1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

"Al-Sisi - an der Seite autokratischer Herrscher"

Bachir Amroune
25. März 2018

Ägyptens Regime kündigt zwar faire Wahlen an, doch eine Wiederwahl Al-Sisis stehe außer Frage, sagt Nahost-Experte Günter Meyer. Der einzige Gegenkandidat solle nur den Anschein einer demokratischen Wahl erwecken.

Ägypten Präsident Abdel Fattah Al-Sisi
Bild: picture-alliance/dpa/K. Elfiqi

Deutsche Welle: Am 26. März wählen die Ägypter ihren neuen Präsidenten. Neben dem bisherigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi gibt es nur einen einzigen Gegenkandidaten, der aus seiner Unterstützung für Sisi keinen Hehl macht. Was ist da los?

Günter Meyer: Das aktuelle politische System in Ägypten wird oft als Fassaden-Demokratie charakterisiert. Die aktuellen Wahlvorbereitungen haben vor allem das Ziel, einen überwältigenden Sieg für den Ex-Feldmarschall Al-Sisi zu sichern. Gegenkandidaten verschwinden im Gefängnis oder werden so unter Druck gesetzt, dass sie ihre Kandidatur zurückziehen. Der einzig verbleibende Gegenkandidat hat keinerlei Ambitionen auf das Präsidentenamt, sondern soll nur den Anschein einer Wahl zwischen zwei Kandidaten erwecken. An einem überwältigenden Wahlsieg des bisherigen Präsidenten ist deshalb nicht zu zweifeln - genauso wie dies auch vor dem 'Arabischen Frühling' unter Mubarak und seinen Vorgängern üblich war.

Die eigentliche Frage bleibt daher, wie hoch die Wahlbeteiligung sein wird. Bei der ersten Wahl Al-Sisis 2014 war eine Verlängerung um einen Tag erforderlich, weil die Wahlbeteiligung während der ursprünglich nur zwei geplanten Wahltage viel zu gering war. Jetzt wird eine noch geringere Wahlbeteiligung erwartet als vor vier Jahren.

Warum hat die Politik von Al-Sisi seine Wähler enttäuscht? 

Nach der kurzen Herrschaft der Muslim-Bruderschaft unter Präsident Mohammed Mursi sollte unter Al-Sisi alles besser werden - so die vollmundigen Versprechungen. Tatsächlich hat sich jedoch die wirtschaftliche Lage der meisten Ägypter verschlechtert. Spektakuläre und extrem aufwändige Megaprojekte - wie die Errichtung einer neuen Verwaltungshauptstadt und der Ausbau des Suez-Kanals - haben die Staatsverschuldung massiv erhöht. Als Retter in höchster Not musste die ägyptische Regierung die Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch nehmen. Die Zusagen von 21 Milliarden US-Dollar vom IWF und anderen Kreditgebern waren jedoch mit der Verpflichtung gekoppelt, eine tiefgreifende wirtschaftliche Strukturanpassung durchzuführen. Zur Senkung der Staatsausgaben mussten die Subventionen unter anderem für Gas und Wasser sowie die ohnehin schon niedrigen Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst gesenkt werden.

Günter MeyerBild: Inka Meyer

Gleichzeitig wurde zur Erhöhung der Staatseinnahmen die Mehrwertsteuer eingeführt. Das trug ebenso zu Preissteigerungen bei wie die Abwertung der ägyptischen Währung, wodurch die Preise für Importwaren stiegen. Das Ergebnis war eine gravierende Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit. Dies betrifft vor allem Jugendliche und unter ihnen besonders Hochschulabsolventen, von denen viele keine Chance haben, eine angemessene berufliche Anstellung zu finden. 

Wenn wir uns die Gesamtbilanz der vergangenen vier Jahre von Al-Sisi anschauen: Wo hatte er Erfolg und wo ist er gescheitert?

Der größte Erfolg des Präsidenten bestand darin, dass er sich die finanzielle Unterstützung der erdölreichen Golfstaaten, insbesondere von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten durch den Kampf gegen die Muslim-Bruderschaft, sichern konnte. Bei der Niederschlagung der Proteste gegen den Sturz von Präsident Mursi wurden mehr als 1000 Anhänger der Muslim-Bruderschaft getötet und Zehntausende verhaftet. Damit hat sich Al-Sisi auf die Seite der autokratischen Herrscher in der arabischen Welt gestellt, die im politischen Islam der Muslim-Bruderschaft die größte Bedrohung ihrer Herrschaft sehen. Belohnt wurde er dafür durch hohe Investitionen aus den Golfstaaten für die Finanzierung von Großprojekten in Ägypten. Dass er jedoch im Gegenzug zwei Inseln im Roten Meer, Tiran und Sanafir, an Saudi-Arabien abgetreten hat, führte zu landesweiten Protesten und hat seiner Popularität erheblich geschadet. Obwohl sich die größtenteils staatlich kontrollierten Medien darum bemühten, diesen Verlust des ägyptischen Staatsgebietes, zu rechtfertigen.

