Darum war Hitler Fan der "Meistersinger von Nürnberg"
21. Juli 2025
An Inszenierungen von Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" scheiden sich die Geister. Soll man die komische Seite der Oper betonen, oder ist es ein ernstes Stück über deutsche Tugenden mit antisemitischem Bezug? In der diesjährigen Neuinszenierung bei den Bayreuther Festspielen will Regisseur Matthias Davids komische Elemente der Oper betonen. Es bleibt der Beigeschmack, dass die Nationalsozialisten das Stück in ihre Reichsparteitage eingebunden haben.
Richard Wagnerwar Adolf Hitlers Lieblingskomponist, und das schon lange bevor er 1933 an die Macht kam. Der Diktator sah in Wagner einen Seelenverwandten, der mit den gewaltigen Klängen seiner Opern im 19. Jahrhundert die Massen begeisterte. Das machte sich Adolf Hitler später für seine Propaganda zunutze.
Kunst und Musik waren bei Wagner und Hitler Chefsache
Hitler, der gerne Kunst studiert hätte, machte große Musikinszenierungen genauso zur Chefsache wie staatstragende Architekturprojekte. "Hitler hat tatsächlich der Kunst einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt," sagt der Kunstwissenschaftler Wolfgang Brauneis, der sich mit Künstlern der Nazizeit beschäftigt hat. "Man kann das bis tief in die Kriegswirren beobachten, dass er selbst noch die Farbe von Mosaiksteinchen abgenommen hat bei großen Baustellen."
Nicht anders war es in Nürnberg, wo Hitlers Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ihre Parteitage abhielt. Für die Inszenierung von Richard Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg", die am Vorabend der Reichsparteitage gespielt wurde, wählte er selbst die Sänger und Dirigenten aus.
Das große Gesamtkunstwerk bei Wagner und Hitler
Als Hitler 1933 an die Macht kam, war Richard Wagner bereits 50 Jahre tot. Der Komponist hatte mit seiner Vorstellung eines Gesamtkunstwerks die Opernwelt revolutioniert. Ihm schwebte die Symbiose von Text, Musik, Regie, Bühnenbild und Architektur vor, alles aus einer Hand. Für seine Opern entwarf Richard Wagner ein Opernhaus auf dem grünen Hügel in Bayreuth nach eigenen Vorstellungen. Erstmals ließ er das Orchester in einem Graben vor der Bühne spielen, das Publikum saß in völliger Dunkelheit, nur die Bühne erstrahlte. Das inspirierte Hitler.
Seine Reichsparteitage in Nürnberg inszenierte der Diktator ab wie eine große Bühnenshow mit Lichteffekten und Massenaufläufen. Die ganze Stadt wurde zur Kulisse, mit gehissten Fahnen am Straßenrand für die Aufmärsche der Nationalsozialisten. In der letzten Szene der "Meistersinger von Nürnberg", in der es inhaltlich um die Bewahrung der deutschen Kunst geht, hatte der Bühnenbildner Benno von Arent 1935 die langen Fahnenreihen vor den mittelalterlichen Fachwerkhäusern der Stadt auf der Bühne aufgegriffen.
Eine deutsche Vorzeigeoper mit Antisemitismus?
Die Oper handelt von einem Sängerstreit um die Liebe einer Frau. Bäcker, Schneider, Goldschmiede und andere Handwerksmeister treten gegeneinander an. Der Stadtschreiber Beckmesser achtet strengstens darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Altmeister Hans Sachs, ein angesehener Sänger und Schuster, appelliert die alten Meister zu ehren und die deutsche Kunst zu bewahren.
Ein Grund, warum die "Meistersinger von Nürnberg" oft als Wagners deutscheste Oper bezeichnet werden. Das sieht auch der jüdische Regisseur Barrie Kosky so. Für den Australier spielt dabei aber auch der Antisemitismus eine Rolle. 2017 hat er die Meistersinger in Bayreuth als "Hetzjagd auf einen jüdischen Sänger" inszeniert, den er in der Figur von Beckmesser sieht. "Ich setze mich nicht mit der jüdischen Kultur auseinander, sondern mit der Parodie von Antisemitismus", erzählt Kosky im DW-Film "Warum Hitler Wagner vergötterte". Beckmesser verkörpere den Sündenbock, der alle Verantwortung trägt, das ganze Trauma eines Volkes. "Genau darum geht es. Sie machen ihn in meiner Inszenierung zum Juden."
Ob und in welcher Weise jüdische Figuren in Wagners Opern vorkommen und karikiert werden, ist in der Wagner-Forschung bis heute umstritten. Wagner selbst soll sich dazu nicht geäußert haben. Allerdings war der Komponist bekennender Antisemit. Er hat ein Pamphlet mit dem Titel "Das Judenthum in der Musik" verfasst, in dem er Musik von jüdischen Komponisten verunglimpft und behauptet, sie könnten nur andere kopieren.
Der Musikwissenschaftler Jens Malte Fischer sieht bei Wagners "Meistersingern" konkrete antisemitische Anspielungen. Im Sängerwettstreit singe der Stadtschreiber Beckmesser besonders scheußlich, außerdem stehle er die Lieder anderer. "Dieses 'Rumgeschmiere', das beschreibt Wagner in 'Das Judentum in der Musik‘ wirklich als Kennzeichen von Synagogenmusik. Und er sagt: Wie kann jemand überhaupt so singen, das ist ja alles ganz schrecklich. Das scheint mir hier auf sehr eindrückliche Art parodiert von Wagner", sagt er im DW Film.
Bayreuth 2025: Die "Meistersinger" als Lustspiel
Intrige, Liebe, Macht, Sieg und Heldentum, das sind Zutaten, die Richard Wagner immer wieder in seinen Opern verwendet. Die "Meistersinger" wurden daher als deutsche Vorzeigeoper von den Nationalsozialisten mit viel Pathos und Ernst hochgehalten, aber es gibt auch komödiantische Seiten beim Sängerwettstreit. Diese spielen eine große Rolle in der Neuinszenierung des Opern- und Musicalregisseurs Matthias Davids bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen.
Im Libretto der "Meistersinger" gebe es viele komische Situationen und Dinge, sagte Davids vor der Presse in Bayreuth. "Da gibt es die Sprachkomik und die Situationskomik", und manche Figuren gehörten eindeutig ins komische Fach. "Ich entdecke immer mehr Humorelemente, die vielleicht auch überraschend sind."
In der Programmbeschreibung der Festspiele wirft Dramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz die Frage auf, ob man die im Finale gepriesene "deutscher Meister Ehr‘" wirklich nur als Verdammung von allem was nicht "deutsch und echt" sei verstehen soll. "Könnten wir nicht alle Meister (und Meisterinnen) werden, wenn wir endlich lernten, mit uns selbst und anderen liebevoller umzugehen?"
Die Meistersinger-Premiere bei den Bayreuther Festspielen findet am 25. Juli statt. Die Festspiele enden am 26. August.