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KonflikteAfrika

Wagner-Gruppe in Afrika: Welchen Einfluss hat sie noch?

28. Juni 2023

Die russische Präsenz in Afrika stützt sich entscheidend auf die Wagner-Gruppe. Doch mit der Meuterei von Prigoschins Söldnern ist diese Einheit gebrochen.

Demonstration in Bamako - ein Plakat mit der Aufschrift "Danke Wagner"
Die Wagner-Gruppe hat sich in einigen Staaten wie hier in Mali die Zustimmung der Bevölkerung gesichertBild: Florent Vergnes/AFP/Getty Images

Die Verunsicherung ist spürbar auf den Straßen von Bamako, der Hauptstadt Malis. Keine drei Jahre ist es her, dass sich Putschisten die Macht in dem Sahelstaat sicherten und damit auch eine politische Kehrtwende einleiteten: weg von Frankreich und westlichen Partnern, hin zu Russland. Begeistert hatten Bürgerinnen die Wagner-Gruppe im Land willkommen geheißen. Vor Kurzem erst erteilte Mali einer Verlängerung der UN-Mission im Land eine Absage. Doch nachdem Jewgeni Prigoschin seine Söldner nach Moskau marschieren ließ und damit den offenen Bruch auch mit Präsident Wladimir Putin vollzog, folgt die Ernüchterung.

"Selbst die russische Regierung beherrscht sie nicht", kommentiert ein Passant am DW-Mikro die Meuterei der Wagner-Gruppe. "Was sollen wir denn jetzt tun? Das zeigt, dass diese Armee nicht beherrschbar ist, das ist sehr gefährlich für uns." Und eine Frau fügt hinzu: "Die Malier haben mit Wagner ausgemacht, dass sie kommen, um uns zu retten! Wenn nun unser neuer Partner Russland mit ihnen im Konflikt ist, macht uns das große Angst!"

Russland steht zu Wagner-Präsenz in Afrika

Moskau bemüht sich indessen, Kontinuität zu bekunden. Passend zur Linie des Kremls, Prigoschins Aufstand herunterzuspielen, äußerte sich Außenminister Sergej Lawrow auch zu den Tätigkeiten von Wagner in Afrika: Die Gruppe würde in Mali und der Zentralafrikanischen Republik eine gute Arbeit machen, sagte Lawrow am Montag im Interview mit dem staatlichen russischen Sender RT, und bekräftigte, dass dieser Einsatz weitergehen würde.

Zwei Tage später ist der Ton etwas distanzierter, aber bemüht wertfrei: Es sei afrikanischen Ländern selbst überlassen, ob sie weiter mit Wagner zusammenarbeiten, sagt eine Sprecherin des Außenministeriums. Vom Sprecher des russischen Präsidenten heißt es indes, russische Ausbilder würden weiter in der Zentralafrikanischen Republik aktiv sein, mit dem Unternehmen Wagner habe man aber nichts zu tun.

Der Grund für derartige Äußerungen zeigt sich bei einem näheren Blick auf die Tätigkeiten des Unternehmens in Afrika: Kooperiert wird dort, wo es Rohstoffe gibt - und Wagner kontrolliert das Geschäft. Für die Regierung von Wladimir Putin stehe außerfrage, dass es weitergehen müsse, folgert der ehemalige zentralafrikanische Abgeordnete Jean-Pierre Mara: "Sie braucht das zentralafrikanische Gold, das malische Gold, um den Krieg zu finanzieren, also wird sich nichts ändern", sagt Mara im DW-Gespräch. "Ob es aber die gleichen Akteure sein werden, ist unklar."

Die russische Historikerin Irina Filatowa beschreibt das Verhältnis von Russland zur Wagner-Gruppe in Afrika als eine Win-Win-Situation, bei der Wagner vom Prestige Russlands und russischen Waffen profitiert. "Die Beziehungen gleichen sehr dem Muster europäischer Handelsunternehmen im 19. Jahrhundert", sagt Filatowa, emeritierte Professorin der Universität von KwaZulu Natal in Südafrika, der DW und zieht dabei Parallelen zur Kolonialzeit - ganz gleich, ob britisch, deutsch oder französisch: "Sie haben ein Mandat von ihrem jeweiligen Staat bekommen, haben unabhängig agiert, aber der Staat hat von ihrer Präsenz in Afrika profitiert."

Mali: 100 Millionen Euro für Wagner

Doch wie äußert sich diese neue russische Präsenz? Innerhalb weniger Jahre hat sich die Wagner-Gruppe unter ihrem Chef Jewgeni Prigoschin in verschiedenen konfliktbelasteten Ländern Afrikas fest etabliert. Darunter Mali: Satellitenbilder vom Flughafen von Bamako lieferten Anfang 2022 einen Beleg für die Präsenz der Wagner-Gruppe. Das Center for Strategic and International Studies machte hier eine neue Militärbasis aus, Ende 2021 hochgezogen, die der Gruppe als Basis diente, wie Augenzeugen bestätigten.