Zur Negativbilanz zählt auch die anhaltende Verschlechterung der innenpolitischen Sicherheitslage. Dies betrifft nicht nur die Sinai-Halbinsel, wo große Teile der dort ansässigen beduinischen Bevölkerung die ägyptischen Sicherheitskräfte als Besatzungsmacht ansehen, sie bekämpfen und dabei von Djihadisten des Islamischen Staates unterstützt werden. Terroranschläge auf Polizei, Armee und Angehörige religiöser Minderheiten wie Christen und Sufis haben bereits viele Hunderte von Todesopfern gefordert. Inzwischen ist die Terrorwelle auch in anderen Landesteilen angekommen - in Kairo, in Alexandria, im Delta und in Oberägypten. Ägypten kann damit keineswegs als sicherer Reiseland gelten - mit der Konsequenz eines dramatischen Rückgangs im Tourismus und dem Verlust einer Vielzahl von Arbeitsplätzen.

Die Sicherheitsgarantien, die man von einem Mann des Militärs wie Al-Sisi erwartet hatte, konnten somit nicht eingelöst werden. Auf der anderen Seite quellen die Gefängnisse über mit Kritikern des Regimes. Deren Zahl hat mittlerweile das Niveau unter Mubarak deutlich überschritten.

Wie könnte Al-Sisi das Ruder nach seiner Wiederwahl herumreißen?

Das wird sehr schwierig werden. Die negativen Auswirkungen der Strukturanpassungspolitik können nur abgefedert werden, wenn die Investitionen nicht in spektakuläre Großprojekte fließen. Die aktuellen Chancen der Währungsabwertung sollten für eine breite Exportoffensive und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Klein- und Mittelbetrieben genutzt werden. Davon ist jedoch bisher nichts erkennbar. Noch wichtiger ist die Verbesserung der Sicherheitslage. Wie schwierig das ist, zeigt der bisher beispiellose Großeinsatz des Militärs auf der Sinai-Halbinsel. Bis zu den Wahlen sollten die Terroristen besiegt sein - ein Erfolg, der Al-Sisi versagt blieb. Ebenfalls von entscheidender Bedeutung, gerade im Hinblick auf die Finanzierung von außen, bleibt die Bündnistreue mit Saudi-Arabien und den Emiraten gegen Katar und die Türkei, die weltweit als die Vorreiter der Muslim-Bruderschaft agieren. 

Fast zwei Kilometer lang und 150 m hoch soll sie werden - die Staumauer des DammsBild: Reuters/T. Negeri

Im Hinblick auf den Konflikt um den äthiopischen Renaissance-Staudamm: Wie sieht es an der Südflanke Ägyptens aus? 

Hier gab es in den vergangenen Monaten bei dem Streit um die Nutzung des Nilwassers zunächst eine massive Verschärfung der Spannungen mit dem Sudan und vor allem mit Äthiopien. Nach der jüngsten diplomatischen Annäherung zwischen Kairo und Khartum vor wenigen Wochen, ist in den letzten Tagen auch eine leichte Entspannung des Verhältnisses zwischen den Regierungen in Ägypten und Äthiopien festzustellen. Die Verknappung des Nilwassers, das für das Überleben des ägyptischen Staates absolut entscheidend ist, wäre für Ägypten ein Kriegsgrund. Deshalb hat Präsident Al-Sisi schon mehrfach mit militärischen Maßnahmen gedroht, um die Wassersicherheit des Landes zu gewährleisten. Eine Lösung dieses Konfliktes erscheint möglich, wenn die Füllung des Stausees vor dem Renaissance-Damm so langsam erfolgt, dass eine gravierende Reduzierung der Wasserführung im Unterlauf des Nils verhindert wird.

Amnesty International hat heute von einer weiteren Zuspitzung der ursprünglich schon schwierigen Menschenrechtslage kurz vor den Wahlen berichtet und verlangt eine deutliche Kritik von der Bundesregierung. Warum sind die westlichen Staaten im Bezug auf Ägypten so still?

Hier stehen wirtschaftliche und politische Interessen im Vordergrund. Angefangen mit den USA, die seit vielen Jahren das ägyptische Regime mit Milliarden zum Kauf amerikanischer Waffen unterstützen, um so eine Stabilisierung des Verhältnisses zu Israel zu sichern. Die übrigen westlichen Staaten, gerade auch Deutschland, sind am ägyptischen Absatzmarkt interessiert. Zahlreiche deutsche Unternehmen haben sich in Ägypten engagiert. Dementsprechend gibt es ein großes Interesse, diese Beziehungen nicht zu gefährden. Kritik von deutscher Seite wird allenfalls sehr leise geäußert und man lässt Ägypten als befreundetes Regime gewähren. Gegenüber den wirtschaftlichen und politischen Interessen spielen Fragen der Menschenrechte, genauso wie es in der Vergangenheit unter Mubarak der Fall gewesen ist, kaum eine Rolle.

Professor Günter Meyer ist Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz.

Das Gespräch führte Bachir Amroune.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen