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PolitikIndien

Wahl in Indien: Dämpfer für Premier Modi

Murali Krishnan in Delhi
5. Juni 2024

Modis BJP-Partei wurde zum dritten Mal die stärkste Kraft, verlor aber die absolute Mehrheit. Nun ist sie auf ihre Koalitionspartner angewiesen, um an der Macht zu bleiben.

Indien Wahlen Narednra Modi
Modi bei seiner Wahlparty mit führenden Mitstreitern in der BJP: Rajnath Singh (links) und Amit Shah (rechts) Bild: Manish Swarup/AP/picture alliance

Nach dem offiziellen Abschluss der Stimmenauszählung steht nun fest. Die Koalition von Premierminister Narendra Modi hat bei den indischen Parlamentswahlen die Mehrheit der Sitze gewonnen. 

Anders als bei den letzten beiden Wahlen verfehlte die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) selbst aber die absolute Mehrheit und kann nur 240 Sitze auf sich vereinen. Sie liegt damit weit unter den 303 Sitzen der letzten Wahl im Jahr 2019 und ist künftig auf Bündnispartner angewiesen. Diese sind in der von ihr angeführten National Democratic Alliance (NDA) versammelt, um die Mehrheit von 272 Sitzen im 543 Sitze umfassenden Unterhaus des Parlaments zu erreichen.

Das Ergebnis bleibt damit weit hinter dem erwarteten Erdrutschsieg zurück und bedeutet einen überraschenden Rückschlag für die Regierungspartei, insbesondere für die Frontfigur Narendra Modi.

Denn auch das Parteienbündnis NDA erhält lediglich 292 Sitze und liegt damit nur wenig über der Mehrheitsmarke von 272 Sitzen. Modi hatte sich ein Ziel von mehr als 400 Sitzen für die NDA gesetzt.

Modi sieht in dem Ergebnis dennoch "eine historische Leistung in der Geschichte Indiens." Die Menschen hätten "zum dritten Mal in Folge ihr Vertrauen in die NDA (National Democratic Alliance) gesetzt", schrieb er auf der Social-Media-Plattform X.

Anhänger der Kongresspartei jubeln dem Parteichef Rahul Gandhi zuBild: Altaf Qadri/AP/picture alliance

Opposition jubelt

Modi muss sich nun im Gegensatz zur Vergangenheit mit seinen Verbündeten arrangieren, etwa dem regionalen Spitzenpolitiker N. Chandrababu Naidu im südlichen Bundesstaat Andhra Pradesh und Nitish Kumar in Bihar im Osten. Naidus Telugu Desam Party und Kumars Janata Dal (United) haben aber bereits zugesagt, Modi als Premierminister zu unterstützen.

Angesichts der Einbußen der BJP-geführten Allianz jubeln die Anhänger der wichtigsten Oppositionspartei, der indische Nationalkongress (INC) — trotz ihrer Wahlniederlage. Die Kongresspartei konnte ihre Sitzzahl im Vergleich zu der vergangenen Wahl im Jahr 2019 beinahe verdoppeln — von 52 auf 99 Sitze — und bleibt zweitstärkste Kraft. Ihr Oppositionsbündnis kam lokalen Medien zufolge auf 234 Sitze. 

Bei den Zahlen innerhalb der Bündnisse kann es in den nächsten Stunden und Tagen noch Veränderungen geben, je nachdem für welches Lager sich die verschiedenen Parteien nach den laufenden Verhandlungen entscheiden.

INC-Unterstützer feierten gestern Rahul Gandhi, den populärsten Spitzenpolitiker in der Partei. Er entstammt der Nehru-Gandhi-Dynastie, die über Generationen hinweg eine dominierende Rolle in der indischen Politik spielte.

Auf einer Pressekonferenz mit Parteipräsident Mallikarjun Kharge sagte Gandhi, er sehe die Zahlen als Botschaft des Volkes. "Die Ärmsten dieses Landes haben die Verfassung Indiens verteidigt."

Narendra Modi bei der Einweihung des umstrittenen Ram-Tempels in AyodhyaBild: Pib /Press Information/Planet Pix via ZUMA Press/picture alliance

"Dies ist der Sieg der Öffentlichkeit und ein Sieg für die Demokratie", sagte Parteipräsident Kharge gegenüber Reportern. Der Kongress hat auch erklärt, die Wahl sei ein "moralischer und politischer Verlust" für Modi gewesen.

Herbe Verluste in Indiens bevölkerungsreichstem Bundesstaat

Einen wesentlichen Einfluss auf das für die BJP enttäuschende Ergebnis hatte das schlechte Abschneiden der Partei im bevölkerungsreichsten Bundesstaat des Landes, Uttar Pradesh, der 80 Abgeordnete ins Parlament entsendet.

Die Partei konnte in dem Bundesstaat 33 Sitze für sich verbuchen, gegenüber den 62, die sie dort 2019 gewonnen hatte.

Die BJP stellte im Wahlkampf die rasante wirtschaftliche Entwicklung in Indien und das wachsende internationale Ansehen des Landes in den Vordergrund und hatte die hinduistische Mehrheit umworben.

Analysten verwiesen jedoch darauf, dass Themen wie die Arbeitslosenkrise die Menschen stärker beschäftigt hätten.

Auch groß angelegte öffentliche Auftritte brachten nicht den gewünschten Erfolg. Modi hatte im Januar einen großen Tempel für den hinduistischen Gott Ram eingeweiht. Damit habe die BJP aber nicht so viel Zuspruch erhalten, wie von der Partei erwartet worden war, sagten Analysten.

Regionale Politikgrößen wie N. Chandrababu Naidu aus Andra Pradesh (links) werden nun zum Königsmacher. Ihre Position wurde in den Wahlen durch das schlechte Abschneiden der BJP gestärktBild: Saikat Paul/Pacific Press/picture alliance

"Die BJP hat 30 Sitze verloren, einschließlich des Sitzes in dem Wahlkreis, in dem sich der Ram-Tempel befindet. Das ist ein starkes Signal, dass ihre Kommunalpolitik an ihre Grenzen gestoßen sein könnte", sagt Halim Khan, ein Aktivist aus der Stadt Bandah in Uttar Pradesh, der DW. Er betonte aber auch es wäre "verfrüht zu sagen, dass sie völlig abgelehnt wurde."

Ein persönlicher Rückschlag für Modi

Die Opposition dagegen habe "außerordentlich gut" abgeschnitten, sagte die Politikwissenschaftlerin Zoya Hasan im Gespräch mit der DW. "Es war eine so ungleiche und unfaire Wahl, bei der die BJP Finanzen, Medien und Institutionen völlig im Würgegriff hatte." Die schlimmsten Befürchtungen hätten sich aber nicht erfüllt. "Die Demokratie und die indische Verfassung werden überleben."

Hasan sieht in dem Ergebnis eine Ablehnung der politischen Dominanz der BJP. "Es hat unseren Glauben an den gesunden Menschenverstand der indischen Wähler und an die Zukunft unserer großartigen Demokratie bestätigt."

Gilles Verniers, Politikwissenschaftler und Senior Fellow in dem Think Tank "Center for Policy Research", beurteilt das ähnlich.

"Selbst wenn es der BJP gelingt, die Regierung zu bilden, ist diese Wahl ein persönlicher Rückschlag für den Premierminister", sagte er der DW und verwies darauf, dass die BJP keine eigene absolute Mehrheit erringen konnte und nun auf Koalitionspartner angewiesen sei, um an der Macht zu bleiben.

"Angesichts der Tatsache, dass die BJP Modi zum einzigen Argument ihrer Kampagne gemacht hat, trägt er die persönliche Verantwortung für das Abschneiden seiner Partei", sagte er.

"Dies ist Neuland für die BJP", meint der Experte. Die Partei stehe vor zwei Möglichkeiten: Sie könne sich entweder der politischen Versöhnung widmen oder den Weg der Autokratie weiter beschreiten. "Die Zukunft wird uns zeigen, welchen Weg der Premierminister wählen wird - eine Wahl, die Indiens Ansehen und seinen Weg bestimmen wird."

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand

 

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