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PolitikGeorgien

Wahl in Georgien: Massenproteste und teils Neuauszählungen

29. Oktober 2024

Zehntausende Georgier hatten gegen das Wahlergebnis protestiert. Ihr Vorwurf: Wahlbetrug. Ein Teil der Stimmen soll nun neu ausgezählt werden. Derweil gratuliert Ungarns Ministerpräsident der Regierungspartei zum Sieg.

Mitglieder einer Wahlkommission in Georgiens stehen um einen Tisch und zählen die Stimmzettel aus
Mitglieder einer Wahlkommission in Georgien zählen die StimmzettelBild: Kostya Manenkov/picture alliance/dpa/AP

Nach Massenprotesten gegen das offiziell verkündete Wahlergebnis in Georgien soll ein Teil der Stimmen neu ausgezählt werden. Wie die Wahlkommission mitteilte, sollen in etwa 14 Prozent der Wahllokale, die landesweit zufällig ausgesucht werden, die Stimmen erneut ausgezählt werden. Zuvor hatte die Behörde die Wahl als frei und fair bezeichnet.

Nach der Auszählung fast aller Stimmen hatte die Wahlkommission die Regierungspartei Georgischer Traum mit 53,9 Prozent der Stimmen am Sonntag zur Siegerin erklärt. Das pro-westliche Oppositionsbündnis kam demnach auf knapp 37,7 Prozent.

"Die Wahl wurde gestohlen"

Das Bündnis bezeichnet die offiziellen Ergebnisse als "gefälscht" und beansprucht den Wahlsieg für sich. Es erklärte, dass es nicht in das "unrechtmäßige" Parlament einziehen werde, sondern Neuwahlen fordere.

Zehntausende Georgen protestieren in Tiflis gegen das WahlergebnisBild: Zurab Tsertsvadze/AP/picture alliance

Am Montagabend waren dann zehntausende Menschen in Georgien auf die Straße gegangen, um gegen mutmaßlichen Wahlbetrug zu protestieren. Auch die pro-europäische Präsidentin Salome Surabischwili beteiligte sich daran.

Die Politikerin bekräftigte am Dienstag in einem Gespräch mit dem Radiosender RFI ihre Einschätzung, dass die Wahl manipuliert worden sei. Es sei nicht ihre Rolle, die Regierung zu beschuldigen, sagte Surabischwili weiter "Aber die Methode ist russisch." Sie erklärte, dass dieselben Personalausweise genutzt worden seien, um an mehreren Orten zu wählen. Zudem sei Bargeld in der Nähe von Wahlbüros verteilt worden und es habe Probleme bei der elektronischen Wahl gegeben, fügte sie hinzu.

Die amtierende Präsidentin Georgiens, Salome Surabischwili, gehört dem pro-europäischen Oppositionsbündnis anBild: Alexander Patrin/ITAR-TASS/IMAGO

Wahlbeobachter sprechen von "Unregelmäßigkeiten"

Eine Gruppe georgischer Wahlbeobachter hatte am Montag erklärt, Beweise für einen komplexen und groß angelegten Betrug entdeckt zu haben. Sie forderte die Annullierung von mindestens 15 Prozent der abgegebenen Stimmen. "Diese Manipulation fand ausschließlich in ländlichen Gebieten statt, und wir können sagen, dass die Regierungspartei Wahlbetrug begangen hat", erklärte der Datenanalyst Levan Kvirkvelia im Onlinedienst X.

Auch die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des Europarats, des Europaparlaments und der NATO hatten Zweifel am offiziellen Ergebnis geäußert. Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Europäische Union sprachen von "Unregelmäßigkeiten". Doch gehen die Reaktionen der EU und der USA nicht so weit, die Abstimmung insgesamt zu verwerfen.

Orban gratuliert Wahlsieger

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der noch bis Jahresende EU-Ratspräsident ist, hat nach eigenen Worten keinen Zweifel am Wahlergebnis in Georgien. Orban war symbolträchtig und auf Einladung der Regierung kurz nach den Wahlen in Tiflis eingetroffen.

Georgiens Premierminister Irakli Kobachidse (links) empfängt Ungarns Premier Viktor Orban nach der Wahl in GerogienBild: Davit Kachkachishvili/Anadolu/picture alliance

"Niemand hat sich getraut zu sagen, dass diese Wahl oder ihr Ergebnis nicht demokratisch waren - abgesehen von kritischen Meinungen, die geäußert wurden", wurde Ungarns Staatsoberhaupt zitiert. Ungarische Beobachter hätten die Abstimmung als "positiv, frei und in jeder Hinsicht demokratisch" eingestuft, sagte er. Deshalb gratuliere er seinem Gastgeber, dem georgischen Ministerpräsidenten Irakli Kobachidse. 

Orbans Besuch war nicht mit den EU-Partnern abgesprochen. "Was auch immer Herr Orban während seines Besuchs sagt, er vertritt nicht die Europäische Union", stellte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell klar. Die Außenminister von 13 EU-Ländern, darunter Deutschland, kritisierten Orbans Georgien-Besuch als "verfrüht".

Richtungweisende Wahl

Die Parlamentswahl galt als richtungweisend für die ehemalige Sowjetrepublik. Die Regierungspartei, die seit 2012 an der Macht ist, hält zwar offiziell am Plan fest, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Gleichzeitig bemüht sich der Georgische Traum aber auch um eine Annäherung an Russland. Die Opposition sowie Surabischwili wollen dagegen das Land in die EU führen und aus dem Einfluss Russlands lösen.

ch/kle (kna, afp, dpa, rtr)

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