Wadephul im Nahost-Konflikt: Diplomatie am Rande
Veröffentlicht 6. Oktober 2025Zuletzt aktualisiert 7. Oktober 2025
Das ist Johann Wadephul jetzt schon zum zweiten Mal passiert: Eigentlich wollte Deutschlands Außenminister nur rund zwei Tage in den Nahen Osten reisen: nach Katar und Kuweit. Aber dann kam die Nachricht, dass die islamistische Terrorgruppe Hamas die Freilassung aller israelischen Geiseln in Aussicht gestellt hat. Als Reaktion auf den Friedensplan von Donald Trump und nach einem zeitlichen Ultimatum des US-Präsidenten, darauf einzugehen. Und plötzlich war Wadephul mittendrin im Ringen um einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern.
Ein Déjà-vu für den deutschen Außenminister: Auch bei seiner ersten großen Nahost-Reise im Juni wurde Wadephul, damals in Ägypten, vom Weltgeschehen überrascht: Nach dem Angriff der Israelis auf die Nuklearanlagen des Iran konnte er damals nicht wie geplant nach Israel, in den Libanon und nach Syrien reisen. Schon damals galt: Mittendrin war der oberste deutsche Diplomat also schon, zumindest räumlich. Das Geschehen aber bestimmten andere. Das ist jetzt, Anfang Oktober, genauso.
Eine Diplomatie im Stillen und eher am Rande
Aber Wadephul will nichts unversucht lassen, Deutschlands und Europas Einfluss auf einen Fortschritt im Nahen Osten zu betonen. Erst recht, nachdem am Montag auch noch Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu zurückgetreten ist. Und Paris somit im Moment mit sich selbst beschäftigt ist.
Und so trifft Deutschlands Außenminister am Montag in Israel ein, einen Tag, bevor das Land tief erschüttert des Angriffs der islamistischen Hamas vor zwei Jahren gedenken wird. Es ist Sukkot, das Laubhüttenfest, die Straßen sind leer. Wadephul trifft seinen israelischen Kollegen Gideon Sa'ar. Mit ihm hat Wadephul ein gutes Verhältnis. Aber trifft das auf die gesamte israelische Regierung zu?
Für die DW begleitet Hauptstadt-Korrespondentin Giulia Saudelli den Außenminister und fragte ihn, wie er denn die Äußerungen des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu vom Sonntag bewerte, Europa sei für die nun anstehenden Verhandlungen "irrelevant." Das sei sicher nicht so, entgegnete Wadephul, Netanjahu habe wohl eher europäische Staaten wie Frankreich und Großbritannien im Blick, die einen palästinensischen Staat jüngst anerkannt hatten.
Deutschland hat das nicht getan und erhofft sich deshalb jetzt größeren Spielraum. Giulia Saudelii sagt dazu: "Mein Gefühl ist: Deutschland und Europa klammern sich aktuell an die Idee, allen Beteiligten zu zuhören, quasi am Rande stehend. Sie bieten ihre Hilfe an, wissen aber, dass sie zurzeit keinen direkten Kontakt zu denjenigen haben, die das jetzt verhandeln."
Wadephul versucht dennoch, auf seine israelischen Partner einzuwirken. Er verweist in einem Pressestatement auf das endlose Leid der Menschen im Gaza-Streifen. Jedes tote Kind, jeder Mensch sei einer zu viel: "Deswegen hat die Bundesregierung hier auch ihre mahnende Stimme erhoben. Aber insgesamt weiß Israel, dass wir an seiner Seite stehen."
Entscheidende Tage - und die Gefahr des Scheiterns
Schon bei seinen Gesprächen in Katar hatte Wadephul den Eindruck gewonnen, dass die jetzt beginnende Woche entscheidend sei für das Gelingen oder das Scheitern des Friedensplans. Die Regierung Katars gilt als wichtiger Beteiligter bei den Gesprächen und steht auch mit der Führung der Hamas im direkten Kontakt. Wadephul sagte am Sonntag nach einem Treffen mit dem katarischen Außenminister Scheich Mohammed Al-Thani, Trumps Friedensplan berge "die realistische Chance" auf einen Waffenstillstand, eine Befreiung aller Geiseln und "eine gute humanitäre Versorgung für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen".
Allerdings liege "noch ein harter Weg von Verhandlungen vor uns allen". Er rief alle Seiten auf, "jetzt den entscheidenden Schritt für Frieden und Verständigung hier in der Region" zu tun. Aber Wadephul sagte auch, allein das Signal der Hamas, zu Gesprächen bereit zu sein, bedeute noch nicht, dass der Plan auch aufgehe.
Merz telefoniert mit Trump und Netanjahu
Bereits am Wochenende hatte in Berlin Bundeskanzler Friedrich Merz die Initiative ergriffen und mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und mit US-Präsident Trump telefoniert. Danach verschickte das Bundespresseamt eine kurze Stellungnahme, in der es hieß: "Fast zwei Jahre nach dem Terrorangriff des 7. Oktobers 2023 ist dieser Plan die beste Chance auf Freiheit für die Geiseln und Frieden für Gaza." Der Bundeskanzler begrüße, dass Israel den Plan unterstütze. Der angekündigte Rückzug der israelischen Streitkräfte in Gaza sei ein richtiger Schritt.
Am späten Montag Abend traf Wadephul dann in Ägypten ein, wie zuvor Israel eine Station, die zunächst gar nicht auf seinem Reiseplan stand. Dort haben mittlerweile die Gespräche zwischen Abgesandten Israels und der Hamas begonnen, unter Vermittlung Ägyptens, Katars und den USA. Wadephul landete in der Metropole Kairo, nicht am Badeort Sharm El-Scheich, wo die Gespräche stattfinden. Wie immer auf dieser Reise war der deutsche Minister nah dran, aber nicht direkt beteiligt. In einer Videobotschaft auf der Plattform X wandte sich Wadephul an diesem 7.Oktober noch einmal an die Israelis: "Heute verneigen wir uns vor den Opfern. Wir erheben unsere Stimme gegen Terror, Hass und Antisemitismus."