Wahl in Namibia: Starke SWAPO dank zersplitterter Opposition
26. November 2024Es ist kein gutes Jahr für Befreiungsbewegungen und langjährige Regierungsparteien im südlichen Afrika. In Südafrika braucht der ANC nach den Parlamentswahlen erstmals seit der Unabhängigkeit Koalitionspartner, um eine Regierung zu bilden. In Mosambik kommt es seit dem umstrittenen Wahlsieg der Regierungspartei FRELIMO zu gewaltsamen Ausschreitungen. In Botswana und Mauritius holten kürzlich erstmals Oppositionsparteien den Sieg.
Am 27. November 2024 wird auch in Namibia gewählt, wo seit der Unabhängigkeit 1990 mit der SWAPO eine Befreiungsbewegung an der Macht ist. Sie dominiert vor allem in den bevölkerungsreichsten Regionen im Norden des Landes. Die Partei musste allerdings in der Vergangenheit bereits Federn lassen: bei den Parlamentswahlen 2019 verlor sie erstmals seit der Unabhängigkeit ihre Zwei-Drittel-Mehrheit in der Nationalversammlung.
Der dieses Frühjahr verstorbene Präsident Hage Geingob kam mit etwa 56 Prozent auf das schwächste Wahlergebnis in der Geschichte seiner Partei. Und bei den Lokalwahlen 2020 verlor die SWAPO dann auch noch die Macht in einigen urbanen Ballungszentren wie der Hauptstadt Windhoek oder der wirtschaftlich wichtigen Hafenstadt Walvis Bay.
Vordergründig erlebt die SWAPO also einen ähnlichen Trend wie die anderen Befreiungsbewegungen der Region. Aber: "Der Wandel, der sich im südlichen Afrika vollzieht, lässt sich nicht als eine Art Anti-Befreiungsbewegung pauschalisieren," betont die namibische Politologin Rakkel Andreas im DW-Gespräch. Dazu sei die politische Dynamik in den jeweiligen Ländern zu verschieden.
Dem stimmt auch der namibische Dozent und politische Analyst Rui Tyitende zu. "Der Grund, warum die SWAPO das Vertrauen nicht verloren hat, liegt in einer schwachen, einer zersplitterten Opposition", so Tyitende gegenüber der DW.
Schwäche der Opposition ist Stärke der SWAPO
Insgesamt 21 Parteien treten bei den Parlamentswahlen am 27. November 2024 an. Hinzu kommen 15 Kandidaten für das Amt des Präsidenten, der in Namibia direkt gewählt wird. Der politische Raum leidet an Überfüllung, meint Tyitende: "Der Grund für die Fragmentierung hängt nicht mit politischen oder ideologischen Fragen zusammen, sondern mit Egos, mit Persönlichkeitskonflikten." Eine Koalition verschiedener Oppositionsparteien gegen die SWAPO gibt es im Vorfeld der Wahlen nicht.
Hinzukommt das proportionale Wahlsystem in Namibia, das es auch Kleinstparteien ermöglicht, Sitze im Parlament zu ergattern. "Dies weckt Begehrlichkeiten bei Menschen, die sich einzig aus dem Grund politisch aufstellen, weil sie erhoffen, damit Zugang zu den Honigtöpfen zu haben," erklärt der deutsch-namibische Politikwissenschaftler Henning Melber im Interview mit der DW. Materielle Privilegien seien immer ein motivierender Faktor in der namibischen Politik gewesen, so Melber weiter.
Zudem konnte die Opposition nach ihren Wahlerfolgen bei den Lokal- und Regionalwahlen 2020 auch inhaltlich häufig nicht überzeugen. In Windhoek beispielsweise scheiterte eine Oppositionskoalition krachend, mittlerweile hat die SWAPO in einer neuen Koalition wieder das Sagen in der Hauptstadt. "Mit dieser Opposition hat man eine bessere Chance, relativ ungeschoren davonzukommen", fasst Melber zusammen.
Wer kann der SWAPO die Präsidentschaft streitig machen?
Das die Wahl trotzdem nicht im Vorfeld schon entschieden ist, liegt vor allem an der IPC (Independent Patriots for Change). Parteichef Panduleni Itula war 2019 noch SWAPO-Mitglied und trat als unabhängiger Kandidat an. Dabei knöpfte er seinem damaligen Parteikollegen Hage Geingob auf Anhieb 30 Prozent der Stimmen ab. Er gilt als aussichtsreichster Oppositionskandidat.
Itula trifft mit seiner neuen Partei allerdings auf eine mittlerweile geeinte SWAPO und eine starke Regierungskandidatin: Netumbo Nandi-Ndaitwah, aktuelle Vize-Präsidentin unter Interims-Staatschef Nangolo Mbumba, der direkt nach Amtsantritt im Februar eine eigene Kandidatur ausgeschlossen hatte. Nandi-Ndaitwah ist seit der Unabhängigkeit eine feste Größe in der namibischen Politik, hatte zahlreiche Ministerposten inne. Sie wäre laut Analyst Rui Tyitende "eine Präsidentin, die in der öffentlichen Wahrnehmung keine Leichen im Keller hat".
Ihr Kontrahent Itula könnte zugleich in der öffentlichen Wahrnehmung über etwas ganz Banales stolpern: seine Ehe mit einer Britin. Die Kritik an einer möglichen ausländischen und weißen First Lady zeigt laut Politikwissenschaftler Melber die historisch bedingten und noch immer vorhandenen Ressentiments aus der Kolonialzeit. Auch laut Rakkel Andreas sitzen die Narben noch tief: "Die Symbolik ist einfach problematisch. Ich denke, dass es für viele Namibier sehr schwierig sein wird, sie zu akzeptieren." Namibia war seit 1885 als Kolonie unter weißer Minderheitsherrschaft, zunächst mit Deutschland als Kolonialmacht und anschließend als Mandatsgebiet von Südafrika.
Parlamentswahlen als Hoffnungsschimmer für die Opposition
Spannend dürfte der Wettbewerb um die Parlamentssitze sein. Andreas, Melber und Tyitende prognostizieren alle drei gegenüber der DW, dass die IPC als zweitstärkste Partei neue offizielle Opposition in Namibia wird. Und weil auch die neue Linkspartei Affirmative Repositioning (AR) unter dem ehemaligen SWAPO-Mitglied Job Amupanda ins Parlament drängt, könnte die Regierungspartei so zu einer Koalition gezwungen werden: "Es wird Platz für IPC und AR geschaffen werden müssen und ich glaube, dass dies zu Lasten der SWAPO gehen wird", meint Rakkel Andreas.
Ein letzter Stimmungstest im Vorfeld der Wahlen scheint dies zu bestätigen. Rund 16.000 Namibier im Ausland, Staatsbeamte in Uniform und Seefahrer durften bereits wählen. Offizielle Ergebnisse liegen noch nicht vor, doch die vorläufigen Zahlen zeigen einen klaren Trend: ein SWAPO-Sieg vor IPC und AR.