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Musik

Wagners "Frühstücke" in Bayreuth

Anastassia Boutsko16. August 2013

Unter dem Namen "FrühStück 1-3" wurden drei frühe Werke Wagners zum ersten Mal in Bayreuth aufgeführt. Der Komponist hielt sie für nicht aufführungswürdig. Hatte der Meister recht? Ein mutiges Experiment.

Szene aus "Das Liebesverbot Finale 1. Akt, Tuomas Pursio und der Opernchor (Foto: BF Medien GmbH 2013 / Markus Spona)
Szene aus "Das Liebesverbot"Bild: BF Medien GmbH 2013 / Foto: Markus Spona

"Von Leipzig nach Bayreuth" hieß das Projekt, das im Wagner-Jubiläumsjahr in Kooperation der von Festspiel-Co-Leiterin Katharina Wagner gegründeten BF-Medien und der Oper Leipzig realisiert wurde. Der Titel ist ein Hinweis auf die Geburtstadt Richard Wagners und auf den Ort, an dem er sein Lebenswerk vollendete. So wurden erstmals in der 137-jährigen Geschichte der Bayreuther Festspiele alle drei Jugendwerke des Komponisten in der Wagnerstadt präsentiert – allerdings vor dem eigentlichen Festspielauftakt. Im Bayreuther Festspielhaus dürfen nach Wagners Vorgabe nur seine zehn "festspieltauglichen" Werke gezeigt werden. Spielstätte der Frühwerke an drei aufeinander folgenden Tagen war deshalb die umgebaute, normalerweise für Sportveranstaltungen verwendete Bayreuther Oberfrankenhalle.

Dort gingen "Das Liebesverbot" und "Rienzi" szenisch über die Bretter; "Die Feen" waren lediglich konzertant zu sehen und zu hören.

Die Dirigenten Constantin Trinks und Ulf Schirmer leiteten das Gewandhaus-Orchester im "Liebesverbot" und in den "Feen"; bei "Rienzi" stand Christian Thielemann am Pult. Im "Liebesverbot" inszenierte Aron Stiel einen fast slapstikartigen Liebesreigen.

Der Regisseur Matthias von Stegmann lieferte eine bodenständige, jedoch schlüssige Version vom Fünfakter "Rienzi".

Das "FrühStück"-Projekt ist aber auch als Teil der Bayreuther Gesamtdramaturgie zu verstehen. Erst viel später, wenn die letzte Note des neu inszenierten "Ring" im Festspielhaus verklungen ist, kann man das ganze Bild erkennen. Mancher Besucher mag dann das Gefühl haben, von einem Berggipfel aus ins schöne Tal zu blicken und erstmals zu wissen, wo dieser Weg nach oben begonnen hatte.

Ein Genie schlüpft aus dem Ei

Als Richard Wagner die Musik seines großen Vorbilds Ludwig van Beethoven kennenlernte war er 13 Jahre alt. Mit 15 beschloss Wagner, der auch ein Faible für Literatur hatte, Komponist zu werden. Fünf Jahre später, 1833, entstand sein Erstling, die Oper "Die Feen" nach Carlo Gozzis Märchenspiel "Die Frau eine Schlange". Bereits im folgenden Jahr war "Das Liebesverbot oder Die Novize von Palermo" in Arbeit - sehr frei nach Shakespeares "Maß für Maß".

Die Arbeit am Libretto begann Wagner in Bad Lauchstädt, wo der 21-Jährige die Schauspielerin Minna Planer, seine spätere Frau, gerade kennengelernt hatte. Die Partitur dazu war zwei Jahre danach fertig - zeitgleich mit der Hochzeit von Richard und Minna.

1837 ging es weiter zum "Rienzi", den Wagner als Grand Opera nach französischem Vorbild konzipierte. Als frisch angestellter Kapellmeister in Riga begann er mit der Arbeit. 1840 vollendete Wagner das Werk. In der Zwischenzeit war er vor seinen Gläubigern nach Paris geflohen. Damals lag bereits die Partitur zur Oper "Der fliegende Holländer" auf seinem Tisch. Erstaunlich zeigt sich der Entwicklungsprozess des Komponisten in den sechs Jahren zwischen "Feen" und "Holländer".

Die Frühwerke strotzen vor Einfallsreichtum, Witz und Fantasie und atmen jugendliche Frische, Naivität und Lebensfreude. Man spürt aber zugleich jene gewaltige schöpferische Kraft. Zunächst klopft Wagner an fremden Pforten: In "Die Feen" versucht er, sich an den Pathos Ludwig van Beethovens zu messen. "Das Liebesverbot" kommt leichtfüßig in Donizetti- oder Rossini-Manier daher. Dagegen findet man in "Rienzi", Wagners erstem großen Bühnenerfolg in Dresden, eine bunte Mischung aus allem, was der junge Komponist in der ihm bekannten Musiklandschaft für verwertbar hielt.

Besonders ergreifend ist es, wenn man mitten in diesem geschickt gewebten Klangteppich plötzlich eine beinahe reife "Lohengrin"-Passage entdeckt oder einen "Fast-Tristan-Akkord" wahrnimmt. Ein roter Faden im Schaffen Wagners -wie beispielsweise das Thema von sich aufopfernden, erlösenden Frauen - ist auch in den Jugendwerken vorhanden.

Wagner sportlich

Wer Wagner in einer Sporthalle aufführen lässt, muss sich auf Kritiken gefasst machen, allein schon wegen der fraglichen Akustik. Wenn ein Sponsor sein Produkt Kompressionsstrümpfe just vor der hohen Opernpforte dem Publikum präsentiert, fällt dazu die eine oder andere witzige Bemerkung. Und wenn ein Drittel der Plätze bei der letzten der drei "Rienzi"-Aufführungen leer bleibt, obwohl der große Christian Thielemann dirigiert, scheint etwas in der Organisation schief gelaufen zu sein.

Das Ganze hatte schon einen Don Quijote-Charakter. Insider berichten, dass Projektleiterin und Komponisten-Urenkelin Katharina Wagner Einrichtungsgegenstände aus dem väterlichen Haus zum Aufpeppen des Bühnenbilds mitbrachte und in der Halle eigenhändig zum Staubsauger griff. Aufopferung für die Sache, ohne Aussicht auf entsprechende Entlohnung, ist sehr im Stil Richard Wagners.

"Dieses Projekt im Jubiläumsjahr ist ein Riesenkraftakt gewesen, das wir in der nächsten Zeit wohl kaum wiederholen werden", gab Daniel Weber von BF-Medien zu - Übermüdungsspuren im Gesicht. Verständlich. Und trotzdem: schade.

Die Oberfrankenhalle - Zentrum des Bayreuther Sportparks und Ort unterschiedlichster VeranstaltungenBild: cc-sa-by-Olli BB
Szene aus "Rienzi"Bild: BF Medien GmbH 2013 / Foto: Markus Spona
Richard Wagner 1842Bild: picture-alliance/akg-images
"Das Liebesverbot" von Aron Stiel in Szene gesetztBild: BF Medien GmbH 2013 / Foto: Markus Spona
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