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Politik

Wahl in Sambia: Es geht um die Wirtschaft

Kathy Short Lusaka | Uta Steinwehr
12. August 2021

In Sambia wird ein neuer Präsident gewählt. Doch die Wahl steht unter schwierigen Vorzeichen: Die einstige Vorzeige-Demokratie Afrikas bröckelt. Die Wirtschaft schwächelt und die Menschenrechte leiden.

Bewaffnete Soldaten gehen über einen Markt
Seit Anfang August sorgt das Militär in Lusaka für RuheBild: Salim Dawood/AFP/Getty Images

Auf den Straßen Lusakas, der Hauptstadt von Sambia, patrouillieren kurz vor der Wahl schwer bewaffnete Soldaten. Die Spannungen zwischen den politischen Lagern und Gewaltausbrüche haben vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zugenommen. In verschiedenen Landesteilen gerieten seit Beginn des Wahlkampfes im Mai wiederholt Anhänger der Regierung und der Opposition aneinander - bewaffnet mit Macheten, Äxten, Messer, Schleudern. 

Nachdem dabei zwei Menschen - nach Polizeiangaben Anhänger der Regierungspartei - brutal getötet wurden, entsandte Präsident Edgar Lungu Anfang August die Armee, um die Polizei im Vorgehen gegen die Unruhen zu unterstützen. 

Amtsinhaber Edgar Lungu - bei seiner ersten Vereidigung als Präsident 2015 - will weitermachenBild: Salim Dawood/AFP/Getty Images

Einige seiner Kritiker sehen darin aber einen Einschüchterungsversuch der Bevölkerung. Lungu steht für seinen zunehmend autokratischen Führungsstil in der Kritik der Opposition und von Menschenrechtsorganisationen. "Es gibt Beweise dafür, dass hohe Regierungsbeamte die Gewalt in Sambia in den letzten fünf Jahren mithilfe der Polizei angeheizt haben", sagte Deprose Muchena, Direktor für das östliche und südliche Afrika bei Amnesty International, im Juni anlässlich der Veröffentlichung eines Berichts der Menschenrechtsorganisation. 

Der Vorsitzende der Wahlkommission Sambias, Essau Chulu, sagte der DW, die Kommission werde "während der Wahlen mit der sambischen Polizei zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass sich alle politischen Akteure an die gesetzlichen Bestimmungen halten und ihnen gleiche Bedingungen zugestanden werden". Jeder, der gegen den Verhaltenskodex für die Wahlen verstößt, werde "entsprechend bestraft", so Chulu zur DW.

MacDonald Chipenzi, Direktor der Nichtregierungsorganisation GEARS, die zu Themen wie Wahlen und Bürgerrechte arbeitet, zeigt sich jedoch besorgt: "Das Beängstigendste ist, dass meiner Meinung nach die Sicherheit der am Wahlprozess Beteiligten auf dem Spiel steht." Chipenzi zufolge gibt es für Oppositionelle derzeit keinen echten Schutz. Die Opposition bemängelte wiederholt, ihr Wahlkampf sei von den Behörden behindert worden, wie durch Verbote, in gewisse Regionen zu fahren.

Nur zwei haben Chancen

Wie die Stimmung im Land wirklich ist, ob die Lage weiter eskaliert, entscheidet sich laut Chipenzi erst am Wahltag an diesem Donnerstag. Zwar treten 16 Kandidaten an, doch das Rennen um das höchste Amt im Land wird zwischen dem 64-jährigen Amtsinhaber Edgar Lungu von der sozialistischen Regierungspartei Patriotische Front (PF) und dem 59-jährigen Hakainde Hichilema von der größten Oppositionspartei, der liberalen UPND, fallen.

Es ist Hichilemas sechster Versuch, ins Präsidentenamt zu kommen. Schon bei der vergangenen Wahl im Jahr 2016 war es denkbar knapp. Lungu schlug Hichilema mit 2,7 Prozentpunkten Vorsprung, er kam nur knapp über die 50-Prozent-Hürde, die ihm eine Stichwahl ersparte. Zu dem Zeitpunkt war er bereits gut anderthalb Jahre im Amt, nachdem er eine außerplanmäßige Wahl nach dem Tod seines Vorgängers Michael Sata für sich hatte entscheiden können.

Versucht es zum sechsten Mal: Oppositionskandidat Hakainde HichilemaBild: Salim Dawood/AFP/Getty Images

Doch seitdem hat sich Sambia verändert. Einst galt das Land im südlichen Afrika als Vorzeige-Demokratie. Dieses Image bröckelt: Armut, Hunger, wirtschaftliche und ethnische Ungleichheiten - in all diesen Bereichen hat sich die Lage dem panafrikanischen Analyse- und Meinungsforschungsinstitut Afrobarometer zufolge in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert.

Während im Jahr 2017 noch 15 Prozent der Befragten angaben, innerhalb des vergangenen Jahres für einen öffentlichen Dienst wie bei der Polizei oder im Gesundheitswesen Bestechungsgelder gezahlt zu haben, hat sich dieser Wert im Jahr 2020 auf 27 Prozent fast verdoppelt. 

Keine gute Zeit für Menschenrechte

"Was wir in Sambia vor allem in den letzten fünf Jahren erlebt haben, ist ein zunehmend brutales Vorgehen gegen die Menschenrechte, das durch dreiste Angriffe auf jede Form von Dissens gekennzeichnet ist", sagte Deprose Muchena von Amnesty International. Laut dem Bericht seiner Organisation haben Behörden Aktivisten inhaftiert oder Proteste durch unrechtmäßige Mittel und mit übermäßiger Gewalt aufgelöst.

Die Lage zeigt sich exemplarisch an der Situation der Pressefreiheit im Land. Eine Zeitung und ein regierungskritischer Sender wurden auf Druck der Behörden geschlossen. Einschüchterungsversuche der Regierung gegen Journalisten und direkte Angriffe auf sie haben zugenommen, heißt es bei der Organisation "Reporter ohne Grenzen".

"Um Journalisten strafrechtlich zu verfolgen, nutzt die Regierung entweder einen Vorwand wie die Nichtzahlung von Steuern oder die verschiedenen Gesetze gegen Verleumdung und Aufwiegelung.Im Pressefreiheits-Index der Organisation ist Sambia seit 2015 im Vergleich zu den Jahren nach der Jahrtausendwende um durchschnittlich 30 Plätze abgesackt.

Proteste von Oppositionsanhängern im Dezember 2020 - Menschenrechtsorganisationen beklagen RepressionenBild: Salim Dawood/AFP

Auch wirtschaftlich wankt Sambia, dessen Exporte zu 70 Prozent vom Kupferbergbau abhängen. Vergangenes Jahr war es das erste afrikanische Land, das in der Corona-Pandemie seine Schulden nicht mehr bedienen konnte und mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Umschuldungsverhandlungen trat. Wie Sambia im Mai mitteilte, gibt es diesbezüglich bereits eine weitgehende Einigung mit dem IWF. Final wird die Entscheidung aber erst nach der Wahl.

Beobachtern zufolge gilt Hichilema als der marktfreundlichere Kandidat. Der Analyst Aleix Montana vom Beratungsunternehmen Verisk Maplecroft sagte der Nachrichtenagentur AFP, ein Regierungswechsel würde wahrscheinlich das Vertrauen von Investoren stärken.

Infrastruktur hat sich entwickelt

Doch während Lungus Amtszeit hat sich durchaus auch Positives getan. Straßen wurden gebaut, am einzigen Grenzübergang zu Botsuana entstand eine Brücke über den Sambesi, die im Mai eröffnet wurde. Bisher konnten LKWs an der wichtigen Handelsroute nach Süden nur per Fähre übersetzen. Die Fahrer warteten oft in kilometerlangen Schlangen, teils mehrere Tage.

"Auto fahren war noch nie so schön", sagte der Ökonom Grieve Chelwa der AFP. "Doch man kann die Straßen nicht essen." Für den typischen sambischen Wähler, der eine schlecht bezahlte Arbeit hat oder im informellen Sektor beschäftigt ist, gehe es bei der Wahl "nur um die Wirtschaft", so Chelwa.

Seit Mai fertig: Die Brücke, die den Verkehr am Grenzfluss Sambesi zu Botsuana erleichtertBild: Monirul Bhuiyan/AFP/Getty Images

Beispielhaft dafür könnte Loyd Mwakwa stehen. "Ich würde mir wünschen, dass die Lebenshaltungskosten sinken, denn im Moment übersteigen sie den Geldbeutel der Menschen bei weitem", sagt der 25-Jährige der DW, der in Sambias zweitgrößter Stadt Kitwe lebt. Ihn frustriert, dass die Parteien den Wählern nicht wirklich politische Programme vorgelegt und sich stattdessen auf persönliche Angriffe konzentriert haben.

Frauen geraten ins Hintertreffen

Auch das sambische Parlament wird an diesem Donnerstag gewählt. Schon jetzt sind nach Angaben des Parlaments nur 17 Prozent der Abgeordneten Frauen - und Juliet Chibuta sieht bei dieser Abstimmung Frauen besonders benachteiligt, vor allem durch die Corona-Pandemie. Die Direktorin der Nationalen Frauenlobby, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für die Gleichstellung einsetzt, erklärt, dass Kandidatinnen und Kandidaten ihre Kampagnen selbst finanzieren müssen. "COVID-19 hat sich auch auf die wirtschaftliche Situation vieler Politikerinnen ausgewirkt, die geschäftlich nicht so gut aufgestellt sind", so Chibuta zur DW.

Um das Ansteckungsrisiko in der Pandemie zu verringern, wurden außerdem Wahlkampfauftritte untersagt, bei denen normalerweise viele Menschen zusammenkommen. "Dies hat die Chancen der Kandidaten, insbesondere der Frauen, verringert, auf sich aufmerksam zu machen", sagt Chibuta. Frauen hätten meist nicht die Mittel, um im Radio, Fernsehen und auf Plakaten für sich zu werben.

Die Regierungspartei PF und die Oppositionspartei UPND haben allerdings trotz des Verbots Wahlkampf auf der Straße betrieben - unter dem Vorwand, in der Pandemie Masken zu verteilen.

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