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Wachsende Ablehnung von Flüchtlingen

Alexander Andreev 30. August 2016

Mehrere Staats- und Regierungschefs aus den östlichen EU-Staaten kritisieren die von Bundeskanzlerin Merkel vorgegebene Richtung in der Flüchtlingspolitik. Länder an den EU-Außengrenzen fühlen sich "alleingelassen".

Bulgarischer Zaun an der Grenze zur Türkei (Foto: DW)
Bulgarischer Zaun an der Grenze zur TürkeiBild: BGNES

Deutschland ziehe mit seiner "Willkommenskultur" besonders viele Flüchtlinge an - und diese wollten ohnehin nicht in den östlichen EU-Ländern bleiben: So argumentieren vor allem die Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei. Durch die viel geringeren Sozialleistungen im Vergleich zu Westeuropa und eine überwiegend ablehnende Einstellung der Bevölkerung gegen Flüchtlinge sind die mittel- und osteuropäischen Länder für diese tatsächlich weniger attraktiv.

Diese Einstellung erklärte der tschechische Premier Bohuslav Sobotka vor dem letzten Treffen der Visegrad-Gruppe mit Bundeskanzlerin Merkel damit, dass Gesellschaften, die nicht an Einwanderung gewöhnt seien, vor allem die kulturellen und religiösen Unterschiede zu Flüchtlingen aus Ländern wie Syrien registrierten. "Gleichzeitig sind in der Region, aus der die Flüchtlinge kommen, terroristische Strukturen wie zum Beispiel der IS aktiv", fügte er mit Blick auf Terroranschläge in Frankreich, aber auch Deutschland hinzu. Zudem habe sich in Westeuropa gezeigt, dass die Integration muslimischer Einwanderer eben nicht immer gelinge: "Das alles sind Risiken. Das wirkt sich im Bereich der öffentlichen Meinung aus und beeinflusst die Stimmung der Menschen in Mittel- und Osteuropa."

Angst vor Flüchtlingswelle in Bulgarien

Diese skeptische Haltung wird nicht nur in den Visegrad-Staaten, sondern auch in Rumänien und Bulgarien von einem Großteil der Bürger geteilt. Die Forderung wird immer lauter, die Flüchtlingskrise durch bilaterale und regionale Maßnahmen zu lösen. Der bulgarische Premier Boiko Borissow suchte direkte Verhandlungen mit der Türkei, um eine Flüchtlingswelle an der bulgarischen Südgrenze zu verhindern. "Ich weiß nicht, wie lange wir dem Migrationsdruck an unserer Grenze noch standhalten können", sagte Borissow der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Derzeit werde Bulgarien "praktisch alleine" gelassen. Borissow warb auch für die Einhaltung des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens und für die Visafreiheit für türkische Bürger, relativierte danach aber diese Aussage nach einem Vieraugengespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Bulgariens Premier Borissow suchte direkte Verhandlungen mit Ankara, um eine Flüchtlingswelle in Bulgarien zu verhindernBild: picture alliance/Photoshot

Bulgarische Beobachter meinen, er fahre einen Zickzackkurs - in dem Bestreben, die öffentliche Meinung im eigenen Land zu beruhigen, Berlin und Brüssel nicht zu verärgern und gleichzeitig seine Visegrad-Amtskollegen zu unterstützen. Borissows Versuch, zwischen der EU und der Türkei zu vermitteln und gleichzeitig eine Flüchtlingswelle an der bulgarischen Südgrenze zu verhindern, scheint bislang erfolglos zu sein.

"Hastige, unverantwortliche Schritte"

Die hektische Reisediplomatie in der Region der vergangenen Woche wurde auch von anderen Regierungschefs fortgesetzt. Am Samstag war die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo zu Gast bei ihrem rumänischen Amtskollegen Dacian Ciolos. Polen und Rumänien, die beiden größten osteuropäischen EU-Staaten, wollen in verschiedenen Punkten ihre Politik besser koordinieren, sagte Ciolos der DW nach dem Treffen mit Szydlo: Sowohl durch eine gemeinsame Haltung in der Flüchtlingsdebatte oder beim sogenannten Brexit als auch bei der Unterstützung der Ukraine und der Republik Moldau in der EU-Ostpartnerschaft. Dabei soll auch der Dialog mit den Staaten der Visegrad-Gruppe verstärkt werden, fügte er hinzu.

Szydlo erklärte, die Visegrad-Staaten seien offen für eine engere Zusammenarbeit mit Rumänien, um in den aktuellen Fragen der EU "bessere Lösungen zu finden". Kurz darauf hat der polnische Außenminister Witold Waszczykowski der EU-Kommission ein unverantwortliches Handeln in der Flüchtlingskrise vorgeworfen. Die Brüsseler Behörde habe keine Lösungen geliefert, sondern die Probleme noch weiter vergrößert, sagte der nationalkonservative Politiker am Montag auf einer Botschafterkonferenz in Berlin. Im vergangenen Jahr habe die EU-Kommission "hastige, unverantwortliche und nicht durchdachte Schritte" unternommen.

Mit der Kritik an der EU in der Flüchtlingskrise meinen die führenden Politiker der mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten vor allem den Kurs der Bundeskanzlerin. Die deutsche "Willkommenskultur" und der Vorschlag einer EU-weiten Verteilung der Flüchtlinge nach einer Quotenregelung werden weitgehend abgelehnt. Stattdessen mehren sich die Forderungen nach einem verstärkten Grenzschutz sowie neuen nationalen und bilateralen Maßnahmen.

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