Wachsende Kritik an Israels Offensive im Gazastreifen
22. Juli 2025
Israel steht in der Kritik: Die Außenminister von mehr als zwei Dutzend Ländern fordern in einer gemeinsamen Erklärung ein sofortiges Ende des Krieges im Gazastreifen. Sie kritisieren zugleich Israels Umgang mit der humanitären Hilfe für das abgeriegelte Palästinensergebiet. Dieses Vorgehen sei "gefährlich, schürt Instabilität und beraubt die Menschen im Gazastreifen ihrer Menschenwürde", heißt es in der internationalen Erklärung.
Aber auch an die Hamas richten sich die Außenminister: Die immer noch im Gazastreifen von der radikalislamischen Palästinenserorganisation festgehaltenen Geiseln müssten sofort freigelassen werden, heißt es in dem Text. "Weiteres Blutvergießen dient keinem Zweck."
Die Unterzeichner zeigen sich bereit, "weitere Maßnahmen zu ergreifen, um eine sofortige Waffenruhe und einen politischen Weg zu Sicherheit und Frieden für Israelis, Palästinenser und die gesamte Region zu unterstützen."
Das israelische Außenministerium wies die Erklärung als "ohne Bezug zur Wirklichkeit" zurück. Sie sende ein "falsches Signal" an die islamistische Hamas, hieß es.
Die palästinensische Terrororganisation habe den Krieg begonnen und sei "allein" dafür verantwortlich, dass es trotz laufender Gespräche noch zu keiner Waffenruhe und Geiselfreilassung gekommen sei, hieß es seitens des Außenministeriums. Die Hamas wird von vielen westlichen und auch einigen arabischen Ländern als Terrororganisation eingestuft.
Unterzeichnet wurde die Erklärung von zunächst 25 Ländern, unter anderem Italien, Frankreich, Österreich, das Großbritannien, Belgien und Kanada sowie von der EU-Kommissarin für Gleichstellung und Krisenmanagement. In einer Mitteilung der britischen Regierung sind nun zusätzlich Griechenland, Zypern und Malta aufgeführt. Deutschland gehört nicht zu den Unterzeichnern.
Deutschlands eigener Weg
Die Regierung in Berlin wählt den direkten Kontakt zu Israel. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul äußerte seine Sorgen über die "katastrophale humanitäre Lage" in Gaza auf seinem Social-Media-Kanal: "Wir fordern Israel dringend auf, die Vereinbarungen mit der EU zur Ermöglichung humanitärer Hilfe umzusetzen", so Wadephul.
Deutschland sieht sich vor dem Hintergrund des Holocaust in einer besonderen moralischen Verpflichtung, das Existenzrecht Israels zu schützen. Diese Haltung zeigt sich zum einen in zurückhaltender Kritik an Israel, zum anderen etwa durch Waffenlieferungen, diplomatische Unterstützung und die entschiedene Bekämpfung von Antisemitismus im In- und Ausland.
Angriff auf Lager der WHO
Doch die internationale Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen wächst - zuletzt nach der Offensive im Gebiet von Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens. Israel vermutet nach Aussagen von Insidern, dass dort mehrere der von der Hamas verschleppten Geiseln festgehalten werden.
Augenzeugen berichteten vom Einsatz von Bodentruppen. Soldaten hätten Gebäude im Südwesten der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht und Scharfschützen auf den Dächern positioniert. Bei ihrem Vorrücken stürmte die israelische Armee nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch Lagerhäuser und andere Einrichtungen der UN-Organisation.
"Das Militär drang in die Einrichtungen ein", beklagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in einem Statement, und habe Frauen und Kinder der WHO-Mitarbeiter dazu gezwungen, "zu Fuß inmitten von Kampfhandlungen nach Al-Mawasi zu fliehen". Männliche Mitarbeiter und Familienmitglieder seien entkleidet, an Ort und Stelle verhört und mit vorgehaltener Waffe durchsucht worden, heißt es von der Weltgesundheitsorganisation. Zwei WHO-Mitarbeiter und zwei Familienangehörige seien festgenommen worden.
In Deir al-Balah befindet sich auch das zentrale Warenlager der UN-Organisation für den Gazastreifen. Dieses sei bereits am Sonntag beschädigt worden, hieß es.
Auch die anderen Lager der UN-Hilfsorganisation befänden sich in der von Israel definierten Kampfzone und seien deshalb nicht mehr in Betrieb, so der WHO-Chef. "Dies schränkt unsere Fähigkeit ein, in Gaza tätig zu sein, und bringt das Gesundheitswesen in Gaza dem Zusammenbruch näher." Die israelischen Streitkräfte äußerten sich zunächst nicht zu den Vorgängen.
UNRWA-Chef: Verteilzentren für Hilfe sind "Todesfallen"
Um die Verteilung von Lebensmitteln kümmert sich in weiten Teilen des Gazastreifens die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Israel hatte den neuen Verteilmechanismus nach eigenen Angaben eingeführt, um zu verhindern, dass die Hamas Hilfsgüter abzweigt.
Immer wieder gibt es Berichte über tödliche Zwischenfälle in der Nähe der Verteilstellen der GHF. Der Leiter des UN-Hilfswerks für die Palästinenser (UNRWA), Phillipe Lazarrini, bezeichnete die Verteilzentren der Stiftung als "sadistische Todesfallen".
fab/AR/jj (dpa, rtr, WHO)