1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikIndonesien

Indonesien-Wahl: Wie geht es weiter nach Präsident Jokowi?

Arti Ekawati Indonesien
Veröffentlicht 13. Februar 2024Zuletzt aktualisiert 14. Februar 2024

Die Wahllokale in Indonesien sind geschlossen, nun wird ausgezählt. Im größten mehrheitlich muslimischen Land der Welt steht der erste Führungswechsel seit einem Jahrzehnt an.

Bilder vom Stimmzettel/Wahlzettel für die Wahlen in Indonesien 2024
Stimmzettel für die Wahlen in Indonesien 2024Bild: DW

In Indonesien, dem größten mehrheitlich muslimischen Land der Welt, geht nach einem Jahrzehnt eine Ära zu Ende. Bei dem landesweiten Urnengang an diesem Mittwoch durfte sich der amtierende Präsident Joko Widodo, besser bekannt als Jokowi, nach zwei Amtszeiten nicht mehr zur Wahl stellen. Die gesetzlich verankerte Amtszeitbeschränkung schließt eine weitere Kandidatur aus.

Drei Politiker haben sich um die Nachfolge von Jokowi als Präsident beworben: Ganjar Pranowo und Anies Baswedan, beide ehemalige Gouverneure in ihren 50ern, und als Senior Verteidigungsminister Prabowo Subianto.

Die Wahl war ein gewaltiges Unterfangen. Über 205 Millionen der 270 Millionen Einwohner haben sich registrieren lassen. Indonesien ist ein Archipel, das aus etwa 17.000 Inseln besteht und sich über drei Zeitzonen erstreckt - von Papua im Osten bis zur Spitze von Sumatra im über 5000 Kilometer entfernten Westen.

Wahlvorbereitungen sind eine logistische Herausforderung. Pakete mit Stimmzetteln in SurakartaBild: Garry Andrew Lotulung/Anadolu/picture alliance

Bei der Wahl waren die Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, neben ihrer Stimme für einen neuen Präsidenten auch ihr Votum für einen neuen Vizepräsidenten abzugeben. Auf dem Stimmzettel standen zudem die Kandidaten für ein neues Nationalparlament und für die Regionalparlamente. 

Junge Menschen stellen die Mehrheit unter den registrierten Wählern. Etwa 55 Prozent von ihnen sind zwischen 17 und 40 Jahre alt, so die Allgemeine Wahlkommission. Alle indonesischen Staatsbürger, die 17 Jahre oder älter sind, dürfen wählen.

Wer sind die Präsidentschaftskandidaten?

Alle drei Kandidaten, die zur Wahl standen, blicken bereits auf eine politische Karriere zurück. Verteidigungsminister Subianto ist ein 72-jähriger ehemaliger Kommandeur einer Spezialeinheit der indonesischen Streitkräfte.

Er kandidiert zum dritten Mal für den Spitzenposten. Bei den Wahlen 2014 und 2019 hatte er sich gegen Jokowi nicht durchsetzen können.

Subianto stammt aus einer Familie, die dem politischen Establishment zugerechnet wird. Er war einst der Schwiegersohn von Suharto, dem Militärdiktator, der 1998 nach einer über drei Jahrzehnten andauernden Herrschaft gestürzt wurde.

Dem Ex-General werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Subianto soll diese in den letzten Tagen der Suharto-Diktatur in seiner Funktion als General und Kommandant einer Spezialeinheit begangen haben. Die Vorwürfe sind bisher unbewiesen. Subianto hat stets jede Verantwortung abgestritten.

Generationsübergreifendes Duo für die Präsidentschaftswahl in Indonesien: Verteidigungsminister Prabowo Subianto (links) und sein junger Vizekandidat Gibran Rakabuming RakaBild: Tatan Syuflana/AP Photo/picture alliance

Als Vize-Kandidat hat Subianto den äußerst populären Gibran Rakabuming Raka benannt. Dass der 36-jährige Raka Aussicht auf dieses Amt haben soll, wird von vielen Beobachtern als Versuch gewertet, mehr Stimmen von der jüngeren Generation zu erhalten. Raka ist der älteste Sohn von Jokowi und derzeit Bürgermeister der Stadt Surakarta.  

Ganjar Pranowo, ein weiterer Kandidat, ist ein ehemaliger Gouverneur der Provinz Zentraljava. Er folgt dem politischen Stil von Präsident Jokowi und versucht, die Sympathie der einfachen Bürger zu gewinnen.

Herausforderer Ganjar Pranowo: Er wirbt um die einfachen Bürger in IndonesienBild: Willy Kurniawan/REUTERS

Seine Präsidentschaftskandidatur wird von der regierenden Indonesischen Demokratischen Partei des Kampfes (PDI-P) unterstützt. Pranowo hat angekündigt, den amtierenden Kabinettsminister Mahfud MD als seinen Kandidaten für die Vizepräsidentschaft zu benennen.

Der dritte Präsidentschaftskandidat ist Anies Baswedan, ehemaliger Gouverneur der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Sein Vizekandidat ist Muhaimin Iskandar, Vorsitzender der Islamischen Partei des Nationalen Erwachens (PKB) - einer der mächtigsten islamischen Parteien des Landes.

