die heutigen Heiztechnologien komplett ersetzen", teilt die in Brüssel ansässige European Heat Pump Association (EHPA), die nach eigenen Aussagen den Großteil der europäischen Wärmepumpenindustrie vertritt, auf DW-Anfrage mit.

"Das gilt für den Neubau und den Renovierungsbereich und das Verhältnis verschiebt sich hin zu 'nur Wärmepumpen' in Abhängigkeit von der Renovierungsrate", sagt EHPA-Generalsekretär Thomas Nowak.

Geothermische Bohrung für eine Wärmepumpen-NutzungBild: argum/imago

Zentraler Baustein für die Energiewende

Wärmepumpen seien einer der zentralen Bausteine für das Gelingen der Energiewende und um den Gebäudebereich klimaneutral zu machen, sagt Christian Stolte von der Deutschen Energie-Agentur (dena) gegenüber der DW. "Wärmepumpen nutzen erneuerbare Energien und können aus einer Einheit Strom drei bis vier Einheiten Wärme erzeugen", so der Bereichsleiter für klimaneutrale Gebäude.

Von den insgesamt über 21 Millionen Heizgeräten im deutschen Gebäudebestand seien allerdings erst rund 1,2 Millionen Wärmepumpen und noch über 19 Millionen Gas- und Ölgeräte. Bis zum Jahr 2030 würden für die Klimaziele aber 4,5 bis 6 Millionen Wärmepumpen benötigt. "Im Jahr 2021 wurden 154.000 Wärmepumpen installiert, immerhin gut 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Dieses Tempo muss anziehen", so Stolte.

Die allermeisten Gebäude in Deutschland werden mit Gas und Öl beheiztBild: manfredxy/Zoonar/picture alliance

Aber selbst die dringend benötigte massive Steigerung des Anteils von Wärmepumpen werde kurzfristig den hohen Anteil an Gas- und Ölheizungen in Gebäuden nicht vollständig ändern können.

"Wärmepumpen sind kurzfristig keine Lösung"

"Wärmepumpen sind kurzfristig keine Lösung, um uns von russischem Gas und Öl unabhängiger zu machen", sagt auch Energieexperte Manuel Frondel vom Essener RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im DW-Gespräch.

Im Neubau seien Wärmepumpen zwar mittlerweile die am häufigsten eingesetzte Heiztechnologie in Deutschland, deutlich vor Erdgasheizungen, aber Neubauten stellten lediglich einen kleinen Teil der insgesamt rund 20 Millionen Wohngebäude dar. Im Altbau hingegen seien Wärmepumpen eine sehr teure Lösung, sowohl was die Investitionskosten als auch die Betriebskosten betreffe.

Luftwärmepumpe vor einem WohnhausBild: U. J. Alexander/imago images

Daran ändere auch die massive staatliche Förderung nichts, so Frondel, der beim RWI den Kompetenzbereich "Umwelt und Ressourcen" leitet und an der Ruhr-Universität Bochum Professor für Energieökonomik ist. Würden bis zum Jahr 2024 tatsächlich zwei Millionen Wärmepumpen im Altbau gefördert, wie das das Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen vorgesehen habe, würde das den Staat mindestens 42 Milliarden Euro kosten, rechnet Frondel vor.

"Eine solche Summe ist durch nichts zu rechtfertigen, vor allem nicht durch Klimaschutzargumente: Die CO2-Vermeidungskosten liegen nach der sehr transparenten und plausiblen Berechnung von VWL-Professor Joachim Weimann von der Universität Magdeburg bei über 600 Euro je Tonne CO2 - ein Vielfaches des Preises für Emissionszertifikate, der bislang unter 100 Euro notierte."

Altbauten - Wärmepumpenheizung lohnt sich meist nichtBild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/picture alliance

Zu allem Überfluss sei laut Frondel nicht einmal gewährleistet, dass ein weniger gut gedämmtes Haus bei tiefen Temperaturen durch eine Wärmepumpe tatsächlich ausreichend mit Wärme versorgt werde, sodass die Bewohner nicht frieren müssten - von den immensen Betriebskosten bei tiefen Temperaturen erst gar zu reden. "Erfahrene Heizungsbauer raten daher nicht zu Unrecht bei schlecht gedämmten Häusern vom Einbau einer Wärmepumpe ab."

Richtige Absenkung der Raumtemperatur spart sofort

"Für jeden einzelnen Haushalt ist die Umstellung auf Wärmepumpe natürlich ein großer Fortschritt in Sachen Unabhängigkeit von Erdgas", so Jens Schubert, Energieexperte beim Umweltbundesamt (UBA) in Berlin gegenüber der DW. Deshalb sollten jetzt auch Maßnahmen wie Gebäudesanierungen und mehr Heizungen mit erneuerbaren Energien umgesetzt werden, die erst mittelfristig Wirkung entfalten.

"Insgesamt für den Gebäudebestand betrachtet", sagt Schuberth, "sind schnelle Optimierungsmaßnahmen wie die Absenkung der Raumtemperatur - am besten durch Einstellung der Heizungsregelungen statt niedrigerer Stufen der Heizkörperthermostate - wirksamer, vorausgesetzt sie werden wirklich flächendeckend umgesetzt".

 

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