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PolitikPolen

Wahl in Polen: Regierungswechsel scheint möglich

Veröffentlicht 15. Oktober 2023Zuletzt aktualisiert 16. Oktober 2023

Bei der Parlamentswahl in Polen zeichnete sich in Nachwahlbefragungen zwar ein Sieg der Regierungspartei PiS ab. Aber nur das Oppositionsbündnis hat nach derzeitigem Stand eine Mehrheit.

Donald Tusk mit Anhängern
Donald Tusk zum vorläufigen Wahlergebnis: "Ich habe mich noch nie so sehr über den zweiten Platz gefreut"Bild: Kacper Pempel/REUTERS

Bei der Parlamentswahl in Polen liegt laut Prognosen die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vorn. Die seit 2015 regierenden Nationalkonservativen dürften demnach auf gut 39 Prozent der Stimmen kommen, wie Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos ergaben. Die oppositionelle Bürgerkoalition (KO) kam demnach auf etwa 30 Prozent und die christlich-konservative Gruppierung Dritter Weg auf 13,5 Prozent.

Die hier abgebildete Live-Grafik zeigt keine Hochrechnung, sondern den aktuellen Stand der Auszählungen. In der Nacht wechselten sich PiS und Bürgerkoalition an der Spitzenposition immer wieder ab, was möglicherweise auch daran liegen kann, dass gerade jeweilige Hochburgen ausgezählt wurden. Verlässlich werden diese Zahlen erst gegen Ende der Auszählungen. Das endgültige Wahlergebnis steht wohl erst am Dienstag fest. 

Zur Wahl eines neuen Parlaments waren rund 29 Millionen Bürger aufgerufen, darunter eine halbe Million Polen, die im Ausland leben. Die Stimmberechtigten konnten 460 Sitze im Sejm und 100 Mandate im Senat, der zweiten Parlamentskammer, vergeben. Die aktuelle Abstimmung galt als Grundsatzwahl, nicht zuletzt, weil sie Richtungsentscheidungen zu Polens Unterstützung für die Ukraine und für die künftige Rolle Polens in der Europäischen Union bringen dürfte. Die Legislaturperiode dauert vier Jahre.

Noch ist unklar, wie eine neue Regierung gebildet werden kann. Die Parteien haben sich zu Wahlbündnissen zusammengeschlossen. Die rechtsnationalistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit ihrem Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski führt die Vereinigte Rechte an, zu der auch die Republikaner und Souveränes Polen gehören. Ihr größter Rivale ist das liberal-konservative Wahlbündnis Bürgerkoalition (KO) mit der Bürgerplattform des ehemaligen Regierungschefs Donald Tusk als stärkster Einzelpartei. In Umfragen lag die PiS zuletzt knapp vor der oppositionellen KO. Den Umfragen zufolge wären sowohl die PiS als auch die Bürgerplattform bei einem Wahlsieg auf Koalitionspartner angewiesen.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach einer Wahldebatte im FernsehenBild: Maciek Jazwiecki/Agencja Wyborcza.pl via REUTERS

Diverse Bündnisse möglich

Für die PiS von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki wäre ein Bündnis mit der rechtsextremen Konföderationspartei (Konfederacja) denkbar, die einer Koalition aber ablehnend gegenübersteht. Zudem fordert die Konföderationspartei ein Ende der Ukraine-Hilfen. Somit steht für die Ukraine viel auf dem Spiel. Bislang war Warschau einer der wichtigsten Verbündeten bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg. Einige Experten halten eine solche Koalition wegen der schwelenden Spannungen zwischen den beiden Parteien jedoch für unwahrscheinlich.

Falls die liberal-konservative Bürgerkoalition von Tusk die Wahl gewinnen sollte, könnte sie mit dem Linksbündnis Lewica und dem christlich-konservativen Dritten Weg eine Koalition bilden. Voraussetzung dafür ist aber, dass es der Dritte Weg als Zusammenschluss von zwei Parteien über die Acht-Prozent-Hürde schafft, die in Polen für solche Wahlbündnisse gilt.

Unser interaktiver Koalitionsrechner bildet die Mehrheitsverhältnisse aufgrund der Prognose von Monntag, 09.48 Uhr ab. 

Schwelender Machtkampf

Die Regierung Morawiecki führt seit Jahren einen Machtkampf mit der EU, vor allem wegen der Justizreform in Polen, die Kritiker als Angriff auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einstufen. Die Wahl entscheidet somit auch darüber, ob der Konfrontationskurs gegen Brüssel weitergeht oder nicht. Zu den vielen scharfen Attacken der PiS gegen Tusk gehörte im Wahlkampf auch der Vorwurf, der ehemalige EU-Ratspräsident handele im Interesse Deutschlands, der EU und Russlands.

Vor der polnischen Botschaft in Berlin bildete sich eine lange WarteschlangeBild: Monika Stefanek/DW

"Wir sind in der EU und wir wollen dortbleiben, aber in einer EU souveräner Staaten", sagte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski am Freitag bei der letzten Wahlkundgebung seiner Partei in Sandomierz. Tusk warf der PiS auf seiner Abschlusskundgebung in Pruszkow vor, sie habe "geheime Pläne" für einen EU-Austritt Polens. Die PiS führe das Land "auf den falschen Weg". Daher sei die Parlamentswahl "der wichtigste Tag in der Geschichte unserer Demokratie seit 1989".

Volksabstimmung zu vier Fragen

Parallel zur Parlamentswahl stimmten die Polen in einem Referendum, das die PiS organisiert hatte, über vier Fragen ab. Eine davon befasst sich mit dem EU-Asylkompromiss. Dieser sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen. Die PiS-Regierung lehnt das ab. Die anderen Fragen befassen sich mit der Privatisierung staatlicher Unternehmen, dem Renteneintrittsalter und der Barriere an Polens Grenze zu Belarus. Die Opposition hat zum Boykott des Referendums aufgerufen.

rb/fw/kle/jj/fab/se (afp, rtr, dpa)

Dieser Artikel wurde nach Schließung der Wahllokale veröffentlicht und seitdem kontinuierlich ergänzt und aktualisiert.

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