Im Jahr 2017 kandidierte Baswedan für das Amt des Gouverneurs von Jakarta gegen Basuki Tjahaja Purnama, der chinesische Vorfahren hat. Baswedan gewann die Wahl. Sein Konkurrent war zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ihm war vorgeworfen worden, er habe während des Wahlkampfs gegen den Koran gelästert.

Laut den jüngsten Umfragen des unabhängigen Forschungsinstituts Litbang Kompas hat Prabowo einen deutlichen Vorsprung vor den beiden anderen Kandidaten: Etwa 39 Prozent der Wähler würden ihn unterstützen, 18 Prozent würden für Pranowo und rund 16 Prozent für Baswedan stimmen.

Wahlkampf mit Wirtschaft

Alle drei Präsidentschaftskandidaten haben sich ehrgeizige Ziele zur Entwicklung von Indonesiens  Wirtschaft gesetzt und versprochen, Millionen von Arbeitsplätzen zu schaffen - ohne konkrete Details zu nennen, wie diese Zahlen erreicht werden sollen.

Die drei Bewerber um die Präsidentschaft haben in diesem Zusammenhang bereits angekündigt, die meisten Initiativen Jokowis fortzusetzen, darunter die Förderung des Bergbaus, den Ausbau der Sozialfürsorge und die Fortsetzung der Arbeit am Bau einer neuen Hauptstadt im Wert von 32 Milliarden US-Dollar. Jokowis Amtzeit gilt allgemein als ein Jahrzehnt der Stabilität und des Wachstums für die größte Volkswirtschaft Südostasiens.

Indonesien und die Religion

Nach Jahrzehnten autoritärer Herrschaft hat Indonesien 1998 die Demokratie eingeführt und seine Staats-Philosophie der Gleichheit und nationalen Einheit namens Pancasila entwickelt, die in der Verfassung des Landes verankert ist.

Das größte mehrheitlich muslimische Land der Welt ist verfassungsmäßig eines der wenigen muslimischen Ländern, in denen der Islam nicht Staatsreligion ist. Ungeachtet dessen nutzen politische Parteien in ihren Wahlkämpfen immer wieder Argumente aus dem religiösen Kontext.

Nach den indonesischen Wahlgesetzen benötigen Präsidentschaftskandidaten 50 Prozent der Gesamtstimmen und mindestens 20 Prozent der Stimmen in jeder Provinz, um die Wahl zu gewinnen. Wenn kein Präsidentschaftskandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, geht es im Juni in eine Stichwahl der beiden Bestplatzierten.

Bad in der Menge: Kundgebung des indonesischen Präsidentschaftskandidaten Anies BaswedanBild: Bay Ismoyo/AFP/Getty Images

Um ins Parlament einzuziehen, müssen die politischen Parteien vier Prozent der Stimmen erhalten. Das Parlament des Landes spielt aber eine relativ untergeordnete Rolle bei der Entscheidungsfindung. Die politische Entscheidungsgewalt liegt beim Präsidenten.

Ein vorläufiges Ergebnis der Wahlkommission wird voraussichtlich am Abend des 14. Februar bekannt gegeben. Bis das endgültige offizielle Ergebnis feststeht, könnten danach noch bis zu fünf Wochen vergehen. Der neue Präsident wird im Oktober vereidigt.

Diskriminierung von Minderheiten

Komnas HAM, eine unabhängige Menschenrechtsorganisation, nennt 17 Gruppen von Bürgern, die bei der Ausübung ihres Wahlrechts wahrscheinlich mit Hindernissen konfrontiert werden. Dazu gehören unter anderem Menschen mit Behinderungen, LGBTQ+, indigene Gemeinschaften und religiöse Minderheiten.

In der Provinz Nord-Sumatra stellte Komnas HAM Fälle von Diskriminierung von LGBTQ+ fest. "Menschen aus der LGBTQ-Gemeinschaft fühlten sich zunehmend unsicher, weil es einen Beschluss der regionalen Führung gab, Sumatras Hauptstadt Medan zu einer LGBTQ-freien Stadt zu erklären", wird Komnas-HAM-Mitarbeiter Pramono Ubaid Tanthowi von dem lokalen Medienunternehmen detik.com zitiert.

 

Erschwerter Zugang zur Wahl: Hier Archivbild aus Jakarta von der Wahl 2014Bild: Zulkarnain/XinhuaIMAGO

Auch die Wahlbeteiligung von Menschen mit Behinderungen dürfte gering sein, sagte Kikin P. Tarigan von der indonesischen Nationalen Kommission für Behinderungen. Er verwies auf die unzureichenden Bemühungen der Wahlkommission, Menschen mit Behinderungen als Wähler zu registrieren.

"Der fehlende Zugang und die fehlende Unterstützung haben Menschen mit Behinderungen daran gehindert, als Wahlberechtigte gelistet zu werden", sagte Tarigan der DW.

Mitarbeit: Yovinus Guntur

Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand

In einer früheren Version dieses Berichts wurde Prabowo Subianto als Militärchef bezeichnet. Er war aber Kommandant einer Spezialeinheit unter Präsident Suharto. Auch wurde Indonesien als säkularer Staat bezeichnet, was irreführend ist, da das Staatsprinzip der Pancasila den Glauben an einen Gott zum Prinzip erhebt. Wir bitten die Fehler zu entschuldigen. 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen