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Terrorismus

"Wachsamer" gegen rechten Terror

27. April 2017

Rechtsextremismus-Experte Hajo Funke fordert im DW-Interview mehr Wachsamkeit gegen rechte Gewalt. Der Fall des als Flüchtling getarnten Bundeswehrsoldaten könne im Wahlkampfjahr 2017 die Politik erschüttern.

Hajo Funke Politikwissenschaftler Rechtsextremismus Experte Archiv 2013
Bild: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier

Deutsche Welle: Die Geschichte des Oberleutnants, der sich in seiner Freizeit als Flüchtling ausgegeben hatte und wegen Terrorverdachts verhaftet wurde, mutet mysteriös an. Wie sehr hat Sie dieser Vorfall überrascht?

Hajo Funke: Wir müssen abwarten. Das ist ja nur eine erste Information, aber natürlich durch Institutionen, denen man vertrauen können sollte. Doch letztlich hat es mich nicht überrascht. Weil: Für Rechtsextreme ist es fast ideal, den Syrern, den Muslimen, den Migranten und Geflüchteten etwas unterzuschieben - um das, was sie parallel längst tun - nämlich Gewalt auszuüben, stärker und mit mehr öffentlicher Aufmerksamkeit durchführen zu können.

Das heißt, wir müssten eigentlich viel wachsamer bei rechter Gewalt sein?

Wir müssen viel wachsamer sein, natürlich. Insofern bin ich dankbar, dass der Fall nun aufgeklärt wird - egal, was dabei im Einzelnen herauskommt. Wir haben im Fall Amri einen furchtbaren Fall gehabt, wo auch das Versagen deutscher Dienste eine Rolle gespielt hat. Aber es ist gut, dass wir nun wissen, wo die Sicherheitsbehörden besser funktionieren müssen und sollen. Wir sind in einer heiklen Phase, wo jedes neue Attentat im Zeichen des Bundestagswahlkampfes interpretiert oder missinterpretiert wird. Angesichts der Gefahren von Fehlinterpretation und der Entfesselung von Ressentiments gegenüber ganzen Gruppen ist es umso wichtiger, dass wir eine kontrollierende öffentliche Aufmerksamkeit haben.

"Kontrollierende Öffentlichkeit": Was meinen Sie damit?

Dass man nachfasst und mehr wissen will. Es ist zunächst sehr überraschend, was die Konstellation dieser Gruppe anbelangt. Das klingt ja fast nach einer terroristischen Vereinigung; sie haben alle Ingredienzien eines geplanten terroristischen Anschlagsversuches durch eine terroristische Vereinigung. Wie kann man am Flughafen eine Waffe deponieren? Das ist alles noch sehr ominös und für mich nicht transparent - vor allem die Vorbereitungsstrategie. Umso wichtiger ist es, dass wir alles erfahren. Nur so können wir wachsam sein, ohne in Misstrauen zu verfallen und ganze Gruppen zu denunzieren.

Sie haben von einer terroristischen Vereinigung gesprochen. Könnte es die Dimension vom NSU haben?

Hat die Bundeswehr ein Problem mit rechtsgesinnten Soldaten? Bild: picture alliance/dpa/M. Schutt

Dafür ist zu wenig passiert, so weit wir von den Behörden bislang wissen. Wir wissen ja noch gar nicht, in welchem Kontext sich die Männer radikalisiert haben, wie die Bundeswehr und wie die Erstaufnahmeeinrichtung die Täuschungen übersehen konnten. Das wirft im Übrigen kein gutes Licht auf die jeweiligen Institutionen.

Wie konnte das passieren? Wie kann sich ein Bundeswehrsoldat als syrischer Flüchtling ausgeben?

Entweder er ist sehr trickreich, oder es zeigen sich Schwächen dieser Institutionen, die damit befasst sind - sowohl der Bundeswehr als auch der Erstaufnahmeeinrichtung.

Achtet die Bundeswehr nicht ausreichend darauf, dass sich keine Rechtsradikalen in ihren eigenen Reihen befinden?

Das wissen wir ja, dass das der Fall ist. Das ist ein Feld, das von rechtsextremer Seite beackert wird: Die autoritären Strukturen, dass man das Land verteidigt, all diese ideologischen Zuordnungen. Außerdem erhält man technisches Know-how, um Waffen benutzen zu können. Da ist die Aufmerksamkeit der Bundeswehr gefordert  - nun noch mehr als bisher.

Sie haben sich viel mit Rechtsterrorismus beschäftigt. Würden Sie sagen, dies ist ein klassischer Fall von rechtem Terror in der heutigen Zeit?

Die Indizien gehen in diese Richtung. Man muss bei dem jetzigen Stand annehmen, dass man viel vorhatte. Und dass man in die weichste Ecke der gegenwärtigen Debatte hineinstoßen wollte  - indem man die Syrer denunziert. Das ist infam. Etwas zu planen mit der Vermutung, dass man das den Syrern in die Schuhe schieben kann, könnte eine ganze Flüchtlingspolitik zum Kippen bringen. So muss man die Absicht, die man bisher kennt, unterstellen. Das ist heftig, das kann den ganzen Wahlkampf erschüttern.

Professor Hajo Funke lehrte bis zu seiner Emeritierung 2010 am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Er gilt als einer der führenden Experten zum Thema Rechtsextremismus und wirkte als Sachverständiger im NSU-Ausschuss.

Das Gespräch führte Stephanie Höppner.

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