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Politik

Verstoß gegen demokratische Grundprinzipien

31. Juli 2017

Während Venezuelas Sozialisten einen Sieg feiern, erkennen mehrere Staaten die Abstimmung vom Vortag nicht an. Sie fürchten um die Demokratie in dem südamerikanischen Land. Weitere Sanktionen sind im Gespräch.

Venezuela Proteste
Zusammenstöße auf den Straßen von Caracas: Am Wahltag entluden sich die Gegensätze Venezuelas gewaltsamBild: Imago/ZUMA Press/J. C. Hernandez

Die Welt blickt beunruhigt nach Venezuela, wo am Vortag ein neuer Verfassungskonvent gewählt wurde - überschattet von blutiger Gewalt und von der Opposition boykottiert. Die Europäische Union sei besorgt um das "Schicksal der Demokratie" in Venezuela, erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission. Es gebe ernsthafte Bedenken, ob das Wahlergebnis überhaupt anerkannt werden könnte.

Gleichzeitig wirft die EU den venezolanischen Sicherheitskräften vor, mit "exzessiver und unverhältnismäßiger Gewalt" gegen die Proteste vorgegangen zu sein, die den Wahltag begleiteten. In einer Erklärung des diplomatischen Dienstes in Brüssel heißt es: "Eine Verfassungsversammlung, die unter zweifelhaften und oft gewaltsamen Umständen gewählt wurde, kann nicht Teil der Lösung" der gegenwärtigen Krise sein.

"Weder frei, noch geheim, noch gleich"

Auch Berlin kritisierte die Regierung von Präsident Nicolás Maduro dafür, dass er den Prozess zu einer verfassungsgebenden Versammlung nicht angehalten habe - trotz großen Widerstands der eigenen Gesellschaft und gegen den ausdrücklichen Rat der internationalen Gemeinschaft. Dieser Schritt habe "das Land weiter gespalten und die demokratische Ordnung geschwächt", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. "Die Wahl der Delegierten war weder frei, noch geheim, noch gleich und verstieß damit gegen demokratische Grundprinzipien". Die Eskalation sei vorhersehbar und der Einsatz von Gewalt unverhältnismäßig gewesen.

Die Spirale der Gewalt drehte sich auch am Wahltag weiter: Hier haben Militärs die Motorräder von Journalisten angezündetBild: picture alliance/dpa/M. Quintero

Die US-Regierung wurde in ihrer Reaktion noch deutlicher. Die Vereinigten Staaten "verurteilen" die Wahlen, die das "Recht des venezolanischen Volkes auf Selbstbestimmung unterlaufen", erklärte eine Sprecherin des US-Außenministeriums. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, sprach unmittelbar nach dem Ende der Abstimmung von einem weiteren Schritt Richtung Diktatur in Venezuela. Man werde eine unrechtmäßige Regierung nicht anerkennen, twitterte sie. Mexiko, Kolumbien, Panama, Argentinien, Costa Rica, und Peru wollen das Ergebnis ebenfalls nicht anerkennen.

Washington droht gar mit weiteren Wirtschaftssanktionen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungskreisen erfuhr, sollen die Strafmaßnahmen bereits an diesem Montag beschlossen werden. Die USA verfügen über ein wirkungsvolles Druckmittel: Sie sind einer der größten Abnehmer des venezolanischen Öls. Allerdings zieht Washington laut Reuters derzeit nicht in Erwägung, die Öllieferungen aus Venezuela zu verbieten. Möglich sei aber, dass der Verkauf leichteren Rohöls nach Venezuela gestoppt werde. Dieses wird von dem südamerikanischen Land zum Mischen mit eigenem schwerem Rohöl verwendet und ist essentiell für den Export.

Trotz eines Demonstrationsverbots blieben Gegner Maduros standhaft - sie blockierten zahlreiche Straßen in CaracasBild: Reuters/C. Garcis Rawlins

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden bei Zusammenstößen am Wahltag mindestens zehn Menschen getötet. Die jüngsten Opfer waren zwei Kinder im Alter von 13 und 17. Sie wurden bei Protesten im Bundesstaat Tachira von Kugeln getroffen. Unter den Toten war außerdem ein Kandidat für den Verfassungskonvent. Der Anwalt und Anhänger der Sozialisten, José Félix Pineda, wurde im Bundesstaat Bolívar in seiner Wohnung erschossen. Seit Beginn der Protestwelle Anfang April wurden bereits mehr als hundert Menschen getötet.

Unterschiedliche Versionen

Am Tag nach der Wahl ist Venezuela mehr denn je gespalten. Maduro selbst wertete die Abstimmung als Erfolg. "Wir haben eine verfassunggebende Versammlung", sagte er noch in der Nacht vor hunderten Anhängern. Die Chefin der Nationalen Wahlkommission, Tibisay Lucena, sprach von einer "außergewöhnlichen Wahlbeteiligung". Mehr als acht Millionen Venezolaner hätten ihre Stimme abgegeben, sagte die Maduro-Verbündete. Das seien 41,5 Prozent der Wahlberechtigten.

Er sieht sich als Sieger: Venezuelas sozialistischer Präsident Nicolas MaduroBild: picture-alliance/dpa/M. Quintero

Die Opposition kennt andere Zahlen. Parlamentspräsident Julio Borges erklärte via Twitter, die tatsächliche Beteiligung sei fast verdreifacht worden. Nach seinen Informationen hätten nur 2,48 Millionen Wähler ihre Stimme abgegeben. Gut 88 Prozent der Wahlberechtigten seien nicht zu den Urnen gegangen und hätten damit die geplante Verfassungsreform zurückgewiesen, erklärte Borges im Namen des Oppositionsbündnisses MUD. "Es ist der größte Wahlbetrug in der Geschichte unseres Landes."

Oppositionsführer Henrique Capriles erklärte: "Wir erkennen diesen betrügerischen Prozess nicht an, für uns ist er nichtig, er existiert nicht." Er rief zu neuen Protesten am Montag und am Mittwoch auf.

Venezuelas Opposition wirft Maduro vor, er wolle die verfassunggebende Versammlung mit eigenen Anhängern besetzen, um sich "diktatorische Vollmachten" zu sichern. Sie sehen dahinter ein Manöver des wenig populären Staatschefs, mit dem er die für Ende 2018 vorgesehene Präsidentschaftswahl vermeiden will. Zudem beschuldigt ihn die Opposition, er strebe einen staatlichen Umbau nach dem Vorbild Kubas an. Seit Monaten kämpfen Maduros Gegner für eine Amtsenthebung des Präsidenten, den sie auch für die schwere Wirtschaftskrise in dem südamerikanischen Land verantwortlich machen.

nin/uh (dpa, afp, rtr, kna)

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