Zu der Zeit kursierte bereits eine Zahl: zehn Millionen US-Dollar (etwa neun Millionen Euro). So viel war Malis Militärregierung offenbar bereit, den Söldnern monatlich zu bezahlen. Aufs Jahr gerechnet macht das im Staatshaushalt einen Posten von von mehr als 100 Millionen Euro, etwa zweimal so viel wie das Justizministerium für das Jahr 2023 zur Verfügung hat oder drei Viertel vom Verkehrsbudget. 2022 tauchte in einem Regierungsbericht ein Zuwachs von 71,5 Milliarden CFA-Francs für den malischen Geheimdienst ANSE auf - eine Summe, die ziemlich genau den 100 Millionen Euro entspricht.

Doch das Regime steht zu dieser Zeit unter internationalen Sanktionen auch vom westafrikanischen Wirtschaftsbündnis ECOWAS, das Geld wird knapp, und Mali verschuldet sich gegenüber Wagner. Verschiedene Quellen geben jedoch Hinweise darauf, dass die Gruppe sich Zugang zu mehreren Goldminen im Land verschafft hat.

Zentralafrikanische Republik: Totale Abhängigkeit

In der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), wo nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs erst im Februar 2019 unter Präsident Faustin Archange Touadéra ein umfassendes Friedensabkommen zustande kam, reichen die Strippen der Wagner-Gruppe noch weiter. Hier durchdringen sie laut Angaben verschiedener Beobachter viele lukrativen Bereiche des Staats, wie beispielsweise den Ölsektor oder - wie in Mali - das Geschäft mit Gold. Ein kanadisches und ein südafrikanisches Unternehmen verlieren ihre Lizenz, ein madagassisches - russlandnahes - erhält eine neue Konzession.

Aber auch auf der personellen Ebene besteht Einfluss: Seit 2018 steht Präsident Touadéra selbst unter dem Schutz von Wagner-Söldnern. Zu seinen Beratern gehört lange Zeit ein Mann mit engeren Verbindungen zu Wagner-Chef Prigoschin.

Paul Crescent Beninga, Vertreter der zentralafrikanischen Zivilgesellschaft, beobachtet das mit Sorge: "Die Zentralafrikanische Republik zieht keinen Profit aus diesen Entwicklungen", sagt er der DW. "Gewinner sind vielmehr die Russen." Gerade die Art und Weise, wie sich die Wagner-Gruppe in innere politische Angelegenheit einmischt, bereitet ihm Sorge: "Wir sind an einem Punkt angekommen, wo das die Möglichkeit des zentralafrikanischen Staats, seine Politik ohne Druck zu betreiben, untergräbt", so Beninga.

Aus Dankbarkeit für den Schutz der Bevölkerung steht in Bangui ein Denkmal für die russischen SöldnerBild: Barbara Debout/AFP

Der ehemalige Minister Adrien Poussou, Autor eines Buches mit dem Titel "Afrika braucht Putin nicht", spricht ein hartes Urteil: "Präsident Touadéra ist eine Geisel von Wagner, und er weiß es", sagt Poussou im DW-Interview. "Also bleibt die Situation trotz der abgebrochenen Rebellion der Wagner-Gruppe festgefahren, bis eine noch größere Macht sich in den Tanz einmischt."

Ein Sprecher der Regierung in der Zentralafrikanischen Republik kanzelt Kritiker, die behaupten, die Regierung habe die Lage nicht im Griff, mit deutlichen Worten ab: "Das ist alles Unsinn."

Wie geht es nun weiter mit dem Wagner-Business in Afrika? Alles deutet darauf hin, dass die Geschäfte zu lukrativ sind und auch für Moskau zu wichtig, um sie aufzugeben. Historikerin Irina Filatowa, die sich viel mit den Beziehungen zwischen Russland und Afrika beschäftigt hat, weist darauf hin, dass das Unternehmen Wagner ein Netz von Sub-Unternehmen umfasst. "Sie können umbenannt werden oder unter der gleichen Marke firmieren - sie können unabhängig handeln." Und dennoch: Wie sich jede dieser Gruppen in Zukunft positioniere, hänge ganz vom Schicksal des Chefs Prigoschin ab. "Und das ist völlig offen."

Mitarbeit: Bob Barry, Sandrine Blanchard, Jean-Michel Bos, Mahamadou Kane (Bamako)

Dieser Artikel wurde aktualisiert.

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