Wachsende Zweifel an Chinas Afrika-Politik
28. Oktober 2009Die Ernüchterung kam nicht erst am Montag (26.10.2009), als bekannt wurde, dass ein chinesischer Frachter von somalischen Piraten gekapert worden war. Doch seit diesem Vorfall brodelt es in China besonders heftig, insbesondere in den verschiedenen Foren im Internet. Denn die Entführung geschah trotz der chinesischen Militärpräsenz am Horn von Afrika. Drei Fregatten der Volksmarine, angeblich hochmodern ausgerüstet, befanden sich in der Nähe des Überfalls. Und das Oberkommando der Marine gab mit Verspätung zu, dass die Kriegsschiffe auch von europäischen Verbündeten vorgewarnt und informiert worden seien. Dass sich nun trotzdem 25 chinesische Seeleute in der Hand der Seeräuber befinden, markiert nicht nur das Versagen einer der ersten Militäroperationen der chinesischen Marine auf hoher See. Immer lauter werden in China auch die Stimmen, die verlangen, die komplette bisherige chinesische Afrika-Politik noch einmal zu überdenken.
Auf Augenhöhe
Erste Zweifel kamen bereits auf, kurz nachdem Peking 2006 das erste große China-Afrika-Gipfeltreffen als Start seiner Afrika-Strategie organisiert hatte. Renommierte chinesische Forscher beklagten sich schon damals darüber, dass sie nicht einmal finanzielle Zuschüsse für ihre Afrika-Reisen vom Staat bekommen hätten. Bald wurden die ersten Entführungen chinesischer Bauarbeiter in Afrika bekannt, ohne dass chinesische Diplomaten sie durch Verhandlungen wieder befreien konnten. Doch solchen negativen Nachrichten standen ansehnliche Verträge gegenüber, die Chinas staatlich dominierte Energiewirtschaft mit afrikanischen Staatschefs abschließen konnten. Vor allem Öl und Gas, aber auch Metalle standen auf Chinas Einkaufsliste. Im Gegenzug investierten die Chinesen massiv in schnell gebaute Brücken, Eisenbahnlinien und Schulen in Afrika. Verkauft wird dies als neue, chinesisch geprägte "Entwicklungspolitik": ohne Auflagen bei der Demokratisierung oder bei den Menschenrechten, dafür aber als Geschäfte gleichberechtigter Partner auf Augenhöhe.
Während im Westen die Angst stieg, dass Peking die alten Kolonialmächte in Afrika ausstechen könnte, ließ die chinesische Begeisterung über Afrika bis 2008 immer mehr nach. Die Verträge insbesondere mit autokratischen Regimes erwiesen sich nicht selten als Bumerang. So forderte Sambia trotz eines bereits abgeschlossenen Vertrags für Schürfrechte an einer Kupfermine von Peking eine Nachzahlung von umgerechnet rund einer Milliarde US-Dollar. Auch aus Nigeria, Simbabwe und dem Sudan mehren sich Nachzahlungsforderungen gegenüber chinesischen Unternehmen. Und auch die Entführungen von Chinesen in Afrika nahmen zu: vor allem im Sudan und in Nigerias Öl-Delta.
Gegen den "chinesischen Kolonialismus"
Eine Entwicklung ist dabei für Chinas Entscheidungsträger besonders bedrohlich: Immer mehr berufen sich afrikanische Entführer darauf, einen Kampf gegen den neuen, "chinesischen" Kolonialismus zu führen. Diese politische Dimension findet vor allem in Nordafrika zweifelhafte Unterstützer, seit China im Juli die Unruhen im muslimisch dominierten Autonomiegebiet der Uiguren in Nordwestchina blutig niederschlug. Dem politischen Peking schwor Al Qaida aus Algerien heraus blutige Rache für die unterdrückten muslimischen Brüder, ganze chinesische Arbeiterbaracken dort wurden belagert. Als Reaktion darauf verbreitet sich in der urbanen Mittelschicht in China der Rassismus gegenüber den "schwarzen Teufeln" aus Afrika, wie sie auf chinesisch genannt werden. Im Sommer 2009 kam es in der südchinesischen Metropole Guangzhou sogar zu Gewaltakten auf offener Straße gegen afrikanische Touristen und Studenten.
Aufrüstungspläne und Internet-Zweifel
Spätestens jetzt musste Chinas Politik reagieren. Sie beschloss zuerst eine Teilnahme an der internationalen Anti-Piraten-Mission am Horn von Afrika. Und sie ließ keine Gelegenheit ungenutzt, um die Stärke der eigenen neue Seestreitkräfte vor eigenem Publikum zu demonstrieren. Bewaffnete Eskorten, so heißt es nun auch aus offiziellen Kreisen der Strategen, sollten Chinas geopolitische Interessen beflügeln. Doch nach dem missglückten Befreiungsversuch des chinesischen Frachters vor Somalia mussten die Militärs einräumen, dass ihre Ausrüstung zur Piratenjagd nicht tauge. Deshalb fordern sie jetzt, dass man noch mehr in die Waffentechnologien investieren müsse: von Flugzeugträgern bis hin zu militärisch genutzten GPS-Systemen. Nichts dürfe mehr fehlen, wenn China ernsthaft als "verantwortungsbewusster" Mitspieler weltweit aufzutreten gedenke.
Doch wie schon zuvor melden sich aus dem chinesischen Internet erneut die Zweifler zu Wort. So heißt es in einem Forum: "Was haben wir in Afrika verloren? Warum sacken sich die Staatskonzerne dicke Gewinne ein, während unsereins Söhne und Brüder nach Afrika schicken muss, damit sie als Geisel genommen und, wenn die korrupte Regierung wieder einmal versagt, auch noch erschossen werden?"
Autor: Shi Ming
Redaktion: Thomas Latschan