Wüstenstrom für Europa
2. November 2011Die Wüsten der Erde empfangen in sechs Stunden mehr Energie von der Sonne, als die Menschheit in einem ganzen Jahr verbraucht. So wird Gerhard Knies, der Gründer von Desertec oft zitiert. Um alle Menschen mit Strom aus der Wüste zu versorgen, müsste man lediglich auf drei Tausendstel der weltweiten Wüstenflächen Spiegel- oder Kollektorfelder für solarthermische Kraftwerke aufstellen. Und natürlich müsste dieser Strom ohne große Verluste über tausende Kilometer verteilt werden. So könnte beispielsweise Europa Strom aus Nordafrika beziehen und seine selbst gesteckten Klimaziele erfüllen.
Desertec als Wegbereiter
Damit diese Version eines Tages Wirklichkeit wird, wurde Anfang 2009 die gemeinnützige Stiftung Desertec Foundation gegründet und im selben Jahr tat sie sich mit einer Reihe von Unternehmen zur Desertec Industrieinitiative (Dii) zusammen. In ihr sind die großen Unternehmen aus Deutschland vertreten: die Münchner Rück ebenso wie Eon, RWE, Siemens, Deutsche Bank und andere. Inzwischen gibt es mehr als 55 Unternehmen und Organisationen, die Dii unterstützen. Und sie kommen nicht mehr nur aus Deutschland, sondern auch aus Nordafrika.
Der Plan von Dii ist es, technische, ökonomische, politische und regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, um so Investoren den Weg nach Nordafrika zu ebnen. Solarthermische Kraftwerke, Photovoltaik-Anlagen und Windkraftwerke müssen ebenso aufgebaut werden wie Stromnetze zwischen Nordafrika und Europa.
Technisch ist Wüstenstrom für Europa durchaus realisierbar. Bereits seit Jahrzehnten werden in der amerikanischen Wüste in Kalifornien solarthermische Kraftwerke erfolgreich betrieben und trotzen auch Sandstürmen. Auch die Wasserknappheit in nordafrikanischen Wüsten scheint, so Studien des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums, zu bewältigen zu sein. Und auch Strom lässt sich über Tausende von Kilometern mittels sogenannter HGÜ-Leitungen mit relativ wenig Verlusten transportieren. Zudem hofft die Desertec Initiative darauf, dass die Kosten für die Kraftwerke sinken werden, wenn erst mal in größerem Stil Anlagen gebaut werden. Bis 2050 soll so ein Teil des regionalen afrikanischen Marktes mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden und etwa 17 Prozent des in Europa benötigten Stromes geliefert werden, so das langfristige Ziel von Dii.
Erstes Projekt in Marokko kurz vor dem Start
Um den Weg zu diesem Ziel zu ebnen, treffen sich zur Zeit Vertreter aus Europa und nordafrikanischen Ländern in Kairo auf der zweiten Desertec-Konferenz. Erste Ergebnisse teilt Paul van Son, Geschäftsführer von Dii, mit. "Wir haben auf zwei Referenzprojekte hingearbeitet", sagt er. Sie sollen zeigen, dass es möglich ist, Strom in der Wüste zu produzieren und ihn nach Europa zu leiten. "Das erste Projekt wird mit lokalen Partnern in Marokko entstehen", so van Son. Mit diesem Referenzprojekt kann dann auch getestet werden, wie der Export nach Europa klappt, da es bereits eine Netzverbindung zwischen Marokko und Spanien gibt.
Daneben sei Dii gerade dabei, gemeinsam mit der tunesischen Regierung zu untersuchen, ob ein weiteres Referenzprojekt in Tunesien aufgebaut werden könnte. "Ein logischer weiterer Schritt ist, Algerien ins Blickfeld zu nehmen, ein Land, das langfristig im Hinblick auf solarer und Wind-Energie sehr interessant ist", so van Son.
Wie viel Strom dann aber tatsächlich nach Europa fließt und wie viel Marokko für sich selbst nutzen kann, ist bislang noch unklar. Auch wird noch nicht bekannt gegeben, wer in Marokko wie viel investiert und wo gebaut wird.
Politischer Umbruch hat nicht geschadet
Der arabische Frühling hat dem ganzen Vorhaben Desertec bislang nichts anhaben können. "Es gibt viel mehr Offenheit für Themen rund um die Schaffung von Arbeitsplätzen und Energiethemen", berichtet van Son. Und die Desertec-Vision beinhaltet, dass der Wüstenstrom nicht nur nach Europa gehen soll, sondern auch den wachsenden Bedarf der Erzeugerländer mit abdecken und dort Arbeitsplätze schaffen soll. "Sie wird in der EU und in der nordafrikanischen Region für eine sichere Energieversorgung und wirtschaftliches Wachstum sorgen", so der ägyptische Energieminister Hassan Younes. Und Energie spiele auch für die ägyptische Wirtschaft eine wichtige Rolle. Vor allem solle die Solar- und Windenergieerzeugung noch weiter ausgebaut werden.
Die deutsche Regierung hat von Anfang an die Desertec-Idee unterstützt, sagt Jochen Homann aus dem deutschen Wirtschaftsministerium. "Deutschland hat ein Interesse daran, Strom aus erneuerbaren Quellen zu importieren", vor allem nach dem beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie. "Eine Kooperation über Grenzen hinweg kann für eine kosteneffiziente und nachhaltige Energieversorgung in Europa und Nordafrika sorgen und im Endeffekt auch den nordafrikanischen Raum wirtschaftlich enger verbinden", so Homann. Eine neue Abhängigkeit von Nordafrika ist dagegen nicht zu befürchten, heißt es von Seiten Desertecs. Denn der Strom komme zum einen aus verschiedenen Ländern und sei zum anderen nur ein Teil des Energiemixes Europas.
Autorin: Insa Wrede
Redaktion: Zhang Danhong