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Politik

Wahl in Algerien: Wut und Ohnmacht

12. Dezember 2019

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen haben die Algerier einen neuen Präsidenten gewählt. Die Auswahl der Kandidaten verärgerte viele, die Opposition boykottierte die Wahl. An einigen Orten kam es zu Gewaltausbrüchen.

Algerien Präsidentschaftswahl
Bild: picture-alliance/AP/D. Cole

Begleitet von Massenprotesten und Unruhen hat in Algerien die umstrittene Präsidentschaftswahl stattgefunden. Rund zehntausend Demonstranten gingen in Algier auf die Straße. Die Polizei hatte zuvor versucht, eine Kundgebung gewaltsam zu verhindern. Die versammelte Menge schaffte es jedoch, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen und auf einen symbolisch wichtigen Platz im Herzen der Stadt zu gelangen. In einem Wahllokal musste sogar die Wahl kurzzeitig unterbrochen werden.

In der Region Kabylei kam es an mehreren Orten zu Unruhen. Angreifer sollen Wahlurnen durchwühlt und Wahllisten teilweise zerstört haben, wie ein Bewohner der Stadt Bejaia berichtete. In anderen Städten der Kabylei versammelten sich Menschen um Wahllokale, andere strömten aus Protest gegen die Abstimmung auf die Straßen. In der Region leben viele Menschen der Berber-Minderheit, die der Zentralregierung in Algier kritisch gegenüberstehen. 

Die Kandidaten (v. l.): Ex-Kultusminister Azzedine Mihoubi, Ex-Premier Abdelmadjid Tebboune, Ex-Tourismusminister Abdelkader Bengrina, Ex-Premier Ali Benflis und Abdelaziz Belaïd von der Partei El MostakbalBild: AFP

Im flächenmäßig größten Land Afrikas waren knapp 24,5 Millionen Algerier aufgerufen, an der Wahl teilzunehmen. Sie war notwendig geworden, weil der bisherige Präsident Abdelaziz Bouteflika nach 20 Jahren im Amt im April zurückgetreten war. Seit Februar gehen regelmäßig Zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen die Regierung und Machtelite des Landes zu protestieren. Algerien kämpft mit schweren wirtschaftlichen Problemen.

Zu der Abstimmung wurden fünf von insgesamt 23 Bewerbern zugelassen. Die Kritik vieler Algerier entzündete sich besonders an den zugelassenen Kandidaten, die in ihren Augen Teil der alten Elite sind. Ihre Wahlkampfauftritte zogen kaum Anhänger an.

Der zurückgetretene Staatschef Abdelaziz Bouteflika im AprilBild: picture-alliance/AP Photo/S. Djarboub

Ali Benflis war zunächst Büroleiter des Präsidenten und dann Regierungschef, Abdelmadjid Tebboune war unter Bouteflika mehrfach Minister und 2017 schließlich drei Monate lang Ministerpräsident, der 60-jährige Azzedine Mihoubi diente Bouteflika bis März als Kulturminister. Abdelkader Bengrina war von 1997 bis 1999 Tourismusminister und ging aus einer Partei hervor, die Bouteflika unterstützt hat. Abdelaziz Belaïd begann seine politische Karriere in Jugendorganisationen, die den langjährigen Staatschef ebenfalls unterstützten.

Gegner der Wahl in AlgierBild: Reuters/R. Boudina

Internationale Beobachter hatten die Organisation der Wahl schon im Vorfeld kritisiert. Die arabische Wahlinitiative Munathara, die vor wenigen Wochen im benachbarten Tunesien mehrere TV-Duelle organisierte, beklagte etwa mangelnde Transparenz und fehlende Minimalstandards der einzigen TV-Diskussionen der algerischen Präsidentschaftskandidaten. Wahlbeobachter der EU waren nicht eingeladen worden.

Demonstration gegen die Wahl am Mittwoch in AlgierBild: Reuters/R. Boudina

Es war bereits der dritte Versuch in diesem Jahr, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Die Massenproteste gegen die Führung hatten begonnen, als Bouteflika Anfang des Jahres ankündigte, bei der für April geplanten Wahl für eine fünfte Amtszeit kandidieren zu wollen. Auch eine für den Sommer geplante Wahl war aufgrund der anhaltenden Massenproteste und aus Mangel an Kandidaten verschoben worden.

Auf eine niedrige Beteiligung an dem aktuellen Wahlgang deutete bereits das geringe Interesse der im Ausland lebenden Algerier an dem Votum hin. Die Mitglieder der gemeinhin als konservativ geltende Exilgemeinde konnte seit Samstag ihre Stimme abgeben, doch die Wahllokale im Ausland blieben weitgehend verwaist. Die auf die Maghreb-Staaten spezialisierte Historikerin Karima Dirèche erwartet daher mit Blick auf die Wahlbeteiligung ein "totales Fiasko". Dadurch sei der neu gewählte Präsident "von vornherein diskreditiert".

stu/mak (dpa, afp)

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