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Wahl in Brandenburg setzt Deutschlands Regierung unter Druck

Veröffentlicht 23. September 2024Zuletzt aktualisiert 23. September 2024

Der Sieg der SPD bei der Landtagswahl in Brandenburg verschafft Kanzler Olaf Scholz innerparteilich etwas Luft. Für die Regierungskoalition birgt er aber Sprengstoff.

Das Foto zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz, der vor einem Mikrofon steht und redet. Hinter ihm ist eine rote Wand zu sehen, im Vordergrund verschwommen die Spiegelung von einem Kameralicht.
Das Ergebnis der SPD in Brandenburg verschafft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Atempause - mehr aber auch nichtBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

"Ein tolles Ergebnis, sehr toll für die SPD, auch für uns alle", freute sich Bundeskanzler Olaf Scholz noch am Wahlabend über den Sieg seiner Partei bei der Landtagswahl in Brandenburg. Die Erleichterung war ihm anzumerken. Brandenburg hat zwar nur rund 2,1 Millionen Wahlberechtigte und ist nur eins von 16 Bundesländern. Doch nach den verheerenden Wahlschlappen in Thüringen und Sachsen am 1. September ist der SPD in Brandenburg etwas gelungen, mit dem kaum zu rechnen war: eine fulminante Aufholjagd. Noch zu Jahresbeginn lag die Partei in den Brandenburg-Umfragen bei 17 Prozent, nun ist sie mit 30 Prozent aus der Wahl hervorgegangen. Von einem solchen Erfolg träumt Scholz, wenn er an die Bundestagswahl 2025 denkt. 

Gut gelaunt, beklatscht und umringt von Journalisten: Die SPD mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat die Wahl gewonnenBild: Markus Schreiber/AP/picture alliance

Das Wahlergebnis sei für ihn und die SPD "ein Auftrag und ein Zeichen", so Scholz. "Es lohnt sich zu kämpfen, es ist wichtig, geschlossen zu bleiben und fokussiert, und das ist dann auch das, was wir uns für die im nächsten Jahr anstehende Bundestagswahl vornehmen werden."

Wahlschlappe für Grüne und FDP

Die größte Herausforderung wird für Scholz aber erst einmal sein, seine Regierungskoalition mit Grünen und FDP zusammenzuhalten. Das wird durch das Wahlergebnis nicht leichter. Die beiden Parteien haben in Brandenburg eine krachende Niederlage erlitten und verpassten den Einzug in den Landtag. Die Grünen kamen auf gut vier Prozent, das Wahlergebnis der FDP ist in Brandenburg mit unter einem Prozent kaum noch messbar. Dort, wie schon in Thüringen und Sachsen ist die FDP in die politische Bedeutungslosigkeit abgerutscht. 

"Die Leute fühlen sich nicht gehört, nicht nur, aber auch von uns Grünen", analysierte die grüne Parteivorsitzende Ricarda Lang das Wahlergebnis. Ihre Partei müsse "näher ran an die Lebensrealität der Menschen im Osten". Die FDP reagierte merklich dünnhäutiger. Erneut sehen die Liberalen die Verantwortung für das miserable Ergebnis bei der Regierungskoalition in Berlin. Die Zusammenarbeit vor allem mit den Grünen sei für die FDP "toxisch", schimpfte Vize-Parteichef Wolfgang Kubicki, der schon häufiger den Ausstieg der FDP aus der Regierung gefordert hat. "Ich glaube nicht, dass bei der jetzigen Performance diese Koalition Weihnachten noch erreicht." 

Die FDP setzt ein Ultimatum

Die sogenannte Ampel gilt als zerrüttet. Nach knapp drei Jahren im Amt finden die zwei eher linken Parteien SPD und Grüne mit der wirtschaftsliberalen FDP kaum noch Gemeinsamkeiten. Ständig habe er gesagt, SPD, Grüne und FDP müssten ihre Streitigkeiten abstellen, klagte Grünen-Co-Chef Omid Nouripour nach der Brandenburg-Wahl. Inzwischen erwarte er aber nicht mehr viel. "Ich glaube das nicht mehr." Die Arbeit werde zwar weitergehen. "Das ist es auch dann." Sein Herz hänge nicht mehr an der Koalition.

Wie lange kann Bundeskanzler Olaf Scholz (vorne) seine Koalition mit Grünen und FDP noch zusammen halten?Bild: dts-Agentur/picture alliance

Nicht einmal jeder fünfte wahlberechtigte Bundesbürger ist mit der Arbeit der Regierung noch zufrieden. Bundespolitische Themen wie die kränkelnde Wirtschaft und vor allem das Thema Migration bestimmten den Wahlkampf in Brandenburg. "Migration, wirtschaftlicher Erfolg dieses Landes und stabilitätsorientierte Haushaltspolitik mit mutiger Schwerpunktsetzungen, das sind die Fragen, die in diesem Herbst geklärt werden müssen", forderte FDP-Chef Christian Lindner am Tag nach der Brandenburg-Wahl. "An diesen Fragen wird die Koalition gemessen und an diesen Fragen messen auch wir als FDP die Regierung." Von einem "Herbst der Entscheidungen" hatte schon am Wahlabend FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gesprochen.

Mahnung von der SPD 

Der Ampel stehen schwierige Zeiten bevor, doch SPD-Chef Lars Klingbeil warnt: "Wir sind gewählt und wir haben einen Job zu erledigen in diesem Land. Ich hoffe, dass niemandem die Puste ausgeht bei diesen schwierigen Herausforderungen, die zweifelsohne da sind und niemand in der Koalition auf die Idee kommt, vor Verantwortung wegzurennen." In der Verantwortung sieht Klingbeil die Parteien vor allem auch im Kampf gegen die in Teilen rechtsextreme AfD. In Brandenburg ist sie bei der Wahl mit gut 29 Prozent auf Platz zwei gekommen. 

Auf der AfD-Wahlparty in Brandenburg tanzten Anhänger und sangen: "Millionenfach abschieben". Bild: Sean Gallup/Getty Images

"Wir sind extrem zufrieden mit dem Ergebnis", so Co-Parteichefin Alice Weidel. Gerade bei jüngeren Wählern habe die AfD überproportional punkten konnte. Das zeige, dass ihre Partei die "Partei der Zukunft" sei. Mit Blick auf die nächste Bundestagswahl sagte Weidel, sie glaube, "dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass wir Kurs halten müssen". Das Konzept der "Brandmauer" gegen die AfD werde dauerhaft nicht funktionieren. 

Olaf Scholz so unbeliebt wie kein Kanzler vor ihm

Dabei war genau das die Linie, mit der die SPD am Ende vorne lag.  Nur wenn seine Partei gewinne und nicht die AfD, werde er weiter in der Landespolitik bleiben, hatte der amtierende Ministerpräsident Dietmar Woidke alles auf eine Karte gesetzt. Ein risikoreiches Unterfangen, das am Ende aber aufging.  

Woidke: SPD hat Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt

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Für die Bundes-SPD kann es dennoch keine Option sein, denn Olaf Scholz ist so unbeliebt, wie kein Kanzler vor ihm. In der SPD gibt es daher schon länger eine Debatte, ob Scholz der richtige Kandidat für die Bundestagswahl 2025 ist. Die SPD-Spitze will von der Diskussion nichts wissen, fürchtet neuen Streit und Unruhe. "Sie kennen meine Äußerung, sie kennen die klaren Äußerungen von (der Co-Vorsitzenden) Saskia Esken und von anderen: Wir wollen mit Olaf Scholz in die Bundestagswahl gehen, da sind wir sehr klar", betonte Lars Klingbeil am Wahlabend. 

CDU nur auf Platz vier hinter dem BSW 

Auch Dietmar Woidke stellte sich am Tag nach der Wahl hinter Scholz. Dabei war der Ministerpräsident im Wahlkampf auf maximale Distanz zum Kanzler und zur Bundes-SPD gegangen. Die Sozialdemokraten könnten daher auch nicht zufrieden mit dem Sieg sein, kommentierte CDU-Chef Friedrich Merz. "Im Gegenteil, die SPD hat ihn ausdrücklich gegen die Koalition, ausdrücklich gegen den Bundeskanzler erzielt, der nicht erwünscht war in diesem Wahlkampf." 

Die CDU kann mit der Wahl in Brandenburg allerdings auch nicht zufrieden sein. Sie landete noch hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf Platz vier. Das BSW erreichte rund 13 Prozent, die CDU rund zwölf Prozent. Das ist das schlechteste Ergebnis seit der deutschen Vereinigung 1990. Am Tag nach der Wahl bemühte sich die Parteispitze, der Wahl keine große Bedeutung zuzumessen. Viel mehr konzentrierte man sich in der CDU-Zentrale in Berlin darauf, dass Merz nun auch offiziell von den Parteigremien der CDU/CSU als Kanzlerkandidat nominiert wurde.  

Blickt nach seiner Nominierung gelassen auf das Wahlergebnis: CDU-Chef Friedrich MerzBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Entschieden hatte die Union die Personalie überraschend kurz vor der Wahl. Ein im Rückblick kluger Schachzug. Wäre Merz noch nicht benannt, wäre das Wahlergebnis sicherlich Grundlage für neuerliche Diskussionen um seine Eignung als Kanzlerkandidat gewesen. Doch so konnte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Wahlabend entspannt bleiben. "Das ist eine Niederlage heute in Brandenburg, ganz klar, da will ich auch gar nicht drum herumreden und: Glückwunsch an die SPD." 

Der Artikel wurde am 22. September erstmals veröffentlicht und am 23. September aktualisiert.

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